Mit drei Schüssen wurde Ute P. im Februar 2018 in ihrem Auto auf einem Feldweg in Mögelin (Stadt Premnitz bei Rathenow) getötet. Bereits in dieser Woche könnte am Landgericht Potsdam über die Mordvorwürfe gegen einen früheren Geschäftspartner entschieden werden. „Ich habe mit dem Tod von Ute Petersen nichts zu tun. Ich habe Ute Petersen nicht getötet. Ich bin unschuldig“, sagte der Angeklagte Igor P. am Montag mit ruhiger Stimme nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung.
Weiter auseinander können die Anträge nicht liegen. Lebenslange Haft fordert Ankläger Alexander Rietz, Freispruch hat P.s Verteidiger Hartmut Pawlitzki beantragt. Am Mittwoch wird die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Potsdam fortgesetzt. Zunächst muss noch über Befangenheitsanträge gegen die fünf Richter entschieden werden, danach könnte bereits ein Urteil fallen.
Keine Augenzeugen in Mögelin, keine Tatwaffe gefunden
Am Montag war überraschend plädiert worden, nachdem die Verteidiger keine neuen Beweisanträge mehr stellten. Und im Zentrum stand die Frage: Kann es reichen, einem Angeklagten ein Motiv nachzuweisen und die Alibi-Zeugen für unglaubwürdig zu halten, um ihn wegen Mordes lebenslang hinter Gitter zu bringen? Staatsanwalt Alexander Rietz ließ offen, was vor fünf Jahren passiert ist und warum die 57-jährige Frau auf dem Feldweg kurz vor ihrer Wohnung anhielt. Die Tatwaffe, wohl eine Pistole vom Typ Cesna, wurde nicht gefunden, Augenzeugen für das Geschehen gibt es nicht.
Für Rietz gibt das Motiv den Ausschlag. Zu Gunsten von Igor P. hatte Ute P. zwei Lebensversicherungen über rund 160.000 Euro abgeschlossen. Zuvor hatte die Getötete mit dem Geld von Igor P. Grundstücke gekauft. P. baute dort in Eigenleistung Häuser, während Ute P. heimlich die Grundstücke für Kredite belastete. Statt in den Häusern wohnen zu können, beklagte P. durch Zwangsversteigerungen und Notverkäufe einen sechsstelligen Schaden. Rietz sieht einen Mord aus Habgier und auch zur Verdeckung weiterer Straftaten – nämlich der ungerechtfertigten Geltendmachung der Versicherungsleistungen. Dies seien Betrugshandlungen. Ergeben hatten sich die finanziellen Verflechtungen in Biederitz (Landkreis Jerichower Land / Sachsen-Anhalt), wo Ute P. Gemeindevertreterin und Betreiberin des „Gänsekrug“ war. 2015 war sie aus ihrer Heimat hinter die Landesgrenze ins brandenburgische Havelland gezogen, um dort mit einem früheren Klassenkameraden ein neues Leben zu beginnen. Wohin sie zog, hatte sie Igor P. nicht verraten.
Ursprüngliche Anklage: Anstiftung zum Mord
P.s Verteidiger Hartmut Pawlitzki beantragte Freispruch für P. und kritisierte die Ermittlungsarbeit der Behörden. Der erfahrene Stendaler Anwalt verwies auf die Wendungen im Verfahren. Ursprünglich hatte die Anklage auf Anstiftung zum Mord gelautet, laut Staatsanwaltschaft sollte P. einen Auftragskiller angeheuert und bezahlt haben. „Es hätte also jeder sein können“, bemerkte Pawlitzki. Seitdem P. aber auch als Mörder in Frage kommt, was Staatsanwalt und Gericht mitten in der Hauptverhandlung im Dezember 2022 ins Spiel gebracht haben, soll es nur noch sein Mandant gewesen sein können, wunderte er sich.
Immer wieder stellte der Verteidiger auch die Frage, wie sich ein Schuldiger oder ein Unschuldiger verhalten würde. Beantragt ein Schuldiger kurz nach dem Tod die Versicherungssumme? Was macht er, nachdem er angeblich zwei Zeugen zum Lügen aufgefordert hat und die Tat ohne Spuren begangen haben soll: „Dann rennt er zur Versicherung“? Pawlitzki bezeichnete es als Ute P.s Geschäftsmodell, ihre gesamte Umgebung ohne Rücksicht auf Verluste nach Geld zu fragen. Gibt es da wirklich nur ein denkbares Motiv?
Ob Ute P.s Schwiegersohn ebenfalls eine Motivation habe, wisse der Anwalt nicht. Denn die Polizei habe sehr früh nur in eine Richtung ermittelt, „und das dann über Tausende Seiten“, kritisierte er – ein Vorwurf gegen Brandenburger Ermittler, der vor dem Landgericht Potsdam bei schwerwiegenden Straftaten immer wieder von Anwälten zu hören ist.
Auch die Vermögensverhältnisse von Igor P. gerieten in den Fokus
Damit neigt sich ein Prozess dem Ende, der auch viele familiäre Fragen tangierte. Verwandte von Ute P. wirkten vor Gericht überrascht über deren Umgang mit Schulden und über deren Höhe. Oft hätten sie das Ausmaß erst von Ermittlern vor Augen geführt bekommen, oder dass sie mit Geld ihrer Kinder nicht etwa einen Kredit tilgte, sondern es für ein schönes Leben ausgab.
In den Fokus gerieten während des seit November 2022 dauernden Prozesses auch immer wieder die Vermögensverhältnisse des Angeklagten. Über viele Jahre lebte der heute 56-Jährige, der als Sowjetsoldat in die DDR gekommen war, von Sozialleistungen. Geldsorgen schien er in dieser Zeit dennoch nicht zu haben, Zeugen erzählten von Bargeld im fünfstelligen Bereich und teureren Autos. Laut Staatsanwalt Rietz sei P. „durch nicht mehr ermittelbare Umstände“ zu Geld gekommen, nannte den KfZ-Handel und Überweisungen aus Russland. Außerdem habe er Geld verliehen – teilweise zu 17 Prozent Zinsen.
Dass gegen P. auch wegen Mordverdachts verhandelt wurde, hat ihm auch ein Kumpel eingebrockt, mit dem er am Tatnachmittag im Magdeburger Einkaufszentrum „Elbe-Park“ unterwegs gewesen sein will. Dessen Aussage war offenbar so wenig nachvollziehbar und stand im Widerspruch zur polizeilichen Vernehmung, dass die Richter seitdem große Zweifel am Alibi von Igor P. zu hegen scheinen. Auch von der Aussage von P.s Ehefrau schien das Gericht nicht viel zu halten. Sie hatte sich ursprünglich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, beantwortete dann aber doch noch Fragen des Gerichts und bestätigte dabei unter anderem das Alibi von Igor P.
Hatte auch ein Schwiegersohn von Ute P. ein Mordmotiv?
Seit dem Hinweis, dass Igor P. auch Mörder sein könnte, versuchten seine beiden Verteidiger verstärkt, durch Beweisanträge entlastende Umstände vor Gericht zu bringen. Im Zentrum war dabei der Ansatz, dass ein Schwiegersohn von Ute P. ein Mordmotiv habe. Er sei wegen einer Festplatte erpressbar gewesen, auf der sich zahlreiche Beschreibungen von sexueller Gewalt – teilweise auch gegen Kinder und Jugendliche – befunden haben sollen, so die Verteidiger.
Diese Festplatte diente vor allem als Jukebox von Ute P.s früherer Gaststätte „Gänsekrug“ in Biederitz. Der Schwiegersohn erklärte vor Gericht, dass er als Soldat damals zahlreiche Ordner bei der Bundeswehr kopiert habe und nicht in jeden hineingeschaut habe. Die Daten waren allerdings gelöscht, als Forensiker das Speichermedium untersuchten, und konnten nur durch aufwendige technische Maßnahmen wieder lesbar gemacht werden.