„Augen zu und durch“, sagt Anita Richter, geht nochmal zum Tisch – „Brille ab“ – und atmet lang aus. Dann geht es in den 2 Grad kalten Güldendorfer See. Auch die Außentemperatur ist in Frankfurt (Oder) an diesem Freitag (3.3.) nicht einladender, der Himmel ist trüb, die Luft feucht. Bei 10 bis 15 Grad Lufttemperatur sei das Baden im See nicht schlimm, findet sie. Selbst bei 0 Grad und Sonnenschein könne man das Winterschwimmen zelebrieren. „Heute ist es aber grenzwertig.“
Kurz zuvor ist ihr Mann Jürgen Richter bereits ohne zu zucken in den Dorfsee gestiegen – so als wäre es Sommer. Doch egal, wie viel man übt, ein Restrisiko bleibt, weshalb die rot strahlende Boje ebenfalls immer mit dabei ist. Was die beiden machen, ist nämlich zu unterscheiden von Winterbaden: Dabei geht man ins Wasser und kurz darauf wieder hinaus. Das können sie allen für den Anfang auch empfehlen. Beim Winterschwimmen ist es allerdings so, dass man auf Zeit seine Bahnen zieht – und dafür muss man trainieren.
3. Platz für Anita Richter, 7. und 8. Platz für Jürgen Richter
Das macht Jürgen Richter seit rund fünf Jahren – Winterbaden betreiben beide schon seit 20 Jahren. Er sagt, man müsse erstmal den ersten Schockpunkt überwinden. Beim Wettkampf sei einem dann „nicht eine Sekunde kalt“. Beim Winterschwimmen begleitete ihn seine Frau meistens außerhalb des in der Regel 3 oder 4 Grad kalten Wassers – auch zur WM vor drei Jahren im slowenischen Bled (Winter Swimming World Championships).
Zu ihr habe er dann 2020 gesagt: „Wenn jemand in der Familie Medaillen gewinnt, dann bist du das mit deinem sportlichen Talent“ – er sollte recht haben. Auch von anderen Teilnehmenden ließ sich Anita Richter anstacheln und nahm sich vor, bei der 13. WM mitzuschwimmen. Nachdem die WM in Russland im vergangenen Jahr jedoch abgesagt wurde, war es nun am 27. Januar in Bled soweit: Jürgen Richter erreichte in seiner Altersklasse den 8. Platz bei 100 Metern Brustschwimmen und den 7. bei 50 Metern, Anita Richter schaffte es auf 25 Metern mit einem 3. Platz in ihrer Altersklasse sogar aufs Podest.
Tipps fürs Eisbaden oder Winterschwimmen – auch für Frostbeulen
Dass auch Anita Richter jetzt mitmacht, ist gar nicht so logisch. Denn sie ist eigentlich eine echte Frostbeule, friert schnell an Händen und Füßen, schwimmt gar nicht so gerne und hatte Übelkeit, als sie das erste Mal mit den Füßen im eiskalten Wasser stand. Aber man kann sich helfen: Vor dem Schwimmen sind sie und ihr Mann immer besonders dick eingepackt, halten sich vorher warm. Badeschuhe helfen nicht nur beim matschigen, steinigen, unbekannten Untergrund – das ist auch der Grund, warum Anita Richter heute zum ersten Mal im Güldendorfer und normalerweise im Müllroser See schwimmt – sondern auch gegen die Kälte. Selbst Socken, weiß die 64-Jährige, helfen. Beides darf man im Wettkampf aber nicht tragen.
Sich vorsichtig mit den Armen nassspritzen, sei hingegen kein guter Tipp, sagt ihr Mann. Einfach ins Wasser laufen, statt lange zögern. Eine Badekappe oder Mütze können auch helfen. Die Kleidung für danach sollte bereitliegen und nicht zu eng sein. „Ein Problem sind jetzt die Socken“, sagt Anita Richter beim Anziehen. Das müsse fokussiert passieren, danach machen die beiden immer ein paar Sportübungen, der heiße Tee steht schon bereit. Dann kann es schon mal eine halbe oder dreiviertel Stunde dauern, bis man wieder so richtig warm ist.
Warum tut man sich diese Kälte an?
Man könnte nun fragen: Warum tut man sich das an? Anita Richter sagt: „Seit heute Nachmittag habe ich keine kalten Hände und Füße mehr.“ Man bekomme außerdem eine angenehme innere Wärme, beschreibt sie. Man sei gut drauf, habe ein schönes Gefühl, weil man es geschafft und der Kälte getrotzt hat. „Und es ist wirklich immer so“, ist ihre Erfahrung. Andere Winterbader und -schwimmer sagen, es sei immer wieder eine Überwindung. Das können die beiden bestätigen. Bei der WM sei das Schöne, dass man sich nicht draußen umziehen muss, sondern in die warme Umkleide kann – oder direkt in die Sauna.
Zwar waren Anita und Jürgen Richter auch schon ihr Leben lang sportlich, trainieren regelmäßig, Jürgen Richter prüft vor dem Winterschwimmen seinen Blutdruck – denn der steigt dabei, die Herzfrequenz sinkt – ist manchmal 200-mal im Jahr im See und hält auch nur so die vier Minuten im unter 5 Grad kalten Wasser aus. Aber zumindest zum Ausprobieren des Winterbadens möchten die beiden Güldendorfer andere gerne motivieren. Ein letzter Tipp dafür: Vom Sommer, über den Herbst, bis in den Winter hinein kontinuierlich üben.