Am Samstag hatte es Kevin Behrens nach dem Heimspiel des 1. FC Union Berlin ziemlich eilig. Der Tisch im Restaurant war schließlich schon reserviert und die Familie wartete. Außerdem gab es eine Menge zu feiern: 2:1-Sieg gegen den FSV Mainz 05, vorübergehende Tabellenführung in der Fußball-Bundesliga und natürlich den Geburtstag des Stürmers. Einen Tag zuvor war Kevin Behrens 32 Jahre alte geworden.
32 Jahre – in diesem Alter biegt ein Stürmer im Profifußball normalerweise auf die Zielgerade seiner Karriere ein. Die Karriere von Kevin Behrens nimmt dagegen erst so richtig Fahrt auf. Am Sonntag hat der gebürtige Bremer seinen Vertrag bei Union Berlin verlängert und präsentiert sich derzeit in der Form seines Lebens. In 19 Bundesliga-Spielen hat Behrens vier Tore erzielt. Dazu kommen drei Treffer im DFB-Pokal. „Ich spiele jetzt schon einige Wochen auf diesem Niveau. Es ist sicher die beste Form, die ich je hatte“, sagt der Stürmer.

Kevin Behrens in Topform

Mit 32 Jahren in der Form des Lebens? Das ist doch nicht normal, oder? Stimmt. „Mein Weg ist ja auch nicht normal“, schmunzelt Kevin Behrens. Zumal seine Karriere schon in der Sackgasse zu sein schien. Nach der Zeit im Nachwuchs von Werder Bremen tingelte der 1,85 Meter große Stürmer durch die Regionalliga. Wilhelmshaven, Hannover 96 II, Aachen, Essen und Saarbrücken lauteten seine Stationen, die so gar nichts mit dem Profifußball zu tun hatten. Mit den früheren Mitspielern bei der Alemannia gibt es immer noch eine Whatsapp-Gruppe. „Es ist schon verrückt. Ich werde oft von ehemaligen Mitspielern angesprochen, mit denen ich früher in der Regionalliga gespielt habe. Sie erden mich immer wieder“, erklärt Behrens.
Von 2018 bis 2021 spielte er für den SV Sandhausen in der 2. Liga. Auch Sandhausen und die große, weite Welt des Profifußballs passen nicht wirklich zusammen. Kevin Behrens glaubte trotzdem an seinen Traum. „Ich versuche immer, alles zu geben und das Maximum herauszuholen. Ich hatte einfach Lust, noch was zu erreichen“, sagt er über seinen Wechsel nach Köpenick ins Stadion An der Alten Försterei.
Zumal die Sache mit dem Profifußball ja immer besser in Fahrt kommt. Behrens, der ehemalige Regionalliga-Stürmer, steht sozusagen sinnbildlich für den bemerkenswerten Höhenflug von Union Berlin. Die Eisernen reisen am Samstag als Tabellenzweiter zum Bundesliga-Spitzenspiel bei RB Leipzig (18.30 Uhr). Sie stehen im Viertelfinale des DFB-Pokals und spielen in der Europa League demnächst gegen Ajax Amsterdam. Nix Sandhausen, Ajax!
In einer Medienrunde wurde Kevin Behrens jetzt gefragt, welchen der drei Titel er denn am liebsten gewinnen würde: Meisterschaft, DFB-Pokal oder Europa League? Die Frage ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach zu beantworten. Denn Union Berlin und Titel gewinnen – es klingt auch für Behrens immer noch sehr unwirklich. „Es ist schon krass. Für uns alle ist das eine unerwartete Situation, wie Union Berlin sich entwickelt hat. Es tut mir leid, aber ich kann die Frage nicht beantworten.“ Seinen bisher einzigen Titel gewann Kevin Behrens in der Saison 2017/18 mit dem 1. FC Saarbrücken: Meister der Regionalliga Südwest.
Der Stürmer von Union Berlin will lieber Tore für sich sprechen lassen. Aus dem ehemaligen Regionalliga-Spieler ist ein gestandener Bundesliga-Profi geworden. Er habe sich an das höhere Spieltempo gewöhnt, seinen ersten Kontakt verbessert und sei cleverer im Strafraum geworden, fasst Behrens selbst seine wichtigsten Entwicklungsschritte in Köpenick zusammen.

Konkurrenzkampf bei Union Berlin

Eine wichtige Rolle spielt auch der Konkurrenzkampf bei Union Berlin. Neben dem im Sturm der Eisernen gesetzten Sheraldo Becker bewerben sich Jordan Siebatcheu, Sven Michel und eben Kevin Behrens um den einen noch freien Platz im Team von Trainer Urs Fischer. „Dieser Konkurrenzkampf macht dich natürlich besser. Du musst immer ans Maximum gehen“, beschreibt Behrens das tägliche Ringen um die Startelf.
Von der Regionalliga über die 2. Liga ist er bis in den europäischen Fußball durchgestartet und jetzt mit Union Berlin ein Titelkandidat in der Bundesliga – manchmal muss sich Kevin Behrens selbst kneifen. „Es ist ein überragendes Gefühl, so einen Weg eingeschlagen zu haben“, findet der Stürmer. Und das Beste daran ist laut Behrens: „Es ist ja noch nicht vorbei.“
Dafür nimmt der Stürmer auch gern die eine oder Entbehrung auf sich. Bei der privaten Geburtstagsfeier im Restaurant nach dem Mainz-Spiel gab es übrigens für ihn nur Wasser und ein Spezi zu trinken.