Seit gut einer Woche ist Kraftfahrer Tim Fiedler jetzt mit seinem neuen Müllfahrzeug in Bernau unterwegs. Seine erste Bilanz: „Es war spannend.“ Für die Spannung hat vor allem die Tatsache gesorgt, dass sein Truck kaum Geräusche verursacht. „Daran müssen wir uns gewöhnen, aber auch die Leute auf den Straßen.“ Wohl wahr.
Denn wer kennt das nicht: Schon Minuten, bevor die Müllabfuhr vor der eigenen Haustür hält, kündigt sie sich durch pfeifend schnaufende Geräusche sowie den Sound anfahrender Diesellaster an. Das Pfeifen und Schnaufen sind Hydraulikgeräusche, die Fiedlers neues Müllfahrzeug nicht mehr ausstößt. Und der Motor ist auch kaum noch zu hören. „Das ist schon angenehm“, sagt Fiedler.
Erstes Wasserstoff-Müllfahrzeug in Brandenburg
Der Kraftfahrer ist der erste, der für die Barnimer Dienstleistungsgesellschaft (BDG) ein mit Wasserstoff betriebenes Abfallentsorgungsfahrzeug lenken darf. Vor gut einer Woche wurde es geliefert, am Donnerstag im Beisein von Landrat Daniel Kurth (SPD) und Bürgermeister André Stahl (Linke) in Bernau feierlich in Betrieb genommen.
„Die BDG ist mit der jetzt erfolgten Lieferung der erste Entsorger im Land Brandenburg, der wasserstoffbetriebene Abfallsammelfahrzeug einsetzt“, sagte Kurth. Der Landkreis komme damit einen entscheidenden Schritt bei der Umsetzung der vor 15 Jahren beschlossenen Null-Emissions-Strategie im Barnim voran. Das Fahrzeug werde nicht nur leiser sein. „Wir rußen ihnen auch ihre Innenstadt nicht mehr voll“, versprach Kurth dem Bernauer Bürgermeister.
Das Versprechen will der Kreis sukzessive einlösen. Bis Ende des Monats sollen drei weitere Wasserstoff-Fahrzeuge in Bernau eintreffen. Die vier Lkw werden zunächst alle in den Niederbarnimer Gemeinden eingesetzt – zwei sammeln Sperrmüll ein, die anderen beiden Biomüll. Bis zum Jahr 2035 will die BDG nach Auskunft ihres Betriebsleiters Timo Pompetzki alle 40 Müllfahrzeuge im Landkreis durch Modelle mit alternativen Antrieben ersetzen. In den kommenden Wochen sollen auch die ersten Wasserstoff-Busse für die Barnimer Busgesellschaft (BBG) geliefert und im Bernauer Stadtverkehr eingesetzt werden.
Kein Lärm und keine Abgase
Die neuen Fahrzeuge sind nicht nur leiser und abgasfrei, sie sind auch umweltfreundlicher. Jedes Müllfahrzeug wird rund 45 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen. Ihre Laufleistung beläuft sich auf rund 300 Kilometer. Das reicht für eine Tagestour. Der Wasserstoff wird zurzeit noch in Berlin-Pankow getankt. Bis Ende des Jahres soll in Bernau eine eigene Wasserstoff-Tankstelle gebaut werden, die auch die neuen BBG-Busse ansteuern werden.
Bislang können die Lieferanten nicht garantieren, dass ausschließlich grüner Wasserstoff zur Verfügung gestellt wird. Grün bedeutet in dem Zusammenhang die Produktion mit erneuerbaren Energien. Das soll sich aber ändern. Die eigene Tankstelle soll nur noch mit Wasserstoff beliefert werden, der mit Wind- und Sonnenstrom hergestellt wird. Laut Timo Pompetzki wird inzwischen mit der uckermärkischen Firma Enertrag der Aufbau einer eigenen Wasserstoffproduktion in Bernau geplant. Sie könnte ab 2025 in Betrieb geben. „Wir haben die nötigen Voraussetzungen: Es gibt Windräder und Solaranlagen in der Nähe. Wir werden sogar über den eigenen Bedarf produzieren können.“
Beim Bremsen wird Energie gewonnen
Die neuen Müllfahrzeuge haben noch einen weiteren Vorteil: Sie können beim Bremsen erzeugte Energie zurückgewinnen. Dadurch, dass sie vor allem im Stop-and-Go-Betrieb verkehren, lässt sich nach Herstellerangaben bis zu ein Drittel der benötigten Energie durch Bremsvorgänge gewinnen. Zum Vergleich: Ein herkömmliches Dieselfahrzeug verbraucht 42 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Im Schnitt legen die Barnimer Müllfahrzeug 25.000 Kilometer pro Jahr zurück.
Kraftfahrer Tim Fiedler will sein neues Fahrzeug jedenfalls nicht mehr missen. „Schön ist vor allem, dass man die Hydraulikgeräusche beim Beladen nicht mehr hört.“ Und außerdem muss er bei der Arbeit keine Dieselabgase mehr einatmen.