Am Mittwoch, 22. März, wird in Oranienburg die 224. Bombe seit den 1990er-Jahren entschärft. Das bestätigte am Dienstag (21. März) die Stadtverwaltung. Schon vor der Wende konnten mehr als 200 Blindgänger unschädlich gemacht werden. 250 weitere Weltkriegsbomben werden im Erdreich vermutet. Keine andere Stadt in Deutschland ist so stark belastet wie die Kreisstadt in Oberhavel. Seriöse Prognosen, wie lange sich die Bombensuche noch ziehen wird, gibt es nicht.
Als sich jüngst der Innenausschuss des Landes sich ein Bild machte, sagte Oranienburgs Bürgermeister Alexander Laesicke (parteilos), die beste Möglichkeit zur schnellen Bombenfreigabe sei die komplette Evakuierung der Stadt. Ein nicht realisierbarer und natürlich auch nicht ernst gemeinter Vorschlag, der aber die Dramatik verdeutlicht. Doch die Stadt kommt voran, sucht systemisch Grundstück für Grundstück ab.
Erfolge bei Suche nach Bomben in Oranienburg
„Auf Flächen der Gefahrenklasse 10, also der am stärksten gefährdeten Klasse gemäß Spyra-Gutachten, haben wir schon mehr als die Hälfte systematisch abgesucht“, sagt Jan Fielitz, Leiter vom Brandschutzamt. Die Zahl bezieht sich auf alle Flurstücke der Stadt. „Wenn wir das noch nach der Suche auf öffentlichen und privaten Flächen unterteilen, dann sieht das für die Stadt sogar noch besser aus.“ Bei städtischen Flurstücken der Gefahrenlage 10 wurden 71 Prozent „aus dem Kampfmittelverdacht entlassen“, wie es offiziell heißt.
Alle Gefahrenstufen eingerechnet, sind 13 Prozent der Gesamtfläche (inklusive Ortsteile) kampfmittelfrei. Bei städtischen Grundstücken sind es 33 Prozent. Die Suche wird immer komplexer, aufwendiger und teuer. „Zum Jahresende kommen das Sachgebiet Kampfmittel sowie das Stadtplanungs-, Tief- und Hochbauamt zusammen, um über geplante Bauvorhaben im Folgejahr zu sprechen. Anhand dessen erstellen wir eine Prioritätenliste, die mit dem KMBD abgestimmt wird“, erklärt Fielitz.
Liege ein Bauvorhaben in dem Zehner-Gefahrenbereich, so werde dort die Suche mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) abgesprochen. Dabei sei es egal, ob es sich um ein öffentliches oder privates Bauvorhaben, um den Bau von Häusern oder von Straßen handele. „Wir versuchen, die jeweiligen Flurstücke komplett absuchen zu lassen, selbst wenn Teile der Flächen auch anderen Gefahrenklassen zugeordnet werden. Es macht keinen Sinn, hier noch Unterteilungen vorzunehmen.“
Ein aktuelles Beispiel: Die Fläche entlang der Walther-Bothe-Straße zwischen der Berliner Straße und dem Kreisverkehr, wo inzwischen die Wohnhäuser der Woba stehen. Im Bereich der Erzberger Straße wird nach Munition gesucht. In seltenen Fällen könne es durch neue Absuchverfahren und Techniken dazu kommen, dass schon abgesuchte Bereiche nochmal in den Fokus rücken. „Das gefällt auch mir nicht“, sagt Fielitz. „Aber es geht hier in erster Linie um den Schutz von Menschenleben sowie Hab und Gut.“
Selbstdetonationen und gefährliche Entschärfungen
● Zwischen 1977 und 1993 gab es mehrere Selbstdetonationen.
● 1981 ging eine 500-Kilogramm-Bombe in die Luft und beschädigte einen Bungalow.
● 1991 gab es bei einer Selbstdetonation drei Verletzte.
● 1997 wurde direkt unter einem Hort eine Bombe gefunden. Eine weitere lag unter dem Hauptheizkessel der Stadtwerke.
● 2000 dauerte die Sprengung einer 500-Kilo-Bombe 20 Stunden. Die Menschen konnten erst nachts wieder in ihre Häuser.
● 2015 entschärfte der KMBD vier 250-Kilo-Bomben in einem fast 16-stündigen Marathoneinsatz.
Ein Antrag auf Kampfmittelfreigabe muss der jeweilige Eigentümer der Fläche beim KMBD stellen, also dort die Suche beantragen. Die Stadt macht das für ihre Flächen. „Werden dabei die Interessen der Eigentümer privater Flächen berührt, geht die Stadt auf diese zu“, so der Amtsleiter weiter. Das gelte im übertragenen Sinne ebenso, wenn es um die gezielte Untersuchung von Flächen privater Eigentümer, die im Gebiet der Gefährdungsklasse 10 liegen, gehe. Da mit Ordnungsverfügungen zu arbeiten, bringe weniger, als das Gespräch zu suchen, ist sich der Amtsleiter sicher.
Erst am Montag (13. März) wurden im Wald bei Oranienburg zwei Weltkriegsbomben erfolgreich gesprengt. Am Mittwoch (22. März) gibt es die nächste Entschärfung. Knapp 3000 Menschen müssen erneut ihre Häuser verlassen. Die Vorbereitungen am „Weg zur Biberfarm“ laufen. Die Bombe liegt in einer Tiefe von etwa viereinhalb Metern. „Der rundherum gesetzte Spundwandkasten ist auf zehn Meter Tiefe erschütterungsarm in die Erde gepresst worden“, teilte Stadtsprecherin Eike-Kristin Fehlauer mit. „Um die Bergegrube trocken zu halten, müssen pro Stunde etwa 160.000 Liter Grundwasser abgepumpt werden.“ Alle Informationen und einen detaillierten Sperrkreis für die Entschärfungen finden Sie HIER.