Seit zehn Jahren hoffen die Anwohner der Schiffbauerstraße in Beeskow auf Storchennachwuchs. Damals, im Frühjahr 2013, war einer der großen Vögel in einer Pappel am Straßenrand gelandet und tagelang dorthin zurückgekehrt.
Auf Anregung der Anwohner ließ die Stadt Beeskow deshalb wenige Wochen später in unmittelbarer Nähe eine Nisthilfe für den Adebar errichten. In den Folgejahren ließen sich dort, ganz genau im angrenzenden Spreeauenweg, auch immer mal wieder Störche nieder. Allerdings oft nur Einzeltiere und meist erst spät im Sommer, sodass es für eine erfolgreiche Aufzucht von Jungstörchen eh zu spät gewesen wäre.
2023 kam dann alles anders. Am 12. April war das erste Mal das Klappern der Storchenschnäbel zu hören. Praktisch zeitgleich war ein Storchenpaar angereist und begann, das vorbereitete Nest aufzustocken. Trotz der Bautätigkeit blieb auch Zeit für die Balz und Ende April begannen die Tiere tatsächlich zu brüten. Zwei Jungvögel schlüpften schließlich, allerdings in recht erheblichen Zeitabstand und so gab es immer einen kleinen und einen großen Jungstorch.
Beide Tiere sind flügge geworden
Beide Jungtiere sind am Ende flügge geworden. Der erste Jungvogel segelte Anfang August vom Nest und begann, beschützt von den Alttieren, auf der an den Horst grenzenden Spreewiese selbst nach Futter zu suchen. Der Nachkömmling wurde weiter gefüttert. Doch am 12. August, auf den Tag vier Monate nach der Ankunft in Beeskow, erhoben sich die Altvögel und das große Jungtier völlig unerwartet in die Lüfte und verschwanden. Der Nachzügler blieb zurück, ohne Schutz und ohne Nahrung. Auch die Fischabfälle, die die Anwohner von Beginn an Tag für Tag als Zusatzfutter in der Trockenzeit ausgebracht hatten, waren für ihn unerreichbar.
Das Umweltamt des Kreises greift ein
Auf Anraten des Beeskower Nabu-Chefs Axel Schmidt wurde deshalb das Umweltamt des Kreises informiert. Dort ist Lutz Ittermann für Arten- und Biotopschutz zuständig. Er leitete umgehend eine Rettungsaktion ein. Die Feuerwehr wurde mit Drehleiter zum Storchennest gerufen. Sie sollte das Jungtier aus dem Horst holen. Doch als die Tierretter kamen, breitete der Jungstorch seine Flügel aus und ergriff die Flucht. 150, vielleicht 200 Meter sei er schon gesegelt, schätzt Ittermann.
Er sei dem Jungvogel hinterhergeeilt, dabei noch auf der Spreewiese gestürzt. Das habe der Jungstorch für einen weiteren Flugversuch genutzt. Aber beim zweiten Zupacken sei es ihm schließlich gelungen, den Vogel zu ergreifen. „Der Schnabel kann noch etwas länger werden, aber ansonsten machte das Tier einen fitten Eindruck“, so der Artenschützer. Es sei umgehend in das Nabu-Weißstorch-Zentrum nach Vetschau gebracht worden. „Noch ein paar Tage Fütterung, dann fliegt der allein in den Süden“, zeigt sich Ittermann optimistisch, dass die Wieder-Auswilderung gelingt. Bestehe dazu keine Chance, ist eine Wildtierrettung aus seiner Sicht auch nicht sinnvoll.
Abflug der Altvögel war nur eine Frage der Zeit
Dass die Altvögel ihren Nachwuchs verlassen haben, kurz bevor dieser selbstständig habe fliegen können, sei schon ungewöhnlich, so Ittermann. Grund sei wahrscheinlich die fortgeschrittene Jahreszeit. Normalerweise würden die Altstörche schon Anfang August ihr Nest verlassen. Die Jungtiere bleiben noch ein paar Tage länger und nutzen den Horst um dort zu übernachten. Den Zug in die Winterquartiere treten Alt- und Jungvögel ohnehin getrennt an.
Nicht nur Dank der dramatischen Rettungsaktion in Beeskow war es in der Region ein gutes Storchenjahr. Den kurzschnäbligen Nachzügler aus dem Spreeauenweg eingerechnet, habe er in dem von ihm betreuten Gebiet 53 erfolgreich aufgezogenen Jungstörche registriert, so der Nabu-Weißstorchbeauftragte Hartmut Haupt. So viele habe es seit 15 Jahren nicht gegeben. Die Zahl der Brutpaare zwischen Lieberose, Beeskow und Storkow sei um sechs auf 31 gestiegen, 25 davon hätten erfolgreich Nachwuchs aufgezogen.
Selbst eine Fichte ist ein möglicher Nistplatz
In Beeskow beispielsweise gab es auch noch im Grünen Weg ein neues Storchennest, in Jamlitz und Trebatsch wurden nach langen Jahren Pause Storchenpaare beim Brutgeschäft beobachtet, ebenso in Görzig. Und in Görsdorf bei Beeskow war nicht mal eine Nisthilfe nötig. Dort bauten sich die Vögel in der Spitze einer Fichte ein Nest. Eine Zunahme um 20 Prozent, die nur schwer zu erklären sei. Der hiesige Storchennachwuchs der vergangenen Jahre habe dafür nicht gereicht. Wahrscheinlich, so vermutet es Haupt, habe es in Westpolen oder in der Tschechei zuletzt gute Storchenjahre gegeben und einige der Vögel suchen nun neue Nistgebiete in der Nähe.
Denn eigentlich würden sich Jungstörche immer in der Nähe ihres Geburtsortes niederlassen. Ganz genau klären lässt sich das aber nicht mehr, denn die hiesigen Störche werden schon lange nicht mehr beringt. In Schadow, so Haupt, habe er vor zehn Jahren einen beringten Vogel beobachtet, der in Luckau geboren wurde. Im vergangenen Jahr ein Tier in Tauche, das aus der Prignitz stammte. Das seien schon weit entfernte Geburtsorte.Gute Chancen für Rückkehr 2024
Und wie stehen die Chancen, dass die Störche im kommenden Jahr wieder in den Spreeauenweg nach Beeskow kommen? Hartmut Haupt ist optimistisch. Dem einmal gewählten Brutplatz würden die Tiere treu bleiben. Und so dürfen die Anwohner auf die Rückkehr von Alfred und Annemarie hoffen. So haben die Anwohner ihre Störche bei einem gemeinsamen Straßenfest in Sichtweite des Horstes getauft. Und in einigen Haushalten liegt auch noch eingefrorener Weißfisch bereit, auch im kommenden Jahr soll bei Nahrungsknappheit schließlich wieder gefüttert werden, damit die Storchenaufzucht vielleicht auch ohne Feuerwehreinsatz gelingt.