Zu einem Fachgespräch zur Kampfmittelsuche und -beseitigung im Innenausschuss des Brandenburger Landtags trafen sich am Mittwoch (26. April) in Potsdam Experten aus Verwaltung und vom Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) mit Landespolitikern.
Zu Wort kam auch der renommierte Kampfmittel- und Sprengstoffexperte Wolfgang Spyra, der eine neue Idee präsentierte.
Der emeritierte Professor regte an, dass Brandenburgs Hochschule der Polizei (HPol) in Oranienburg eine Professur für Kampfmittelbeseitigung bekommen solle. Die Fachleute waren sich zudem einig, dass das sogenannte Spyra-Gutachten aus dem Jahr 2008 fortgeschrieben werden muss, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Erfahrungen aus der Tätigkeit vor Ort zu berücksichtigen und die Maßnahmen zur Beseitigung der Bombenlast darauf abstimmen zu können.
Der Innenausschuss des Landtages informierte sich Anfang März an der alten Schleuse Friedenthal in Oranienburg über Bombenblindgänger.
Der Innenausschuss des Landtages informierte sich Anfang März an der alten Schleuse Friedenthal in Oranienburg über Bombenblindgänger.
© Foto: Marco Winkler
Das teilte Oranienburgs Landtagsabgeordnete Heiner Klemp (Bündnisgrüne) im Anschluss mit. Er begrüßte den Vorschlag von Spyra. „Wo, wenn nicht in Oranienburg? Eine solche Professur würde nicht nur die Lehre an unserer Hochschule erheblich aufwerten und ihre Reputation stärken, sondern könnte auch die Kampfmittelsuche in der Stadt entscheidend voranbringen. Professor Spyra selbst hat im Ausschuss Beispiele für eine Modernisierung benannt. So sei vorstellbar, künstliche Intelligenz bei der Priorisierung der systematischen Suche nach Blindgängern einzusetzen“, heißt es in einer Mitteilung.

Vorschlag zum Lehrstuhl wird unterschiedlich bewertet

Auch die Aktualisierung des Spyra-Gutachtens, das Grundlage für die Bombensuche in Oranienburg ist, sei eine gute Idee, die sich mit dem Lehrstuhl verknüpfen lassen könnte, so Klemp. Von seinen Oranienburger Landtagskollegen Björn Lüttmann (SPD) und Nicole Walter-Mundt (CDU) kommt Unterstützung: „Durchaus sinnvoll finde ich die Anregung von Professor Spyra, sein Gutachten aus dem Jahr 2008 noch einmal an die neuesten Erkenntnisse anzupassen und einem Realitätscheck zu unterziehen“, teilte Nicole Walter-Mundt im Nachgang der Sitzung mit. Beim Lehrstuhl-Vorschlag blieb sie zurückhaltender. „Ob eine engere wissenschaftliche Kooperation zwischen der BTU-Cottbus und der Hochschule der Polizei in Fragen der Kampfmittelbeseitigung in Oranienburg künftig sinnvoll ist, vermag ich hingegen noch nicht zu beurteilen. Richtig ist, wir brauchen vor Ort vor allem Praktiker, die die Bomben technisch aufspüren, freilegen und unschädlich machen“, sagte die Oranienburgerin. Dazu Lüttmann: „Eine Bündelung von Kompetenzen und wissenschaftlichen Forschungsergebnissen zum Beispiel bei der Hochschule der Polizei oder der BTU Cottbus sollte geprüft werden.“
224 Bomben sind seit der Wende in Oranienburg entschärft worden – die bislang letzte am 22. März.
224 Bomben sind seit der Wende in Oranienburg entschärft worden – die bislang letzte am 22. März.
© Foto: Christian Guttmann
Klemp will sich dafür einsetzen, dass die Landesregierung, zu der auch seine Partei gehört, die Professur auf den Weg bringt und die Überarbeitung des Gutachtens in Auftrag gibt. So weit wollte sich Walter-Mundt noch nicht vorwagen. „Welche weiteren Verbesserungen nun landesseitig sinnvoll sind, werden wir im Anschluss des Fachgespräches nun kritisch bewerten müssen. Klar ist, dass wir uns in Fragen der Absuche und Räumung auf die Praktiker beim KMBD verlassen können“, ergänzte sie.
Lüttmann teilte nach dem Gespräch mit: „Die Gefahr von Selbstdetonationen ist vor allem in Oranienburg allgegenwärtig. Regelmäßig werden scharfe Bombenblindgänger – oft mit intaktem Langzeitzünder – an stark frequentierten Orten gefunden. Es ist ein großes Glück, dass es in den vergangenen Jahren weder Tote noch Verletzte gegeben hat. Wir müssen im Land Brandenburg dranbleiben und weiter alles daran setzen, vorhandene Kampfmittel so schnell wie möglich zu beseitigen. Auch er sprach sich über eine „Art Ergebniskontrolle“ des Spyra-Gutachtens aus.
„Einig waren wir uns darin, dass der Bund aber auch seine Verantwortung tragen muss“, so die Oranienburger Politikerin Walter-Mundt weiter.
Bereits im 3. März dieses Jahres hatten sich die Mitglieder des Innenausschusses nahe der Friedenthaler Schleuse über die Komplexität der Bombensuche und -entschärfung informiert.
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Hintergrund

Zum Hintergrund der Bombenthematik teilte das Büro von Heiner Klemp folgendes mit:
Professor Wolfgang Spyra hatte von 1994 an den Lehrstuhl Altlasten an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus inne. Seit gut zehn Jahren ist er im Ruhestand. Das Thema Kampfmittel wird seitdem in Brandenburg wissenschaftlich nicht mehr bearbeitet.
„Mittel- und langfristige Konzeption der Kampfmittelräumung in Oranienburg – Begutachtung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter Berücksichtigung der Aspekte Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit“ lautet der Titel des Gutachtens, das Professor Spyra an der BTU Cottbus im Jahr 2008 im Auftrag des Brandenburgischen Innenministeriums erstellt hat. Es ist die Basis für die systematische Suche nach Kampfmitteln in der Kreisstadt.
Oranienburg ist die mit Abstand am stärksten von Weltkriegsbomben belastete Stadt im Land Brandenburg. Die Konzentration von mit chemischen Langzeitzündern ausgestatteten Blindgängern im Boden und die damit verbundene Gefährdung Oranienburgs ist laut Kampfmittelbeseitigungsdienst einmalig in Deutschland.