Der mittlerweile 53 Jahre alte Erkneraner ist gemeinhin ein begeisterungsfähiger Mensch. Aber wenn er über den Grünheider Lauf spricht, gerät er regelrecht ins Schwärmen. Das hat seinen Grund, denn dieses ganz besondere Rennen nur wenige Kilometer von seinem Heimatort entfernt hat ihn schon als Jugendlichen geprägt. Schuld daran waren vor allem zwei Männer: sein Vater Kurt Prinz und Günter Heinzig, Leichtathletik-Trainer bei der BSG Chemie.
Ultra-Läufe waren Mitte der 1970-er Jahre in der DDR verpönt, was aber dafür sorgte, dass sie bei Sportlern und Sport-Interessierten erst recht eine besondere Faszination auslösten. So auch bei Kurt Prinz. Der war schon am 1. April 1978 bei der zweiten Auflage in Grünheide mit seinem Fotoapparat dabei – zwölf Monate später gehörte Sohn Jan zu jenen Aktiven, die mindestens eine der 10-km-Runden absolvierten. Für den 13-Jährigen eine Distanz, die er zuvor nicht ansatzweise bewältigt hatte.
1975 hatte er bei Günter Heinzig mit dem regelmäßigen Training begonnen, sich recht schnell auf die 800 Meter spezialisiert. Bis zur 10. Klasse gewann Jan Prinz regelmäßig bei der Kreis-Spartakiade Fürstenwalde, lief auf Bezirksebene vorn mit. "Auf die Sportschule nach Frankfurt wollte ich aber nicht, wärelieber zum TSC Berlin gegangen, weil ich da jeden Tag nach Hause hätte fahren können", erinnert sich der Erkneraner. Daraus wurde jedoch nichts, "an der Enttäuschung hatte ich jahrelang zu knabbern". Der 2007 verstorbene Trainer war sein großes Vorbild, "für mich eine Legende. 1960 hatte er die Olympia-Qualifikation im Marathon für die gemeinsame deutsche Mannschaft bei den Spielen in Rom als Vierter denkbar knapp verpasst."
Aber zurück nach Grünheide. Am29. März 1980 startete Jan gemeinsam mit seinem rund vier Jahre älteren Bruder Volker. "Der war Fußballer. Als Leichtathlet wollte ich natürlich besser sein als er, aber schon kurz nach dem Start habe ich ihn aus den Augen verloren. Er war einfach zu schnell." Nach zehn Kilometern zurück bei Start und Ziel auf dem Gelände des Landschulheims in Klein Wall, sah der Jüngere seinen Bruder nicht ("Der war längst duschen."), also lief er weiter. Nach 20 Kilometern erblickte er Volker, "aber ich wusste nicht, ist er nun eine oder zwei Runden gelaufen? Ich fühlte mich gut, also habe ich noch eine dran gehängt. Ich wollte ja besser sein als er ..." Nach offiziell 2:48,13 Minuten plumpste der 14-Jährige "fix und fertig" ins Auto und zu Hause ins Bett, ohne zu essen und zu trinken. "Am Montag habe ich mich in die Schule geschleppt. So einen Riesenmuskelkater habe ich nie wieder gehabt", lacht Jan Prinz, der nach der Jahrtausendwende auch als einer der beiden Erkneraner Weltumradler bekannt wurde.
Bei der fünften Auflage in Grünheide nahm er 1981 die 30 Kilometer übrigens ganz offiziell in Angriff, mit der Bestätigung einer sport-medizinischen Untersuchung und ein bisschen Vorbereitung durch Trainer Heinzig. "Dass ich da dreizehneinhalb Minuten langsamer war, ist mir erst jetzt aufgefallen, als ich die alten Fotos und Unterlagen rausgesucht habe." Das Ansinnen, 1982 einen Marathon laufen zu wollen, wurde dem 16-Jährigen aufgrund seines Alters verwehrt – das sollte Prinz noch langebeschäftigen.
Er lernte Schlosser im Rüdersdorfer Zementwerk, die Motivation für eine regelmäßiges Training ging dem Teenager mehr und mehr verloren. Immerhin hat der Randberliner noch losen Kontakt zu einigen Kameraden von damals, zum Beispiel zu Lars-Uwe Rose. "Der war mehr auf der Kurzstrecke zu Hause, im Kugelstoßen und Speerwerfen. Heute ist er Skilehrer und Tourenführer im Zillertal."
Jan Prinz begann erst 2003 wieder mit dem Joggen, schloss sich der ALG Löcknitztal an, einer Hobby-Laufgruppe mit Mitgliedern aus Erkner und Grünheide. Den Traum vom Marathon erfüllte er sich schließlich als 39-Jähriger im Spreewald. Auch beim Grünheider Lauf ging er später in Kienbaum und Störitz wieder an den Start, unter anderem in einer 10 x 10-km-Staffel.
Unzählige Geschichten könnte er über die Traditionsveranstaltung vor den Toren Berlins erzählen. Zwei, die nicht verbürgt, aber umso amüsanter sind: "Der Tscheche Vaclav Kamenik, von 1979 bis 82 viermal in Folge Sieger über die 100 Kilometer, soll angeblich nach jeder Runde ein Bier getrunken haben. Und beim vierten Lauf gab es das Gerücht, dass ein Westberliner unter dem Namen seines Bruders aus der DDR gestartet sei – er hatte so tolle Turnhosen an ..."
Zur Geschichte
Im Frühjahr 1976 wurden die 100 Kilometer von Grünheide erstmals (damals noch inoffi-ziell) ausgetragen. Ein halbes Dutzend lauf-verrückter Berliner hatte sich der Heraus-forderung gestellt, drei erreichten das Ziel.Im Jahr darauf waren es bereits 38 Teilnehmer, die sich vom Schullandheim Klein Wall aus auf die 10-km-Waldrunde um den Peetzsee begaben, 14 finishten. Beide Male hieß der Sieger Roland Winkler, neben Wolfgang Kahms einer der Gründungsväter der Veranstaltung. Letzterer gewann ebenfalls zweimal (1978 und 1984).
Von 1986 bis 88 konnte der Lauf nichtstattfinden, ebenso 1991, danach fand er im Bundesleistungszentrum Kienbaum eine neue Heimstatt. 2004 wurden hier erstmals die deutschen Meisterschaften über 100 kmausgetragen, 221 Läufer fanden sich in denErgebnislisten.
Vor fünf Jahren erfolgte der erneute Umzug, seither finden die Wettbewerbe mit Startund Ziel im Familiencamp Söritzland statt.Wie in Kienbaum wird eine 5-km-Rundegelaufen. Es gibt Wertungen über 50 Kilo-meter sowie 12 Stunden, zudem wird imRahmen des Brandenburg-Cups der Störitzsee-Lauf ausgerichtet (5 und 10 km).
Kienbaum und Störitz sind Ortsteileder Gemeinde Grünheide (Oder-Spree). kb