Im Jahr 1832 war noch vielen anders als heute. Deutschland gab es in dem Sinne noch nicht, es gab lediglich 35 Fürstentümer, die sich zum Deutschen Bund zusammengeschlossen hatten. Der Bürgermeister hieß noch Schultheiß und Wilhelm Busch wird geboren. Im kleinen Eberswalde ging aber eine ganz andere Revolution vor sich – eine kulinarische.
Was für Wien die Sachertorte, für New York der Hot Dog und für Berlin die Currywurst, ist für Eberswalde der Spritzkuchen. Das Gebäck erfreut sich nun schon seit 191 Jahren internationaler Beliebtheit. Eigentlich ist das Gebäck aber noch älter. Ein als „Spritzkuchen“ bezeichnetes Gebäck wird er bereits 1713 in dem in Nürnberg erschienenen Werk „Der wolbestehende Becker“ von Alexius Sincerus erwähnt.

Dank Eisenbahn zum Erfolg

Der Erfolgszug der Eberswalder Variante des Backwerks vollzog sich erst fast 120 Jahre später, aber sie setzte sich durch. Als Erfinder des modernen Spritzkuchens gilt Gustav Louis Zietemann. Der Berliner Konditor erwirkte am 23. Februar 1832 die Genehmigung, sich als Konditor in Eberswalde niederzulassen. Am 1. April 1832 eröffnete er seine Konditorei und soll dort erstmals Eberswalder Spritzkuchen angeboten haben.
Jahrelang waren die Eberswalder Spritzkuchen eine lokale Beliebtheit. Ab 1842 lieferte er seine Spritzkuchen an den Bahnhof, wo die neue Bahnlinie Berlin–Stettin verkehrte. Die leckeren, handlichen Kuchen waren ideal für Reisen, da sie handlich verpackt werden konnten. So breitete sich ihre Bekanntheit aus und sie wurden ein Werbeträger für die Stadt. Viele Reisende verbanden seitdem den Namen von Eberswalde mit den Spritzkuchen. Was heute das Internet ist, war damals die Eisenbahn. Die Verbreitung des Gebäcks nahm ihren unaufhaltsamen Lauf.

Kein Patent angemeldet

Zietemann war als Bäcker in der Stadt wohlbekannt und angesehen, doch er hätte ein sehr reicher Mann werden können, wenn er sich das Gebäck hätte patentieren lassen. Auf diese Idee kam der damals 25-Jährige aber nicht. Er erfand auch nicht den Brandteig, sondern entdeckte, dass der Teig sich besser entfaltet, wenn man ihn nicht im Ofen bäckt, sondern zunächst auf ein Papier spritzt und dann im Fett ausbackt. So lockert sich der Teig, er wird fluffiger.
Zietemanns Bäckerei war bis zum Zweiten Weltkrieg ein Traditionsbetrieb in Eberswalde. In den letzten Kriegstagen 1945 wurde das Geschäft in der Mühlenstraße komplett zerstört, die Familie gab das Unternehmen auf. Der Spritzkuchen nach Eberswalder Art jedoch überlebte. Ob Berlin, München, Paris, London oder Chicago – in den meisten Ländern der Welt liegt er regelmäßig in der Warenauslage.

Entwicklung: Günstig und schnell

In den letzten Jahren hat er allerdings an Qualität eingebüßt. Das liegt an den veränderten, weil günstigeren, Herstellungen der Bäckerei-Ketten. Die wenigsten Bäckereien und Konditoreien machen sich heute noch die Mühe, den Brandteig von Hand herzustellen, sondern verwenden ein Instantfertigpulver. Das Handwerk verschwindet, schnell und billig soll die Herstellung sein.
Kaffeehaus Gustav in Eberswalde: Der Name erinnert an Gustav Zietemann, den Erfinder des Eberswalder Spritzkuchens.
Kaffeehaus Gustav in Eberswalde: Der Name erinnert an Gustav Zietemann, den Erfinder des Eberswalder Spritzkuchens.
© Foto: Markus Pettelkau
Der Name Gustav Zietemanns ist seither aber auf ewig mit Eberswalde verbunden. Die Statue „Eberswalder Spritzkuchenjunge“ von Eckehard Herrmann gedenkt des Werkes Zietemanns ebenso wie das Kaffeehaus Gustav am Markt, das nach dem Konditor benannt wurde. Hier werden die Spritzkuchen auch noch nach alter Art von Hand gemacht.