Berlin-Charlottenburg rund um das Olympiastadion musste erst einmal ganz tief durchatmen, als am späten Samstagabend auch die letzte S-Bahn mit den jubelnden Fans von Union Berlin abgefahren war. Beinahe im Schnellzugtempo hatten die Eisernen aus Köpenick zuvor Hertha BSC regelrecht überrollt. Mit dem 4:1 (1:0) feierte Union Berlin nicht nur den höchsten Auswärtssieg der Vereinsgeschichte in der Fußball-Bundesliga. Es war gleichzeitig der dritte Sieg im dritten Derby in dieser Saison. „Stadtmeister, Stadtmeister, Berlins Nummer eins“, sangen die Fans in den S-Bahnen.

Machtdemonstration im Berliner Olympiastadion

Vor allem aber geriet dieser bemerkenswerte Fußballabend im erstmals wieder ausverkauften Olympiastadion zu einer Machtdemonstration. Denn so groß wie in dieser Partie war der Leistungsunterschied zwischen beiden Hauptstadt-Team noch nie. „Wir haben heute gegen eine Mannschaft verloren, die einfach besser und engagierter war als wir“, fasste Felix Magath als Trainer von Hertha BSC die 90 Minuten zusammen. In der Tabelle liegen mittlerweile 18 Punkte zwischen den beiden Hauptstadt-Clubs – so viel wie noch nie.
Auf der einen Seite feierte Union Berlin sich und die reizvollen Aussichten in den verbleibenden Partien dieser Saison. In der Bundesliga peilen die Eisernen als Tabellensiebter erneut das internationale Geschäft an. Zudem stehen sie im Halbfinale des DFB-Pokals gegen RB Leipzig. Das große Ziel ist das Finale am 21. Mai. „Dann kommen wir hoffentlich noch einmal zurück ins Olympiastadion. Das ist natürlich unser Ziel“, verkündete Kapitän Christopher Trimmel.

Hertha BSC in Abstiegsgefahr

Auf der anderen Seite werden die Sorgen von Hertha BSC immer größer. Als Tabellen-17. schwebt die Alte Dame in akuter Abstiegsgefahr. „Berlin wird nicht absteigen“, versprach zwar Hertha-Torhüter Marcel Lotka. Wie die Mannschaft das bewerkstelligen will, konnte sie allerdings nicht nachweisen.
Auf der einen Seite spielte Union Berlin voller Selbstbewusstsein und profitierte immer wieder von seinen deutlichen Geschwindigkeitsvorteilen, insbesondere auf den Außenbahnen. Wenn man den Eisernen überhaupt etwas vorwerfen konnte – sie hätten angesichts der Vielzahl an Chancen bereits in der 1. Halbzeit „den Sack zu machen müssen“, wie Kapitän Trimmel treffend analysierte.

Union Berlin hilft beim Ehrentreffer für Hertha mit

Genki Haraguchi (31.), Grischa Prömel (53.), Sheraldo Becker (74.) und Sven Michel (85.) erzielten die Treffer für die Eisernen. Und selbst beim Ehrentreffer von Hertha BSC halfen sie mit. Timo Baumgartl bugsierte in der 49. Minute den Ball zum zwischenzeitlichen Ausgleich ins eigene Tor.
Auf der anderen Seite basierte bei Hertha BSC viel auf dem Prinzip Zufall. Zu viel, um auch nur den Hauch einer Chance in diesem Derby zu haben. Die Gastgeber suchen auch unter dem neuen Trainer Felix Magath nach einem Plan für den Klassenerhalt. Hinten ist das Team vor allem bei hohen Bällen weiterhin extrem anfällig. Vorn fehlt es an Durchschlagskraft und vor allem Mut. „Das war einfach zu wenig von uns“, konstatierte der mit Abstand beste Herthaner – Torhüter Marcel Lotka.

12.000 Fans von Union Berlin beim Derby

Und so war es auch emotional ein Derby der Gegensätze. Auf der einen Seite bejubelten die Union-Profis gemeinsam mit den gut 12.000 mitgereisten Fans das historische Stadtmeister-Triple. „Dieses Triple bedeutet uns sehr viel. Wir wollten unbedingt gewinnen – für unsere Fans“, betonte Kapitän Trimmel.
Auf der anderen Seite wurden die Spieler von Hertha BSC nicht nur sportlich durch die in dieser Höhe verdiente Niederlage gedemütigt, sondern auch von den eigenen Fans in der Ostkurve. Sie forderten die Mannschaft nach dem Schlusspfiff auf, die blau-weißen Hertha-Trikots auszuziehen und auf den Boden vor der Fankurve zu legen. „Es tut mir sehr leid für die Fans und den Verein“, sagte Maximilian Mittelstädt als gebürtiger Berliner.
12.000 Fans von Union Berlin im Gästeblock erlebten im Olympiastadion einen denkwürdigen Abend.
12.000 Fans von Union Berlin im Gästeblock erlebten im Olympiastadion einen denkwürdigen Abend.
© Foto: Sören Stache
Es war ein Fußballabend im Olympiastadion, von dem man sich in Berlin-Charlottenburg jetzt möglichst schnell erholen muss. Am Ostersamstag wartet auf Hertha BSC das eventuell schon vorentscheidende Kellerduell beim FC Augsburg. Und es war ein Fußballabend von dem man auf der anderen Seite der Stadt in Köpenick vermutlich noch lange schwärmen wird. Mindestens aber bis zum Heimspiel am Ostersonntag gegen Eintracht Frankfurt.