Seit Montag (14.11.) hängen in Bussen und Bahnen der Stadtverkehrsgesellschaft Frankfurt (Oder) Plakate, die auf die Möglichkeit der Medizinischen Soforthilfe und vertraulichen Spurensicherung für Opfer einer Vergewaltigung hinweisen. Der Verein Opferhilfe hat die vom Land Brandenburg geförderte Kampagne gestartet, die bis zum 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, fortgeführt wird.
Ziel der Aktion ist es, das Hilfsangebot für Vergewaltigungsopfer bekannter zu machen, das es auch im Klinikum Frankfurt (Oder) gibt. Seit 2015 ist die Frankfurter Frauenklinik eine der aktuell fünf Kliniken im Land, die Opfern einer Vergewaltigung medizinische Soforthilfe zuteilwerden lassen und vertraulich Spuren sichern. – Und zwar unabhängig davon, ob das Opfer Anzeige erstattet hat oder nicht.

Im vorigen Jahr haben zehn Frauen das Angebot in Frankfurt (Oder) genutzt

Allein im vorigen Jahr haben zehn Frauen das Angebot in Frankfurt (Oder) genutzt. Das erfuhr Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) von Dr. Christiane Richter-Ehrenstein, der Chefärztin der Frauenklinik des Klinikums Frankfurt (Oder). Die Gynäkologin war eine Initatorin für das vom Land finanzierte Modellprojekt zur Opferhilfe.
Sie präsentierte der Ministerin ein mit Kriminalisten des Landeskriminalamtes und Experten des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin entwickeltes Erstversorgungs-Kit, in dem sich alle für die Versorgung eines Vergewaltigungsopfers und für die Dokumentation von Verletzungen nötigen Utensilien befinden.

Vom Abstrichtupfer bis zur SD-Karte für die Kamera zur Dokumentation von Hämatomen

Die Palette reicht von Abstrichtupfern mit einer Kochsalzlösung über eine Nagelschere, falls das Opfer, wenn es sich gewehrt hat, Hautreste vom Täter unter den Nägeln hat, eine Tüte für die Unterwäsche bis zur SD-Karte für die Kamera zur Dokumentation von Hämatomen und anderen Verletzungen.
Nützliches Instrumentarium: Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (m.) lässt sich von Rechtsmediziner Prof. Knut Albrecht und Dr. Christiane Richter-Ehrenstein, Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe im Klinikum Frankfurt (Oder), den Inhalt eines Erstversorgungs-Kit für Vergewaltigungsopfer zeigen.
Nützliches Instrumentarium: Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (m.) lässt sich von Rechtsmediziner Prof. Knut Albrecht und Dr. Christiane Richter-Ehrenstein, Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe im Klinikum Frankfurt (Oder), den Inhalt eines Erstversorgungs-Kit für Vergewaltigungsopfer zeigen.
© Foto: Winfried Mausolf
„Die haben wirklich an alles gedacht“, sagte Dr. Christiane Richter-Ehrenstein dankbar. Die Ärzte und Pfleger müssten „nicht rumrennen und alles Nötige zusammensuchen“, erklärte sie. Und verwies auf die „extreme Stresssituation“, in der die Vergewaltigungsopfer sich im Klinikum meldeten.

Telefonzentrale und Notaufnahme sind die ersten Anlaufstellen

Um richtig und angemessen reagieren zu können, seien alle potenziell beteiligten Klinikumsmitarbeitenden geschult worden, betonte die Chefärztin. – Angefangen bei den Frauen und Männern in der Telefonzentrale und in der Zentralen Notaufnahme. Denn dort landen die Opfer in der Regel zuerst.
„Wenn die Kollegen das Wort Gewalt oder Vergewaltigung hören, geht bei ihnen ein rotes Licht an“, so Dr. Richter-Ehrenstein. Die Betroffenen würden dann sofort auf die gynäkologische Station gebracht, wo die Untersuchung und Beweissicherung stattfindet. Und zwar stets in Abstimmung mit dem zumeist traumatisierten Opfer, betonte die Chefärztin.
Sie weiß: Vor allem Frauen, bei denen sich die Vergewaltigung im Familien- oder Freundeskreis ereignet hat, möchten nicht (sofort) Anzeige erstatten, aber die Beweise dennoch anonym sichern lassen.

Ohne Anzeige müssten die Opfer die Untersuchung selbst bezahlen

Krankenkassen seien zwar berechtigt, Auskünfte über einen Vergewaltiger zu fordern. „Aber inzwischen setzen sie sich nicht mehr gegen den Willen des Opfers durch, wenn dieses den Namen nicht nennen will“, weiß die Gynäkologin.
Das verschlossene Päckchen (Kit) mit den gesicherten Spuren geht ohne den Klarnamen des Opfers ans Landesinstitut für Rechtsmedizin, wo die Beweise über mehrere Jahre aufbewahrt werden, wie Instituts-Direktor Prof. Knut Albrecht erklärte.
Auf die Frage, warum es für die Erstversorgung und Beweissicherung nach einer Vergewaltigung ein Modellprojekt brauche, erklärte Dr. Christiane Richter-Ehrenstein: Opfer, die keine Anzeige erstatten, müssten diese Leistungen, inklusive HIV-Test und der eventuell nötigen „Pille danach“ sonst selbst bezahlen. Sie sind keine Kassenleistung.
Zu den Leistungen im Rahmen der Soforthilfe für die Opfer gehöre auch eine mögliche stationäre, zum Beispiel auch psychologische Weiterbehandlung sowie die Klärung eines sicheren Aufenthaltsortes nach der Entlassung. Diesbezüglich gebe es eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Opferhilfe-Verein, so die Chefärztin.

Immer mehr minderjährige Opfer

Während Ursula Nonnemacher mit zusätzlichen Landesmitteln zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen weitere Krankenhäuser im Land für die Teilnahme am Projekt gewinnen will, sah Dr. Christiane Richter-Ehrenstein noch eine andere „Baustelle“: Das jetzige Programm gilt nur für erwachsene Vergewaltigungsopfer. Doch in ihrer Klinik würden immer mehr minderjährige Opfer ankommen, so die Chefärztin.
Kontakt: Klinikum Frankfurt (Oder), Tel. 0335 5482710 und 5481301.

Erleben auch Sie Gewalt?

Beim Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" können Sie sich unter der Rufnummer 08000 116 016 an 365 Tagen zu jeder Uhrzeit anonym und kostenlos beraten lassen. Opfer von Vergewaltigungen erhalten Unterstützung bei der Opferhilfe vom Land Brandenburg.