Das Transferfenster zur Saison 2022/23 in der Fußball-Bundesliga schließt am 1. September um 18 Uhr. Meist wird es kurz vorher noch einmal hektisch bei den Vereinen. Wie hat der 1. FC Union Berlin diese Phase genutzt? Wir bewerten die meisten Zu- und Abgänge und blicken auf mögliche Aktivitäten in letzter Minute.

Wie haben die bisherigen Neuzugänge eingeschlagen?

Zehn Neuzugänge haben Manager Oliver Ruhnert und Trainer Urs Fischer nach Köpenick gelotst und dabei wieder einmal gutes Scouting und Fußballwissen bewiesen. Wir haben diese einmal in vier Kategorien unterteilt, dabei ist die Einschätzung an der einen oder andere Stelle durchaus diskutabel.

Absoluter Knaller für Union Berlin

Jordan Siebatcheu: Der neue Rekordtransfer kam für sechs Millionen Euro von den Young Boys Bern und macht nahtlos da weiter, wo er in der Schweizer Superleague (22 Tore) aufgehört hat. Frei nach dem Motto eines VW-Käfers: Der 26-jährige Franko-Amerikaner trifft und trifft und trifft, hat nach vier Spielen schon zwei Treffer sowie zwei Vorlagen auf seinem Konto. Als ob es keinen Unterschied zwischen der Schweiz und der Bundesliga gebe. Zudem bildet er mit dem wieselflinken Sheraldo Becker (4 Tore/2 Vorlagen) derzeit ein kongeniales Angriffsduo.
Hat eingeschlagen bei Union Berlin: Janik Haberer (rechts) im Duell mit Tom Krauß von Schalke 04.
Hat eingeschlagen bei Union Berlin: Janik Haberer (rechts) im Duell mit Tom Krauß von Schalke 04.
© Foto: David Inderlied/dpa
Jannik Haberer: Ein typisch, genialer Ruhnert-Transfer. Haberer kam ablösefrei vom SC Freiburg, grätscht alles weg oder holt mal den Hammer raus wie bei seinem Traumtor gegen Schalke 04. Und zuletzt gab der 28-Jährige in einem Interview mit dem rbb ein starkes Statement pro Union ab. „Ich habe sportlich eine neue Herausforderung gesucht und diese in Union Berlin gesehen. Es war auf jeden Fall ein Club, der mich gereizt hat. Ein Traditionsverein, zu dem ich hinwollte. Die Fans und das Stadion, das hat mich inspiriert. Dort wollte ich Fußball spielen.“

Starke Verpflichtung für Union Berlin

Morten Thorsby: Viel geschrieben wurde über den Norweger vor allem wegen seiner Aktivitäten neben dem Platz als Klimaaktivist. Aber der von Sampdoria Genua für drei Millionen Euro gewechselte 26-Jährige zeigte zuletzt seine Qualitäten im Mittelfeld auf dem Rasen. Im ersten Startelf-Einsatz zeigte er zudem seine Torgefahr und erzielte beim 6:1 auf Schalke gleich seinen ersten Treffer.
Überzeugt in der Defensive: Diogo Leite (vorn, gegen den Mainzer Dominik Kohr) ist vom ehemaligen Champions-League-Sieger FC Porto ausgeliehen.
Überzeugt in der Defensive: Diogo Leite (vorn, gegen den Mainzer Dominik Kohr) ist vom ehemaligen Champions-League-Sieger FC Porto ausgeliehen.
© Foto: Torsten Silz/dpa
Diogo Leite: Der 23-Jährige kam erst mitten in der Vorbereitung und mit Trainingsrückstand nach Köpenick, stand aber in allen vier Bundesligaspielen in der Startelf. Beim kritischen Trainer Urs Fischer nicht selbstverständlich und deshalb ein echtes Qualitätsmerkmal. Dass einer wie der Innenverteidiger, vom FC Porto für rund 500.000 Euro ausgeliehen, bei Union spielt, ist sowieso ungewöhnlich, spricht aber für Manager Ruhnert und seine Fähigkeit, große Talente für Union zu gewinnen. Leite debütierte in der Champions League als Union 2018/19 in die Bundesliga aufstieg, und hat vom eisenharten Pepe in Porto viel gelernt und bei Union bisher überzeugt.
Danilho Doekhi: Der ablösefrei gekommene ehemalige Kapitän von Vitesse Arnheim liefert sich in der Abwehr ein Duell mit Paul Jaeckel. Der Platzhirsch aus Eisenhüttenstadt hatte in den ersten Spielen noch die Nase vorn. Aber der 24-jährige Niederländer kommt auf, durfte gegen Schalke 04 von Beginn an ran und überzeugte. Und weil Konkurrenzkampf immer gut ist für die Entwicklung der Spieler, darf sich Union mit dem 1,90 Meter langen Doekhi auf einen weiteren starken, torgefährlichen Abwehrspieler freuen.

Kategorie „geht so“ für Union Berlin

Jamie Leweling: Der mit großen Erwartungen für 4 Millionen Euro verpflichtete deutsche U-21-Nationalspieler ist noch nicht angekommen. Nach einem Außenbandriss im Sprunggelenk in der Vorbereitung hat er erst 19 Minuten im Derby gegen Hertha BSC gespielt, saß seitdem auf der Bank oder Tribüne, wohl auch der momentan stark aufspielenden Konkurrenz geschuldet.
Milos Pantovic (links, gegen den ehemaligen Unioner Marius Bülter) ist noch nicht beim 1. FC Union Berlin angekommen.
Milos Pantovic (links, gegen den ehemaligen Unioner Marius Bülter) ist noch nicht beim 1. FC Union Berlin angekommen.
© Foto: Laci Perenyi/imago images
Milos Pantovic: Wie bei Leweling gilt: Auch der schussstarke Serbe wartet auf den Durchbruch bei den Eisernen. Der 24-Jährige, ablösefrei vom VfL Bochum gekommen, hat bis in zwei Spielen nur 28 Minuten auf dem Feld gestanden.
Lennart Grill: Der U-21-Europameister kam als Leihspieler von Bayer Leverkusen, um Frederik Rönnow im Union-Tor Konkurrenz zu machen. Dabei hat der 23-Jährige momentan den Kürzeren gezogen.

Flop für Union Berlin

Paul Seguin: Der 27-Jährige kam mit dem Anspruch, sich in der Bundesliga endgültig durchzusetzen. Davon ist der von der SpVgg Greuther Fürth ablösefrei gekommene Mittelfeldspieler, der wegen einer Corona-Infektion verspätet in die Vorbereitung einstieg, noch weit entfernt. In den bisherigen vier Bundesligaspielen stand Seguin nur gegen RB Leipzig überhaupt im Kader. Konkurrent Haberer hat derzeit im defensiven Mittelfeld klar die Nase vorn.
Tim Skarke: Der Offensivspieler kam vom knapp am Bundesliga-Aufstieg gescheiterten SV Darmstadt 98 an die Wuhle. Aber den Anschluss an die Bundesliga hat der 25-Jährige noch nicht gefunden. Mit Sheraldo Becker hat der Schwabe indes den momentanen Überflieger im Kader der Köpenicker vor der Nase.

Welcher Abgang tut Union Berlin am meisten weh?

Ehrlich gesagt – keiner. Als ein Gesicht des 1. FC Union fehlt vielleicht Torwart Andreas Luthe, der jetzt in Kaiserslautern zweite Liga spielt. Awoniyi und Prömel sind sichtbar ersetzt. Marcus Ingvartsen brachte vor allem knapp 2.5 Millionen in die Kasse für seinen Wechsel zum FSV Mainz 05, Andreas Voglsammer flüchtete auf die Insel zum englischen Zweitligisten FC Millwall und ist längst durch Sven Michel ersetzt. Dominique Heintz sah keine Chance mehr gegen Doehki, Leite und Jaeckel und verließ die Eisernen nach einem halben Jahr bereits wieder auf Leihbasis zum Ligakontrahenten VfL Bochum. Die Liste ließe sich fortsetzen. Zudem ist jeder Abgang durch Oliver Ruhnert eher noch mit einem besseren Spieler besetzt worden. Wieder einmal eine reife Leistung des Managers, zumal unter dem Strich ein Einnahmeplus von rund zehn Millionen Euro steht.
Tymoteusz Puchacz könnte noch wechseln. Sparta Prag ist an dem Polen interessiert.
Tymoteusz Puchacz könnte noch wechseln. Sparta Prag ist an dem Polen interessiert.
© Foto: Matthias Koch/Imago images

Gibt es noch kurzfristige Abgänge bei Union Berlin?

Laut Kicker und polnischen Medienberichten ist Tymoteusz Puchacz ein Kandidat für einen Wechsel kurz vor Toreschluss. Der 23-Jährige ist bei Sparta Prag im Gespräch. Der Pole stand in dieser Saison noch nicht im Kader bei den Berlinern und spielt unter Trainer Urs Fischer keine Rolle. Die Tschechen suchen nach dem Wechsel von Linksverteidiger David Hancko zu Feyenoord Rotterdam einen Ersatz. Und Zweitligist Hansa Rostock hat wohl ein Auge auf Innenverteidiger Rick van Drongelen geworfen.

Schlägt Union Berlin noch einmal auf dem Transfermarkt zu?

Auf dem Portal transfermarkt.de wird Mittelstürmer Serdar Dursun als kurzfristiger Neuzugang gehandelt. Der 30-Jährige steht bei Fenerbahce Istanbul unter Vertrag, gilt dort als Verkaufskandidat. Ob der 1,90 Meter–Hüne kommt, ist aber eher nicht anzunehmen. Dursun gilt anders als Siebatcheu als eher langsam, egoistisch am Ball und soll taktische Defizite haben. Auf der anderen Seite schoss er in der vergangenen Saison 15 Tore in der türkischen Süper Lig.