Mit dem tiefen Fall des Tiger Woods beendete EA Sports sein Golf-Engagement auf Raten. Rory McIlroy durfte noch einmal als Testimonial ran, dann war Schluss. Mehrere Jahre musste der Golf-Fan so auf eine adäquate digitale Umsetzung verzichten, bis Publisher 2K in die Bresche sprang. Doch nun ist EA Sports back to the Game. Ohne viel Tamtam veröffentlichten die Kalifornier „EA Sports PGA Tour“.
Alle Majors am Start
Ein wenig kommt man sich dabei vor wie im richtigen Golf-Leben, wo sich seit einiger Zeit LIV Golf mit saudischen Petro-Dollars als Konkurrenz zur PGA-Tour zu etablieren versucht. Der spielerische Unterschied in der virtuellen Welt ist, dass sich alles im Rahmen der US-Tour-Organisation abspielt. Dem Gamer soll's Recht sein, denn Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft, was bei Videospielen tolle Grafik, authentisches Gameplay und natürlich viele Originalschauplätze erhoffen lässt.
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Und tatsächlich geizt EA Sports wie gewohnt nicht mit Lizenzen. Gleich alle vier Majors sind mit an Bord, dazu die PLAYERS Championship sowie die FedExCup-Playoffs. Selbst die Ladies Professional Golf Association fehlt nicht mit Spielerinnen. Apropos: Die „Abtrünnigen“ Pros sucht man nicht vergeblich. Dustin Johnson, Bryson DeChambeau und Ian Poulter finden sich tatsächlich im Kader, werden aber nicht beworben. Sogar Enfant terrible Bubba Watson taucht mit seinem pinkfarbenen Driver am Abschlag auf. In den Focus allerdings rückt das Spiel eher die Tour-Getreuen wie Tony Finau, Hideki Matsuyama und Xander Schauffele. Sowie natürlich Nelly Korda als höchstdotierte LPGA-Vertreterin. Mit 30 Plätzen tritt EA beim Neustart an, darunter nur zwei Fantasy-Kurse. Die restlichen 28 sind teils echte Traumdestinationen für Golfer, auch, weil Normalos Augusta nie wirklich betreten werden oder sich Pebble Beach einfach nicht leisten können. Neben den anderen bekannten, ganz vorn St. Andrews Old Course, Kiawah Island oder Torrey Pines finden sich aber auch Exoten wie Teeth of the Dog in der Dominikanischen Republik. Kurzum, die Platzauswahl ist abwechslungsreich und erlesen.
Traum-Kurse für Golfer
Das gilt es besonders zu erwähnen, weil die Entwickler offensichtlich weder Kosten noch vor allem Mühe gescheut haben, den originalen Fairways perfekte digitale Ebenbilder zur Seite zu stellen. Drohnentechnologie und Flughelikopter mit individuellen LiDAR-Scannern sammelten die Daten, aus denen mittels der Frostbite-Engine eine virtuelle Golfwelt entstand. Hier sollen sich nicht nur Spielbahnen und Bunker an der exakten Stelle befinden, sondern auch Bauten und gar die wichtigsten Pflanzen. Auf Grundlage von TrackMan-Aufzeichnungen wurde zudem das Ballverhalten auf den Plätzen programmiert, sodass von Flugbahn bis Bounce alles den wirklichen Bedingungen entspricht. Nachprüfbar wird das wohl für die wenigsten sein, das Spielgefühl zumindest aber ist hervorragend.
Womit wir beim Gameplay wären. EA Sports bezeichnet mit Pure Strike das, was der Gamer in die Hand bekommt, um Schläge auszuführen. 20 verschiedene Typen gibt das Spiel her, wobei diese nicht zwingend selbsterklärend sind. Spätestens hier vermisst man dann doch ein Tutorial oder besser noch eine Driving Range. Denn auch der Rest der Steuerung ist mitunter etwas tricky. Vielleicht nicht für den Golf-Game-Veteranen. Aber auch Neueinsteiger und Gelegenheitsspieler sollen ja Spaß am virtuellen Abschlag haben. EA Sports setzt wie die Konkurrenz auf eine dem Golfschwung entsprechende Ansicht in Form eines Kreises, auf dem der Schläger um den Körper geführt wird. Das ist sehr realistisch und intuitiv. Je nachdem, wo man den Zielmarker in der Landezone platziert und in Abhängigkeit vom gewählten Club, befindet sich dann auf der Kreisbahn eine Markierung, an der man vom Rück- in den Durchschwung wechseln sollte. Doch wie im richtigen Leben ist es eben nicht so einfach, eine fließende und schnelle Bewegung auf den Punkt genau zu dosieren. Die meisten werden daher überpowern. Betont langsam zu schwingen funktioniert im Übrigen nicht, da die Spielengine dies als Probeschwung klassifiziert und den Schlag verweigert.
Golfschwung wie im richtigen Leben
Rein praktisch erfolgt der Golfschwung über einen der Analogsticks, die dafür zum Körper gezogen (Rückschwung) und dann schnell aber gleichmäßig nach vorne gedrückt werden müssen (Durchschwung). Dabei sollte der Stick bzw. Schläger in möglichst gerader Linie geführt werden. Gerade dies, was in der Wirklichkeit eine der größten golferischen Herausforderungen darstellt, funktioniert im Spiel erstaunlich einfach. Und auch beim Thema Tempo, zu langsam Slice, zu schnell Hook, verzeiht die Software gnädig. Das hätte man sich beim Putten gewünscht, aber hier ist PGA Tour einfach gnadenlos. Wie auf den ultraschnellen Grüns der Profis entscheidet das Timing bei den extrem kurzen Pendelbewegungen des Putters brachial über Birdie, Paar oder gar Bogey. Zwar wird das Grün über ein Gitter und mittels laufender Linien genau in Sachen Gefälle dargestellt, es gibt sogar eine Linie, die das generelle Brake anzeigt, doch die Ausrichtung sowie Länge des Putts muss jeder selbst justieren und dann noch entsprechend ausführen. Das braucht viel Übung und insofern wäre hier ebenfalls ein Putting-Green hilfreich gewesen.
Von Matchplay bis Masters
Wie schon bei den Lizenzen, so protzt EA Sports ebenso bei den Spiel-Modi. Es gibt verschiedene Karriere-Varianten, bei denen entweder ein eigener Golfer teilnimmt und die Tour aufmischt oder nur die Playoffs spielt oder eben das Masters in Angriff nimmt. Wer sein alter ego zum Einsatz bringt, darf dieses dann entsprechend ausrüsten und weiterentwickeln. Oder man nimmt sich einen der echten Pros und bestreitet mit diesem verschiedene Wettbewerbe. Diese richten sich alle nach dem realen Vorbild, was natürlich bedeutet, dass pro Turnier einige 18-Loch-Runden absolviert werden müssen. Das dauert und braucht Geduld, die wohl vor allem Neulinge erst erlernen müssen. Für Kurzweil sorgen dafür On- wie Offline-Modi, die zu Hauf vorhanden sind und die allein, mit virtueller oder menschlicher Konkurrenz gespielt werden können. Nicht weniger als neun Spielvarianten gibt „PGA Tour“ her, von Stroke- über Matchplay bis Skin sowie verschiedene Bestball-Spiele. Das ist üppig und sorgt, wenn gewollt, für kollektiven Spaß fast wie auf dem richtigen Platz.
Mit Bubba Watson abschlagen
Dass sich der Gamer wie dort fühlt, liegt ganz klar an der grafischen Umsetzung mittels der Frostbite-Engine. Hier überzeugt die Tour ein weiteres Mal. Gelände, Gebäude, Pflanzen und natürlich die Golfer, die grafische Umsetzung ist ebenso großes Kino wie auch die Animation. Den Pros wurden dabei bestimmte Eigenheiten mitgegeben, beispielsweise Bubbas typischer Knieschwung beim Abschlag. Die Texturen sehen ungemein realistisch aus, es gibt kein Nachladen oder andere Effekte, die auf eine Software hinweisen würden. Wer die PGA schonmal live oder im TV gesehen hat, wird sofort die enorme Wirklichkeitsnähe feststellen. Zu der trägt in nicht unwesentlichem Maße die Kommentierung bei. Gleich vier Sprecher versammeln sich hinterm Mic und geben ihre Meinung zum Besten. Sicher, irgendwann wiederholen sich bestimmte Formulierungen. Dass aber eine KI die Sätze aneinanderreiht nach dem, was auf dem Platz passiert, ist nicht spürbar.
Das beste Golfspiel, aber...
Man darf EA Sports gratulieren. Nicht nur, weil diejenigen, die über Jahre hinweg den virtuellen Golfsport beherrscht haben, sich wieder zurückmelden. Auch die Art, wie dies geschieht, ist beeindruckend. Umfang, Ausstattung, Lizenzen, Gameplay und Grafik lassen die Konkurrenz, die auch im Nahen Osten aufteet, im Wortsinn alt aussehen. Nicht nur optisch, sondern ebenso spielerisch ist „PGA Tour“ an der Wirklichkeit. Da so viel Komplexität für Neulinge und Gelegenheitsspieler abschreckend wirken könnte, wären die Entwickler gut beraten, einsteigerfreundliche Updates vorzunehmen und auch mal über ein Turorial und/oder eine Driving Range nachzudenken. Zumindest stellt EA Sports in Aussicht, dass man an der Umsetzung der so beliebten Drei-Klick-Steuerung arbeiten würde. Und auch Crossplay über verschiedene Systeme hinweg, ist wohl noch nicht ganz vom Tisch.
EA Sports PGA Tour - Test-Fazit
EA Sports ist back to the Game und der Auftritt beeindruckend. In Sachen Umfang, Spielmodi, Grafik und Gameplay haben die Redwooder hier aus dem Stand das beste virtuelle Golfspiel aller Zeiten gezaubert. Hierin liegt allerdings auch die Krux, denn so viel Realismus könnte Einsteiger und Gelegenheitsspieler abschrecken. Insofern werden Tutorial und Driving Range oder andere Übungsmöglichkeiten bisher schmerzlich vermisst.