Pfingsten 1946: Das I. Parlament der im März gegründeten Freien Deutschen Jugend tagt vom 8. bis zum 10. Juni in Brandenburg an der Havel. Urplötzlich avancierte Brandenburg zum Mittelpunkt des politischen Geschehens und der Propaganda innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ).
Unter Regie der hiesigen Stadtverwaltung gelang es mit großer Mühe, für 633 Delegierte sowie 400 Gäste Quartier und Verpflegung zu sichern. Weitaus leichter fiel es wohl seitens der Propaganda-Maschinerie, mehrere Tortürme und Hausfassaden mit Losungen zu beschmieren.
Mit Erich Honecker und vier Grundrechten
Bei diesem Parlament (1. FDJ-Vorsitzender bis 1955 Erich Honecker, später u.a. Partei- und DDR-Regierungschef) wurden vier Grundrechte proklamiert: politische Mitbestimmung, Arbeit und Erholung sowie Bildung, Freude und Frohsinn. Hehre Ziele für eine Jugend, die fortan zu „selbständig denkenden und verantwortungsbewußt handelnden Menschen" erzogen werden sollte. Aber wie auch beim Umgang mit der Sozialdemokratie und Kirche blieb das ein Trugschluss. Längst hatten sich die führenden kommunistischen Kräfte der sogenannten Einheitspartei SED – seit März 46 – zum Marxismus-Leninismus bekannt.
Und mit 46 SED-Genossen
In den FDJ-Zentralrat wählten die Delegierten vor 75 Jahren hier in Brandenburg neben 46 (!) SED-Genossen acht CDU-, je vier LDP-Mitglieder und Parteilose. Doch bald folgten schwere politische Auseinandersetzungen. So gelang es u.a. in unserer Stadt, mit Rückendeckung der Sowjets die seitens CDU, LDP inklusive Kirche angestrebten eigenen Jugendverbände zu vereiteln.
Großdemo inmitten der Trümmer
Höhepunkte des Pfingst-Parlaments 1946 waren eine große Demonstration durch das von Trümmern gezeichnete Brandenburg sowie die Abschlusskundgebung auf dem Marienberg. Sogar Gottesdienste beider Konfessionen gehörten da noch zum Programm. Die 10. Wiederkehr dieses Ereignisses war im Juni 1956 erneut Anlass für ein zentrales Treffen mit Aufmärschen und vielerlei Kulturveranstaltungen, so auf der hiesigen, neuen Freilichtbühne. Vergessen sind keinesfalls aber spätere, beschämende Propaganda-Aktionen linientreuer Brandenburger FDJ-Mitglieder in Stoßtrupps gegen die Junge Gemeinde bzw. auch jene Bauern, die die Zwangskollektivierung ablehnten. Inbegriffen die Antennenstürmerei der „Blauhemden" gegen das Westfernsehen.
Brandenburg stand 1971 nochmals im Fokus:
In der einstigen Stadthalle – eine Tafel erinnerte dort an das I. Parlament – beging die Elite von Partei und FDJ dessen 25. Wiederkehr. Aber Ironie der Geschichte: Als die friedliche Revolution (1989) den Untergang der DDR einleitete, wollte sich dieser Jugendverband, die „Kampfreserve der Partei", retten. Es misslang, da vor allem das Neue Forum mit geharnischten Protesten und Demos gegen das für Ende Januar 1990 in die Halle am Quenz (heute Stahlpalast) eiligst einberufene XIII. Parlament erfolgreich Stellung bezog. So fanden dann in unserer Stadt, wo Honecker 1946 schon als FDJ-Chef goldene Zeiten versprochen hatte, die Träumereien ihr Ende. Vorbei auch die organisierten Marsch- und Jubelkolonnen.