An der schmalen Straße mit den vielen Kurven, die direkt durch Ratzdorf führt, stehen auf beiden Seiten Einfamilienhäuser. Am Ende kommt eine kleine Wendeschleife. Eine idyllische Siedlung, die hinter einem Deich an der Oder liegt. Auf der linken Seite steht ein historisches Gebäude: die Kajüte. Einige junge Menschen sind im Haus und dem dahinterliegenden Garten bereits emsig beim Aufbauen. In Kürze startet dort die zweite Auflage des „Weiter Drauszen“-Festivals. Was wird die Besucher und Besucherinnen dort erwarten?
Der Name scheint zunächst Programm, denn bei Ratzdorf handelt es sich nicht gerade um den Nabel der Welt. „Wir haben uns ganz bewusst für diese Location entschieden. Ziel ist es, die Leute vor Ort mit einzubeziehen. Einen Raum zu schaffen für alle Menschen, die hier leben“, betont Cynthia Matthies, die ursprünglich aus dem nahe gelegenen Reicherskreuz stammt. „Und eigentlich sind ein Festival und Abgelegenheit eine gute Kombination, weil es weniger Menschen belastet.“
Zwei junge Menschen organisieren das Festival fast alleine
Zusammen mit dem gebürtigen Eisenhüttenstädter Hannes Schroth organisieren sie quasi im Alleingang, nach dem DIY-Prinzip („Do it yourself“ – „Mach es selbst“), das gesamte Festival. Sponsoren gäbe es keine und auch die Verantwortung lastet allein auf den jungen Schultern. „Wir haben am Wochenende aber Unterstützung von etwa 60 Personen, die beim Auf- und Abbau, den Theken-Diensten und vielen anderen Aufgaben aushelfen. Bezahlen können wir sie aber nicht. Lediglich den Eintritt bekommen sie umsonst“, erzählt Cynthia. Und natürlich habe es auch zuvor partielle Unterstützung gegeben, unter anderem von der Eigentümer-Gruppe der Kajüte. Dorothee Schmidt-Breitung, von der beide in höchsten Tönen schwärmen und ihre Mitstreiter haben dort gerade einen Kulturmonat organisiert.
Gemeinsam teilen Hannes und Cynthia die Liebe zu elektronischer Musik, auch wenn sie sich erst durch die gemeinsame Festivalorganisation kennenlernten. Mittlerweile wohnen, studieren und arbeiten sie in Weimar und Potsdam, kommen aber regelmäßig in ihre Heimat zurück. Beide sind zudem selbst als DJ bzw. DJane tätig, wobei Cynthia das Auflegen quasi in die Wiege gelegt wurde. Ihr Vater ist ebenfalls Techno-DJ und wird, wie auch ihre Schwester, am Wochenende als Act auftreten. Ob die beiden Organisatoren sich selbst hinters DJ-Pult stellen werden, ist noch nicht sicher.
Daher seien sich beide schnell einig gewesen, welche Musik auf dem Event gespielt werden soll: vorwiegend elektronische Tanzmusik. Auch bei den Zielen herrscht weitgehend Einigkeit. Es sei wichtig, hier einen Freiraum zu schaffen, vor allem für alternative Kultur. „Es geht dabei um mehr als nur schnellen Techno“, betont Hannes, „es geht bestenfalls darum, Vorurteile im regionalen Raum abzubauen.“ Dafür sei die Einbeziehung der Ortsansässigen besonders wichtig. So könnten sich diese mit Städtern vermischen und gegenseitig voneinander profitieren. „Außerdem trifft man dann nicht immer dieselben Nasen“, scherzt Hannes, der bereits als Kind oft in der Kajüte gewesen ist.
Es soll mehr sein als nur ein typisches Techno-Festival
Bei dem „Weiter Drauszen“-Festival versuchen sich die beiden Musiker bewusst von kommerziellen Festivals zu unterscheiden. „Am Ende sind wir schon ein Techno-Festival, auch wenn wir versuchen, nicht nur das zu sein“, erklärt Hannes. Und Cynthia ergänzt: „Um mehr Leute anzusprechen, setzen wir wenigstens ein bisschen auf musikalische Vielfalt. Das ist uns auch wichtig.“
Nicht nur wichtig, sondern unumgänglich ist beiden ihr Awareness-Konzept. „Sexualisierte, rassistische, queerfeindliche oder anderweitig menschenverachtende Handlungen und Übergriffe werden auf dem Festival nicht geduldet“, wird auf ihrer Instagram-Seite klargestellt. Bei derartigen Vorfällen können sich Betroffene an das Awareness-Team werden. „Es ist wichtig, dass es neben Security und Ordnern noch eine Instanz gibt, die feinfühlig und persönlich für die Menschen da ist“, erklärt Hannes. „Ich habe selbst schon negative Erfahrungen gemacht, bei denen mir der Veranstalter nicht geglaubt hatte“, ergänzt Cynthia. Daher sei es wichtig, einen solchen Schutzraum zu schaffen, in dem eine Form der Sicherheit herrscht und sich alle wohlfühlen. Das werte eine Party enorm auf.
Um sich selbst und vor allem die direkt angrenzenden Anwohner zu schonen, werde es eine „Feuerpause“ in der Freitagnacht von 4 Uhr bis 10 Uhr morgens geben. In dieser Zeit werden die Bühnen nicht bespielt. Sonnabend dann nur bis 22 Uhr. Parallel werden im Saal der Kajüte an allen drei Tagen Workshops und Lesungen stattfinden. Was genau, das wollten beide noch nicht verraten.
Sollte es entgegen aller Hoffnungen dennoch schlechtes Wetter geben, seien sie gewappnet. Im Saal werden Matratzen ausgelegt und mehrere große Zelte bieten Möglichkeiten zum Unterstellen. Allerdings hätten die Gäste vergangenes Jahr auch während des Regens einfach weitergetanzt. Wetterfeste Kleidung mitzubringen, wird dennoch von beiden wärmstens empfohlen.
Der Ticketpreis klingt hoch, ist aber vollkommen gerechtfertigt
Das alles auf die Beine zu stellen, hat natürlich auch seinen Preis. „Viele verstehen nicht, was das kostet. Sie vergleichen die Preise mit anderen Festivals, was aber so nicht aufgeht. Würden wir alle Helfer, Helferinnen und Acts bezahlen, wären wir schnell bei einem realistischen Ticketpreis im dreistelligen Bereich“, erklärt Cynthia. Zwar seien die Preise im Vergleich zum vergangenen Jahr angehoben worden, aber aufgrund der größeren Acts und viel mehr Aufwand sei das auch nötig. „Anders als bei Clubs wird hier nur für drei Tage alles auf- und wieder abgebaut. Dafür ist der Ticketpreis mehr als fair. Er ist als Punktlandung kalkuliert, Gewinn macht damit von uns keiner“, betont Hannes.
Es gehe letztendlich beiden nicht darum, Profit zu erwirtschaften: „Was immer die Gäste hier erfahren wollen, sollen sie hier erfahren können. Techno-Festivals können sehr heilsam für eine Gesellschaft sein“, sagt Hannes. „Wir wollen hier eine eigene Welt schaffen, mit eigenen Visionen“, schwärmt seine Organisationskollegin Cynthia.
Details zum Weiter Drauszen-Festival
● Insgesamt werden 30 Künstler am Wochenende auftreten, darunter Reka Zalan (Resident des about:blank in Berlin) und Subkutan vom Leipziger Institut für Zukunft
● Es wird zwei Bühnen mit unterschiedlicher Musikrichtung geben. Eine Hauptbühne im Garten mit elektronischer Tanzmusik und eine zweite Bühne auf den Oder-Wiesen, wo ruhigerer Ambient, Künstler mit Akustikgitarre und alternative Musik gespielt wird.
● Das Rahmenprogramm mit Lesungen und Workshops, deren Inhalt noch nicht verraten werden soll, findet parallel im Saal der Kajüte statt.
● Zu Essen gibt es vegetarische Burger, Wildgulasch, Gubener Plinse, Brat- und Bockwurst vom Grill, „richtig gute Suppen“, Pommes, aber auch Frühstück und Hefezöpfe.
● Neben Standard-Getränken gibt es, der Jahreszeit angepasst, Kaffe, Tee sowie warme alkoholische Getränke an der zweiten Bühne (was genau, soll ebenfalls eine Überraschung werden).
● Anreise ist mit dem Auto (Parkplätze gibt es vor Ort) oder per Zug möglich. Ab dem Bahnhof Wellmitz ist ein Shuttle zum Festival-Gelände eingerichtet.
● Auf erstmals zwei Camping-Plätzen kann übernachtet werden.
● Tickets können für 60€ (das gesamte Wochenende), oder jeweils einen Tag für 30€ online, oder an der Abendkasse gekauft werden.
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