In Brandenburg bestehen 143 amtsfreie Gemeinden mit eigener Verwaltung. Jede soll einen eigenen Kat-Leuchtturm erhalten. Das Kat steht für Katastrophenschutz. Zur Finanzierung steuert das Land in diesem Jahr 20 Millionen Euro und im kommenden Jahr 20,2 Millionen Euro bei. Diese Posten sind im „Brandenburg-Paket“ enthalten, das im Dezember 2022 auf den Weg gebracht wurde. Rein rechnerisch kann jede Gemeinde mit fast 280.000 Euro für ihren Kat-Leuchtturm rechnen, der bei Blackouts leuchten soll.
„Blackouts“ sind seit 2022 ein beliebtes mediales Thema. Insbesondere wird gern darüber orakelt, welche Folgen ein totaler Zusammenbruch der Stromversorgung haben könnte. Daher könnte man die Kat-Leuchttürme als eine aktuelle Reaktion auf die Energiekrise, den Krieg in der Ukraine und denkbare Angriffe auf kritische Infrastrukturen in Deutschland sehen. Dass dem nicht so ist, erklärte unlängst der Rathenower Stadtverordnete Sebastian Lodwig.

2006 – zweistündiger Stromausfall in Teilen von Deutschland

Der SPD-Fraktionschef ist im Hauptberuf der Leiter des Feuerwehrtechnischen Zentrums (FTZ), das der Landkreis Havelland in Friesack betreibt, und ferner der havelländische Ansprechpartner in Sachen zivile Verteidigung, Zivil- und Bevölkerungsschutz. Im weiteren Ehrenamt ist er Ortsbeauftragter des Technischen Hilfswerks (THW). Laut Lodwig wurzele das Leuchtturm-Projekt in Erfahrungen aus einem Debakel des Jahres 2006, zu dem es bei planmäßiger Abschaltung einer Stromleitung über die Ems (westliches Niedersachsen) gekommen war. Dem daraus resultierenden zweistündigen Stromausfall in Teilen Deutschlands, Frankreichs, Belgiens, Italiens, Österreichs und Spaniens ist sogar ein eigener Wikipedia-Beitrag gewidmet.
Lodwig sagte vor Journalisten während eines SPD-Termins, dass denkbare Blackout-Szenarios als eine aktuelle Bedrohung falsch kommuniziert würden. Die Gefahr bestünde im Grunde schon immer – also seit es Stromnetze gibt. Tatsächlich dürften sich auch etliche Havelländer noch an die Silvesternacht 1978/79 erinnern, als die Stromversorgung landesweit zusammengebrochen war. Hier waren aber Schneemassen und extremer Frost die Ursachen. Heutzutage können kritische Infrastrukturen dankbare Angriffsziele darstellen, und sei es nur für Hacker, Extremisten und andere private Saboteure.

Berlin ist mit seinen leuchtenden Inseln viel weiter als Brandenburg

Kat-Leuchttürme sollen im Blackout-Fall wie leuchtende Inseln wirken, auf die sich die Menschen zurückziehen können, wenn nichts mehr funktioniert. Sollte der Strom mehrere Tage lang ausfallen, würden vom Netz abhängige Infrastrukturen wie der Mobilfunk und das Internet ebenso gestört – sicher auch die Versorgung mit Gas und Trinkwasser. Auf den Inseln gebe es zumindest Notstrom, der Heizen, Licht, medizinische Grundversorgung und Krisenkommunikation ermöglichen würde. Schon von 2012 bis 2015 hatte sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im von ihm geförderten Verbundprojekt „Katastrophenschutz-Leuchttürme als Anlaufstellen für die Bevölkerung in Krisensituationen“ mit der Materie eingehend befasst. Am Forschungsprojekt waren auch die Berliner Feuerwehr und die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin beteiligt. Insgesamt ist die Bundeshauptstadt nun schon viel weiter als Brandenburg. Eine interaktive Karte auf www.berlin.de zeigt 37 Standorte. Beispielsweise der Kat-Leuchtturm im Stadtbezirk Treptow-Köpenick wurde bereits seit dem Winter 2019 geplant und im Sommer 2020 fertiggestellt. Der Bezirk hatte es besonders eilig, war dieser doch am 19. November 2019 von einem massiven Stromausfall betroffen. Bei etwa 70.000 Menschen waren gegen 14.00 Uhr die Lichter für mehrere Stunden ausgegangen, weil bei Bauarbeiten zwei Kabel durchtrennt wurden. Erst am Abend des 20. Februar war die Stromversorgung wieder zu 100 Prozent gewährleistet. Treptow-Köpenick investierte etwa 550.000 Euro aus eigenen Mitteln.

Gemeinde Milower Land will zwei Kat-Leuchttürme

Dass jetzt jede märkische Gemeinde einen Kat-Leuchtturm erhalten soll, ist das freilich auch in Premnitz ein Thema. Wie Bürgermeister Ralf Tebling, ein Parteifreund von Sebastian Lodwig, in der SPD-Runde erläuterte, sei die Oberschule im Mühlenweg als Anlaufpunkt für die Bevölkerung geradezu prädestiniert. Sie liegt mitten im Stadtkern, außerdem zentral zwischen den nördlich und südlich gelegenen Ortsteilen Döberitz und Mögelin. Ganz allgemein empfahl Lodwig den Gemeinden, sich bei der Standortauswahl abzustimmen. Die SPD in Rathenow will diesbezüglich in der SVV örtliche Initiative ergreifen.
In der nur 46 Quadratkilometer großen Stadt Premnitz ist die Standortwahl denkbar einfach, schwerer in der 160 Quadratkilometer großen Nachbargemeinde Milower Land. Sie erstreckt sich vom Ortsteil Möthlitz bis nach Großwudicke – mit Milow in der Mitte. Die Süd-Nord-Maximalausdehnung zwischen den Gemeindegrenzen beläuft sich auf rund 23 Kilometer. Sofern sich der zu schaffende Kat-Leuchtturm im Norden oder Süden befinden würde, müssten viele Menschen im Blackout-Fall weit fahren. Indessen liegt das Milower Ortszentrum wohl zu nahe dem Premnitzer Stadtkern. Bürgermeister Felix Menzel, ebenso ein Sozialdemokrat, ließ in der SPD-Runde wissen, dass er in Anbetracht der topografischen Gegebenheiten für zwei Leuchttürme plädiert. Er begründet das auch mit vier Bergen bzw. Hügeln, die „so doof“ liegen, dass sie den Netzempfang stören würden.