Wovon vor wenigen Tagen offiziell noch niemand etwas gewusst haben will, ist nun Realität geworden: Bei dem von Landrat Gernot Schmidt (SPD) anberaumten „Vorstands“-Treffen des Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) am Montag (14. August) wurde der Abwahlantrag gegen Verbandschef André Bähler auf den Weg gebracht. Der Vorstoß dazu soll unter anderem von Schöneiches Bürgermeister Ralf Steinbrück (SPD) gekommen sein. Dies zumindest wird auf Nachfrage bei ihm und dem Landrat deutlich.
„Ja, es ist richtig, dass es einen Abwahlantrag gegen André Bähler gibt. Es ist auch richtig, dass ich bei einigen Kollegen Unterschriften dafür eingeholt habe“, gab Steinbrück auf Nachfrage an. Für den Antrag auf Abwahl sei nach Paragraf 21 Absatz 4 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg die Mehrheit der „satzungsmäßigen Stimmenzahl“ der Verbandsversammlung erforderlich. „Diese Stimmen sind zusammengekommen. Ich habe den Antrag heute dem Vorsitzenden der Verbandsversammlung, Henryk Pilz, übergeben“, sagte Steinbrück.
Sieben Bürgermeister unterschreiben
Nach MOZ-Informationen sollen sieben Bürgermeister und Bürgermeisterinnen unterschrieben haben:
Altlandsberg (10 Stimmen)
Strausberg (28)
Neuenhagen (20)
Schöneiche (14)
Fredersdorf-Vogelsdorf (15)
Grünheide (7)
Amt Spreenhagen für Gemeinde Gosen-Neu Zittau (4)
Geht es nach den Gemeindestimmen verfügen die Unterzeichner über 98 der insgesamt 181 Stimmen innerhalb der Verbandsversammlung. Bei der Abwahl hat jede Gemeinde jedoch nur eine Stimme.
Landrat will sich „nicht mit hineinziehen lassen“
Einberufen hatte das Treffen des WSE-Vorstandes, zu dem Vorstandsmitglied André Bähler selbst nicht eingeladen war, Landrat Gernot Schmidt (SPD). Das geht aus dem Einladungsschreiben der Bürgermeisterin von Strausberg, Elke Stadeler (parteilos), hervor. Schmidt selbst will nichts davon gewusst haben, dass auf seinem Treffen Herr Steinbrück einen Abwahlantrag übergibt. Dies habe er in seiner Abwesenheit getan, er sei später gekommen. „Mit dem Antrag habe ich als Landrat nichts zu tun. Ich weiß nicht einmal, wer unterschrieben hat. Herr Steinbrück hat ihn mir nicht gezeigt“, sagte Schmidt auf Nachfrage dazu. Er habe auch nicht danach gefragt. Ein Landrat könne sich darin „nicht mit hineinziehen lassen“.
Er habe ursprünglich dieses Treffen anberaumt, um Kompromisse finden zu wollen. „Ich habe einen riesigen Berg von Briefen gekriegt von Leuten, weil ihre B-Pläne und Baumaßnahmen im Verbandsgebiet nicht umgesetzt werden können, weil sie kein Wasser kriegen“, sagte Schmidt. Manche stünden vor dem finanziellen, wirtschaftlichen und privaten Ruin. Das müsse gelöst werden.
Zerwürfnisse mit Kreis, Land und Kommunen
Steinbrück habe den Abwahl-Antrag gegen WSE-Chef André Bähler unterschrieben, weil der WSE seiner Ansicht nach vor großen Herausforderungen bei der Wasser- als auch Abwasserentsorgung stehe. „Um diese Herausforderungen zu stemmen, bedarf es einer Kooperation und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden auf Kreis- und Landesebene sowie mit den Mitgliedskommunen des WSE. Ich habe das Vertrauen verloren, dass dies mit André Bähler als Verbandsvorsteher gelingt“, schrieb er. Die „Konflikte und Konfrontationen der Vergangenheit“ würden die Sache überlagern. „Es gibt umfangreiche Presseberichterstattung zu den Auseinandersetzungen zwischen dem WSE (in Person von André Bähler) einerseits und dem Umweltministerium, dem Landesumweltamt und Kreisverwaltungen andererseits.“ Es ginge unter anderem um die Genehmigung von Grundwasserfördermengen, das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren der Tesla-Gigafactory, wasserrechtliche Erlaubnisse, mögliche Verstöße gegen Auflagen und die Zurverfügungstellung von Informationen. „Dabei wird leider oft deutlich, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zur Lösung der Probleme und zur Bewältigung der Herausforderungen zwischen den Beteiligten kaum möglich ist, da persönliche Verletzungen (Vorwurf von Lügen etc.) und der Streit um kleinteilige Formalien dem im Wege stehen“, schreibt Steinbrück.
Abwahlantrag als „Kriegserklärung gegen das Solidarsystem“?
Jemand, der Steinbrück widerspricht, ist Erkners Bürgermeister Henryk Pilz (parteilos). Er bestätigt, dass er den Abwahlantrag am Montag entgegengenommen habe. Der Abwahlantrag sei durch die einfache Mehrheit der Verbandsversammlung getragen und somit müsse er als Vorsitzender der Versammlung diesen auch auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung am 27. September setzen. „Ich empfinde den Antrag als extrem kritisch, bin total schockiert und kann keinerlei Lösung für die Themen an sich erkennen. Er ist eine Kriegserklärung gegen das Solidarsystem im Verband“, sagte er MOZ.de. In diesem habe jeder Bürger und jede Kommune das gleiche Recht am Wasser. „Ich weiß nicht, was da einige geritten hat, aber das kommt aus dem politischen Raum und betrifft persönliche Befindlichkeiten.“
Der Wasserverband Strausberg-Erkner sei seiner Meinung nach einer der stabilsten, wirtschaftlich erfolgreichsten Wasserverbände in ganz Brandenburg. „Wir stehen als Verband so gut da, weil der fachlich sehr, sehr gut geführt wird. Dieser Antrag wird gravierende Auswirkungen haben. Es ist mir unerklärlich, was hier gerade passiert“, sagte Pilz.
André Bähler selbst war zunächst nicht für ein Statement zu erreichen. Laut einer Sprecherin des WSE werde der Abwahlantrag geprüft. Bähler ist 2020 zum Verbandsvorsteher des WSE gewählt worden. Der Verband versorgt 170.000 Menschen der Region mit Trinkwasser und ist zudem für die Abwasser-Entsorgung zuständig.