Im 15. Jahr seiner Pleinairs hat der Wilkendorfer Wolfgang Stübner schon so einiges erlebt, doch auch bei ihm ist in diesem Jahr alles anders. Fast alles. Geblieben sind gute Freunde, wie Stübner sie nennt, die mit ihm die Leidenschaft von Holzskulpturen teilen.
Der 70-jährige Holzbildhauer ist einer, der sich auch von einem Virus nicht kleinkriegen lässt. So gab es für ihn keinen Zweifel daran, dass sein Pleinair mit internationalen Künstlern nach der coronabedingten Absage im April noch in diesem Jahr stattfinden wird. Zwar mit weniger Künstlerkollegen als in den Vorjahren, dafür aber ohne Qualitätseinbußen.
Verschiebung willkommen
Für den Litauer Kestutis Kasauskas ist die Verschiebung sogar eine willkommene Einladung. „Im Frühjahr ist nach dem langen Winter immer so viel zu tun, dass es für mich schwierig ist, frei zu bekommen“, sagte der 51-Jährige mit der längsten Anreise – fast genau 1200 Kilometer. „Wilkendorfer Moose“ heißt seine Skulptur. „Das war ein Motiv, das ich mir schon immer mal gewünscht habe“, erzählt Stübner, nachdem sich solch ein Geweihträger vor einiger Zeit mal in den Altlandsberger Ortsteil verirrt hatte.
Eiche mit Kriegssplittern
Überraschungen hielt die alte Eiche bereit. So waren nicht nur Nägel in dem alten Straßenbaum eingewachsen, auch größere Metallteile haben ihre Spuren im Holz hinterlassen. „Ich glaube, dass es Splitter aus dem zweiten Weltkrieg sind. Wir haben die Jahresringe ausgezählt, und es könnte hinkommen“, sagt Kestutis Kasauskas. So spielt der dunkle Streifen, der quer durch seine Skulptur geht, eine besondere Bedeutung bei seinem Schaffen. „Ich möchte, dass der Streifen zu sehen ist und jeder erfährt, warum er in dem Holz ist“, erklärt der Litauer. Der Streifen zieht sich auch durch das Elchgeweih, das wie zwei zusammengehaltene Hände aussieht. Angesprochen darauf, lacht Kasauskas laut: „Einmal kam meine elfjährige Tochter Auguste aufgeregt zu mir gerannt, sie hätte wieder das Tier gesehen. Ich fragte Hund, Katze oder Schafe und sie zeigte es mir genauso mit offenen Händen am Kopf und sagte: Na, das hier.“
Gabelstapler dreht tanzende Medusa
Die Kettensäge kreischt, ganz behutsam setzt Annegret Kavelage schweres Gerät an, um mit viel Feingefühl aus dem Lindenholzklotz eine tanzende Medusa entstehen zu lassen. „Ich habe zwar zu Hause ein eigenes Atelier, aber hier mit vielen anderen zusammenzuarbeiten, das ist ein ganz besonderer Reiz“, verrät die 52-Jährige aus dem baden-württembergischen Gernsbach. Mit einem Gabelstapler dreht Wolfgang Stübner ihre Medusa in die gewünschte Position. „Das kann ich bei mir auch nicht, deshalb freue ich mir jedes Mal, wenn ich hier so große Skulpturen angehen kann.“ Seit 2013 ist die gelernte Steinmetzin in Wilkendorf zu Gast. „Für mich ein richtig gutes Pflaster, ich habe fast alle Skulpturen verkaufen können.“ Dann setzt sie mit dem Winkelschleifer zum Feinschliff an. „Man soll sehen, dass es mit der Kettensäge ausgearbeitet wurde. Nur an manchen Stellen arbeite ich nach“, erklärt Annegret Kavelage, bevor sie im Lärm und Staub unsichtbar wird.
Name: Tell you tomorrow
Eva Maleck-Lewy und Ehemann Professor Bernhard Maleck unterhalten sich angeregt mit dem ungarischen Bildhauer Joka Lukacs. Der Budapester ist gerade beim Schutzanstrich für seine Skulptur. „Tell You Tomorrow“ heißt das Werk, weil „ich ständig gefragt wurde, wie es heißen soll, und ich immer so geantwortet habe“, erklärt der 52-Jährige schmunzelnd. Entstanden ist eine Figur, die zum Teil aus fein geschliffenem Holz, aber auch aus grober Oberfläche besteht. Unterschiedlich wirkt so die auffallende Maserung des Holzes. Kunstvoll gekonnt, werden so Teile hervorgehoben, je nach Blickwinkel. In Ungarn ist er Dozent an einer Kunsthochschule, hat auf dem Gebiet promoviert. Trotzdem braucht er dazu einen Nebenjob, um sich über Wasser halten zu können. In Wilkendorf schaltet er ab, ist nur im Jetzt und Heute und „unter Freunden“.
Luftige Blasen aus Holz
Vierte im Bunde der kulturschaffenden Gäste ist Katharina Lüdicke. Die Berlinerin lässt es sprudeln mit ihrer Skulptur „Bubbles“. Was so luftig, fast federleicht wirkt, ist harte Arbeit. Sie scheinen zu schweben, die Blasen. „Dieses erreicht man mit den großen Zwischenräumen, den Durchbrüchen – das ist große Kunst“, schwärmt Stübner über seine einstige Schülerin und ist damit beileibe nicht alleine.
Die Werke des Pleinairs, und noch viele mehr, sind im Wilkendorfer Skulpturenpark, Nordweg 5, zu sehen. Anmeldung unter Telefon 03341 216336