Auf den ersten Blick ist Benedict Hollerbach ein ganz normaler Neuzugang beim 1. FC Union Berlin. Der 22 Jahre alte Stürmer hat den SV Wehen Wiesbaden mit seinen Toren zum Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga geschossen. Jetzt will Hollerbach den nächsten Schritt in seiner Profikarriere machen. Es ist zweifellos ein großer und mutiger Schritt – geradewegs hinein in die Champions League mit Union Berlin.
Auf den zweiten Blick sind da aber eben auch die Diskussionen um das Social-Media-Verhalten des jungen Angreifers. Diese Diskussionen werden im Internet schon seit Wochen sehr kontrovers geführt. Und sie waren natürlich auch bei Union Berlin bekannt, bevor man den Spieler verpflichtete.
In jedem Fall hat der Verein sehr schnell auf die zu erwartende Kritik aus dem Fanlager reagiert. So mancher Anhänger befürchtet eine Beschädigung der Werte und der Kultur der Eisernen. Bereits wenige Minuten nach der Bekanntgabe der Verpflichtung von Benedict Hollerbach am Donnerstagvormittag und den ersten kritischen Stimmen meldete sich der 1. FC Union auf Instagram zu Wort und gab ein Versprechen ab. „Wir bitten um ein wenig Geduld. Wir gehen das gemeinsam an“, hieß es dort.
Hier vor Ort im Trainingslager in Bramberg am Wildkogel wird unter den Fans über diese Thematik natürlich auch diskutiert, aber eher im kleinen Kreis. Begrüßt wurde Benedict Hollerbach von den rund 200 Anhängern wie alle anderen Neuzugänge auch: herzlich und mit aufmunternden Worten. Und Hollerbach grüßte freundlich zurück. Auch im Team scheint es kein großes Thema zu sein. „Ich bin super aufgenommen worden. Alle sind total freundlich und offen“, erklärte Hollerbach gegenüber dem vereinseigenen AFTV.
Union Berlin bezieht Stellung
Vor den anwesenden Journalisten stand der Neuzugang bislang noch nicht Rede und Antwort. Möglicherweise auch, weil man im Verein eben erst noch die Social-Media-Thematik aufarbeiten will. Er sei Internetseiten mit frauenfeindlichen und rechtsradikalen Inhalten gefolgt, lautet der Vorwurf. Zur ganzen Wahrheit gehört auch: Inzwischen sind diese Seiten im Instagram-Profil von Benedict Hollerbach nicht mehr zu sehen.
Gegenüber „radioeins“ hat Unions Kommunikationschef Christian Arbeit jetzt einen ersten Einblick gegeben, wie Union Berlin mit diesem Thema umgeht. „Erst einmal ist das ein junger und sehr talentierter Spieler. Das hat er in den vergangenen Jahren bewiesen“, betont Arbeit und wirbt um einen vorurteilsfreien Start für Hollerbach bei den Eisernen: „Es wäre ganz gut, wenn wir dem Menschen eine Chance geben und ihn kennenlernen können. Wir sollten nicht aufgrund von Interpretationen des Verhaltens auf Social Media zu viele Rückschlüsse ziehen. Es sind ja diesbezüglich gar keine Äußerungen von ihm bekannt.“
Unions Kommunikationschef räumt mit Blick auf die umstrittenen Social-Media-Aktivitäten von Hollerbach jedoch auch ein, dass es vielleicht „unklug“ von ihm gewesen sei, wem er da im Einzelnen gefolgt sei. Arbeit weiter: „Ob ihm das immer so bewusst war, da habe ich meine Zweifel. Ich glaube, wir sollten – wie immer – nicht vorschnell über jemand urteilen. Darüber hinaus ist es natürlich gut, ihm zu zeigen, wie es bei uns im Verein zugeht und wie unsere Kultur ist. Ich denke, das wird sehr schnell für ihn gehen.“
Bei Union Berlin hofft man, dass sich das Interesse an Benedict Hollerbach jetzt in erster Linie auf den sportlichen Bereich konzentriert. Und in der Tat hat der Neuzugang aus der 3. Liga gleich bei seinen ersten beiden Testspiel-Auftritten auf sich aufmerksam gemacht. Beim 1:0-Sieg gegen Udinese Calcio am Samstag in Lienz war Hollerbach sogar an der Szene des Spiels schlechthin beteiligt. Der Youngster nervte mit Beto ausgerechnet den Starstürmer der Italiener. Als es dem 25-Millionen-Mann zu viel wurde, rannte er Hollerbach hinterher und zog ihn an seinem Wuschelkopf. Beto sah dafür zurecht die Rote Karte, Hollerbach bekam ein Lob von Kapitän Rani Khedira für seine Leistung. „Er ist ein schneller und aggressiver Spieler. Wenn man ihn nur an den Haaren ziehend stoppen kann, ist das ja auch eine Qualität“, schmunzelte Khedira.
Trainer Urs Fischer hat mit dem trickreichen Flügelspieler Benedict Hollerbach eine neue taktische Facette für seinen Kader bekommen. Auch Fischer war zufrieden mit dem Einstand von Hollerbach. „Er hat das wirklich sehr gut gemacht und war rotzfrech. Manchmal übertreibt er es noch. Denn am Schluss geht es um Effizienz“, urteilte Fischer. Aber auch von ihm gab es ein Lob: „Er war ein Unruheherd und hat immer wieder provoziert und attackiert. Er war giftig.“ Benedict Hollerbach ist also auf einem guten Weg, bei Union Berlin jetzt vor allem sportliche Schlagzeilen zu produzieren.