Kai-Alexander Moslé aus Groß Schönebeck sorgt sich um seinen Dackel. Die Hundedame namens „Brezel“ könnte unterschlagen worden sein, fürchtet der 74-Jährige. Schon seit zwei Wochen ist Brezel verschwunden.
Das ein Jahre alte, sozusagen jugendliche Dackelmädchen, das zudem auch noch läufig war, schlüpfte am 29. Juli an dem Grundstück in Groß Schönebeck unter dem Zaun durch und entschwand in dem umliegenden Wald. „Sie ist ein Familienmitglied“, bedauert Moslé. Jetzt glaubt er, dass ein Unbekannter den Hund für sich behalten will.
Moslé ist eine Institution in der Schorfheide. Der gebürtige Charlottenburger aus einer weitverzweigten Kaufmanns- und Wissenschaftlerfamilie, der unter anderem die in der Nazizeit und den Nachkriegswirren zerstreute Kunstsammlung seines jüdischen Vorfahrens Alfred Cassirer rekonstruiert, wohnt seit 1991 im Forsthaus Eichheide nahe des Werbellinsees und war zehn Jahre lang ehrenamtlicher Bürgermeister von Groß Schönebeck.

Rätselhafte Anrufe unter falscher Nummer

Doch wie kommt Moslé auf seinen ungeheuerlichen Verdacht? Er fragte auf Anraten seiner Tierärztin beim Tierheim Ladeburg an – dort hatte sich tatsächlich ein Finder aus Zepernick gemeldet, der zwar korrekt den Chipcode von Brezel ausgelesen hatte. Aber die hinterlassene Rufnummer war falsch. Später stellte sich heraus, dass der Herr auch im eigentlich gar nicht zuständigen Ordnungsamt Joachimsthal nachgefragt hatte und dort wiederum eine andere Nummer hinterlassen hatte.
Moslé hat mittlerweile Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die Dackeldame Brezel wiederzufinden – rief beim Tierheim an, war bei verschiedenen Polizeistationen, fragte in den Ordnungsämtern von Schorfheide und Joachimsthal nach, stellte eine Anzeige wegen „Unterschlagung einer Fundsache“, wendete sich an die Tierschutzorganisation „Tasso“. Alles vergeblich.

Von Riad und Tobago in die Schorfheide

Moslé – dessen Vorfahren teilweise von einem Offizier oder Soldaten der napoleonischen Truppen abstammen – hatte sich nach der Wende bei einem Ausritt in das Forsthaus Eichheide verguckt, den Eigentümer ausfindig gemacht, mit seinem letzten Geld und Bankkrediten das Haus sowie später noch das Gut Sarnow erworben und sich voll in sein Bürgermeisteramt gestürzt.
Kai-Alexander Moslé und seiner Frau Christiane ist die Dackeldame Brezel ans Herz gewachsen.
Kai-Alexander Moslé und seiner Frau Christiane ist die Dackeldame Brezel ans Herz gewachsen.
© Foto: Naima Isichei
Man tritt dem Volkswirt wohl kaum zu nahe, wenn man ihn selbst als „bunten Hund“ bezeichnet: War er doch in seinem Leben schon kaufmännischer Projektleiter für das Ingenieurbüro Bartels und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Berlin, Lagos, Riad und Tobago, arbeitete als Konzernrevisor beim Pharmakonzern Schering und hatte um die Wendezeit seine eigene Kommunikations-Agentur mit 40 Beschäftigten. Das Kommunalamt trat das ehemalige Gründungsmitglied der Alternativen Liste (AL) in Berlin erst als Parteiloser an, ging später in die CDU und ist nun wieder Mitglied bei den Grünen. Infolge seiner vielfältigen Bürgermeisteraktivitäten vernachlässigte er allerdings seine Firma und ging Ende der 90er-Jahre pleite.

Auf dem Hof leben neben Brezel noch Esel und ein Alpaka

Heute lebt Moslé von einer bescheidenen Rente und den Erträgen verschiedener unternehmerischer Aktivitäten. Neben Brezel und ihrem Hundebruder Bruno halten er und seine Frau auf dem Hof zwei Esel und ein Alpaka sowie mehrere Hasen. Darüber hinaus ist Moslé an einem Hochseilgarten in Berlin beteiligt und investiert in zwei Start-ups der Region.
Auf den Hund Brezel war Moslé gekommen, weil ein Enkel in der MOZ gelesen hatte, dass in Klandorf Teckel abzugeben seien. „Wir sind hingefahren und waren sofort begeistert“, sagt Moslé. Dabei habe er noch nie Dackel gehabt und habe gar nicht gewusst, was für tolle und kluge Tiere diese seien. Wenn er von Brezel erzählt, gerät Moslé ins Schwärmen. Sie sei sogar so mutig, im Wald einen Wildschweinkessel – die Mulde, in der eine Bache ihre Frischlinge aufzieht – anzubellen.

Nach einem halben Jahr gehört die Sache dem Finder

Um Brezel wiederzufinden, würde Moslé am liebsten sogar die strengen Regeln zur Nutzung gespeicherter Vorratsdaten aufweichen. Es könne doch nicht sein, dass der Datenschutz dazu führe, dass Straftäter geschützt würden, regt er sich auf. Der Finder hatte nämlich im Tierheim mit unterdrückter Nummer angerufen – Moslé würde sich die Nummer am liebsten herausgeben lassen. Dazu hat er sogar bereits mit zwei Mitarbeiterinnen der brandenburgischen Datenschutzbeauftragten telefoniert und wartet noch auf eine Antwort.
Das Dackelmädchen Brezel mit ihrem großen Stiefbruder, dem Deutschen Kurzhaar Bruno.
Das Dackelmädchen Brezel mit ihrem großen Stiefbruder, dem Deutschen Kurzhaar Bruno.
© Foto: Kai-Alexander Moslé
Moslé kann sich gut vorstellen, dass der Finder den Dackel einfach nicht mehr weggeben will. „Sie ist so ein liebes Tier“, erzählt er. Wenn man sie im Wald antreffe, lege sie sich auf den Rücken und lasse sich kraulen. Vielleicht habe der Finder ein Kind dabeigehabt, das den Dackel süß fand, mutmaßt er. Und der Mann habe sich nur beim Tierheim gemeldet, um sich nachher exkulpieren zu können. Ein Finder muss nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch seinen Fund bei den Behörden angeben – die Fundsache geht aber in seinen Besitz über, wenn sich binnen eines halben Jahres der Eigentümer nicht ermitteln lässt. Moslés Recherchen zufolge hatte man den Finder in Joachimsthal gefragt, ob er den Teckel nicht im Tierheim abgeben wolle – der Mann habe daraufhin gesagt, dass er ihn bei sich behalten wolle.

Sogar der Amtstierarzt beteiligt sich an der Suche

Mittlerweile hat sich Moslé sogar an den Amtstierarzt des Landkreises Barnim gewendet – mit der Bitte, eine Anfrage an alle Barnimer Tierärzte zu stellen, wer diesen Code zwischen dem 30. Juli und dem 4. August ausgelesen habe. Dem sei das Veterinäramt nachgekommen, bestätigt Sprecher Robert Bachmann. Im Telefonbuch von Zepernick wurde Moslé anhand des nicht gerade ungewöhnlichen Namens des Finders nicht fündig, will jetzt in dem Ort Plakate aufhängen. Auch in Groß Schönebeck hat Moslé Poster mit dem Abbild von Brezel angebracht. Sein Sohn hat zudem eine Suchmeldung bei Facebook gepostet.
Das Dackelmädchen Brezel blickt treuherzig in die Kamera. Ihr Halter Kai-Alexander Moslé hofft inständig, dass sich der Finder doch noch meldet.
Das Dackelmädchen Brezel blickt treuherzig in die Kamera. Ihr Halter Kai-Alexander Moslé hofft inständig, dass sich der Finder doch noch meldet.
© Foto: Kai-Alexander Moslé
Moslé und seine Familie sind dabei froh, dass Brezel überhaupt noch lebt. Nach Brezels Verschwinden hatten sie den ganzen Wald abgesucht, vergeblich. Danach hatten sie die Hoffnung schon fast aufgegeben. „Wir dachten, ein Wolf oder Dachs habe sie getötet“, sagt Moslé.
Doch vielleicht ist das alles nur ein riesengroßes Missverständnis, vielleicht sucht der Finder selbst händeringend nach dem Eigentümer? Moslé hält das mittlerweile nicht mehr für wahrscheinlich. Manchmal bekomme er schon Hassgefühle, sagt Moslé. In der Nacht zum Samstag habe es lange gedauert, bis er eingeschlafen sei. „Hoffentlich ist er gut zu ihr“, so Moslés Stoßseufzer. „Ich würde mich riesig freuen, wenn er sich meldet.“
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