Am 23. Februar 2023 trafen sich die Gemeindevertreter in Brieselang zu einer ganz besonderen Sitzung. Es ging um den §81 des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes: Abwahl des Bürgermeisters. Um einen Bürgermeister vor Ablauf seiner achtjährigen Amtszeit von seinem Posten zu entbinden, bedarf es eines Bürgerentscheids. Da ein Bürgermeister direkt von den Einwohnern gewählt wird, können auch nur diese ihn wieder von seinem Amt entbinden. Um so einen Bürgerentscheid zu erreichen, muss es entweder vorher ein erfolgreiches Bürgerbegehren geben oder aber mehr als 50 Prozent der Gemeindevertreter müssen eine entsprechende, handschriftlich unterschriebene Beschlussvorlage in die Gemeindevertreterversammlung (GVV) einbringen, die dann mit einer zweidrittel Mehrheit angenommen werden muss.
Bevor der Antrag zur Abstimmung kam, legten die Fraktionen dar, warum sie diesen Antrag unterstützen bzw. ihn ablehnen.

Bürgermeister verzögere Umsetzung von Beschlüssen

Christian Achilles (Bürger für Brieselang, BFB) machte den Anfang. Sechs Fraktionen gibt es in der Brieselanger GVV. Niemand hat eine absolute Mehrheit. Achilles führte an, dass man trotz unterschiedlicher politischer Strömungen gut zusammen arbeite und Kompromisse für die Zukunft der Gemeinde finde. Allein am Umsetzen der Beschlüsse würde es unter Heimann stark mangeln. Achilles beklagt, dass der Bürgermeister vieles delegieren würde, Informationen oft zu spät oder gar nicht kämen und Heimann fachlich keine Verantwortung übernehmen würde. Zudem sei Heimann nicht in der Lage, zu integrieren, weder in der GVV noch bei den Bürgern.

Freie Wähler stehen hinter Heimann

Harald Brockmann, Fraktionsvorsitzender Freie Wähler, nannte es einen traurigen Tag. Die Mehrheit der Bürger hätte Heimann 2019 ins Amt gewählt. Er hätte es aber von Anfang an schwer gehabt, weil eine Mehrheit der Gemeindevertreter ihn nicht gewollt hätten. Er sieht es auch nicht so, dass mit Heimann Stillstand in der Gemeinde herrschen würde. Brockmann würde niemanden im Stich lassen, auch wenn er angeschlagen ist und seine Fraktion stehe weiter hinter Heimann.
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Kai Nagel (B‘90/Grüne) sieht drei Gründe, die das Abwahlverfahren rechtfertigen. So würde es auf sachlicher Ebene bei vielem nicht vorangehen. Er nennt Gesamtschule, Kitas und Sportplatz als Beispiele. Das sei frustrierend. Auch sieht er keine Prioritäten, mit denen Dinge abgearbeitet würden. Politisch ist er enttäuscht, dass Gemeindevertreter oft keine Antworten auf ihre Fragen bekämen, oft käme stattdessen Unsinn vom Bürgermeister. Menschlich findet er, dass Heimann oft dazwischen grätscht, auch wenn sich die Gemeindevertreter bereits auf einen Kompromiss geeinigt hätten. Man sollte den Bürgern die Chance geben, es sich nochmal zu überlegen.
Antje Koch (Die Linke) würde sich vom Bürgermeister wünschen, nach vorn zu blicken, nicht immer alles mit Fehlern aus der Vergangenheit zu begründen und zu sagen, warum etwas nicht geht. Sie wirft Heimann vor, Menschen mit anderer Meinung in der GVV, über Facebook oder sogar im Amtsblatt zu diffamieren.
Die CDU-Fraktion habe sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht, so deren Fraktionsvorsitzender Fabian Bleck. Die Fraktion hatte den ursprünglichen Antrag nicht unterschrieben, aber noch vor der Sitzung nachgezogen. Ihre Bedenken entstammen unter anderem aus dem Gesamtschulprojekt. Ein Interimsgebäude, das nur durch Heimann nötig geworden wäre, keine Lösung für die Unterbringung der Tafel, keine Lösung für den Sportverein Grün-Weiß und immer noch kein Baurecht auf dem geplanten Baugrundstück, führte Bleck an. Zudem die Kitasituation, bei der man auch nicht weiter komme und der privaten Initiative stattdessen Steine in den Weg gelegt würden. Es wäre eigentlich am Bürgermeister, mit allen Parteien zu sprechen und zwischen ihnen zu vermitteln.

Bürger in Brieselang sind gespalten

Der Bürgermeister selbst verfolgte diesen Teil der Sitzung aus dem Zuschauerraum, da er als Betroffener in diesem Fall als befangen gilt. Der Zuschauerraum war sehr gut gefüllt. Bereits in der Bürgerfragestunde war deutlich geworden, dass die Einwohner recht gespalten sind. Es gab sowohl Unterstützer des Bürgermeisters, als auch Menschen, die mit seiner Arbeit deutlich unzufrieden sind. Von denen, die sich am Mikrofon äußern, war die Stimmung etwa fünfzig-fünfzig verteilt.

Abstimmung über Bürgerentscheid

Die Fraktion BFB beantragte am Ende der Rednerliste eine namentliche Abstimmung. Für eine Annahme des Antrags wurde eine Zweidrittelmehrheit benötigt. In Brieselang sind das 16 von 22 Stimmen. Und genau so viele wurden es am Ende. Mit 16 Ja-Stimmen zu 5 Nein-Stimmen bei keiner Enthaltung wurde der Antrag angenommen.
Laut Wahlgesetz sind nun zwei Monate Zeit, den Bürgerentscheid durchzuführen. Darüber wurde bereits im Vorfeld mit Wahlleiter Patrik Rachner gesprochen, der gebeten hatte, auch die vollen zwei Monate zu gewähren, da sonst eine reibungslose Durchführung des Bürgerentscheids nicht gewährleistet werden könne. In einem weiteren Beschluss legten die Gemeindevertreter daher den Termin für die Abstimmung einstimmig auf den 23. April 2023.
Der Wahlleiter bereitet bis dahin alles vor. Er bat um etwas Geduld. Es würde etwa vier Wochen dauern, bis die Wahlbenachrichtigungskarten gedruckt und in den Versand gehen würden. Zudem warb er schonmal dafür, sich als Wahlhelfer zu melden, um in den Wahllokalen und bei der Auszählung der Briefwahlstimmen zu helfen.
Die Hürde zu Abwahl Heimann ist auch jetzt nochmal groß. Alle Wahlberechtigten ab 16 Jahren sind am 23. April aufgerufen, mit Ja oder Nein zu stimmen. Abgewählt ist Heimann nur, wenn die Mehrheit der abstimmenden Personen das so will und dies gleichzeitig mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten sind. Rein rechtlich hat Ralf Heimann noch eine Woche Zeit, auf die Abwahl durch Bürgerentscheid zu verzichten und selbstständig seinen Hut zu nehmen.