Vor zwei Wochen trat in Hoppegarten bereits der Ernstfall ein: Erstmals wurde in einer der Gemeinschaftsunterkünfte (GU) eine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen, schließlich ging es um sieben Fälle, für die entsprechende Maßnahmen ergriffen wurden.
Das habe im Zusammenwirken aller Beteiligten gut geklappt, bilanziert Friedemann Hanke, in dessen Aufgabenbereich als Beigeordneter des Landrates auch die Flüchtlinge fallen. Ein glücklicher Umstand sei es gewesen, dass man im Wohnverbund Bliesdorf gerade noch über freie Kapazitäten verfügte, um die unmittelbar betroffenen Personen dorthin zur Isolation bringen zu können. Nach der 14-Tage-Frist könnten seit Wochenbeginn nun die Ersten wieder aus der Quarantäne entlassen werden, kündigte Hanke an.
Derzeit nicht voll belegt
Die direkten Kontaktpersonen der Infizierten habe man in Hoppegarten selbst separieren können. In dem dreigeschossigen Gebäude gebe es dazu entsprechende Möglichkeiten: "Diesmal hielt es sich ja zahlenmäßig noch in Grenzen." Im Wiederholungsfall könnte bei Bedarf aber sogar eine komplette Etage isoliert werden, ergänzt der Beigeordnete. Das Haus im Hoppegartener Gewerbegebiet habe eine Kapazität für 150 Bewohner, derzeit seien nur etwa 120 Plätze belegt, was das Umgehen mit dem Problem etwas erleichtert habe.
Hanke macht aus einem Umstand allerdings keinen Hehl: Auf ganz Märkisch-Oderland gesehen, gebe es nicht allzu viele ungenutzte Kapazitäten, die als Ausweich zur Verfügung stehen, sollte es vielleicht sogar einmal an zwei Einrichtungen parallel zu Infektionen und damit notwendigen Quarantänemaßnahmen kommen. "Vor der Corona-Krise hatten wir gerade durch das Aufnahmesoll relativ großen Belegungsdruck." Er wisse von anderen Landkreisen, die gerade derzeit zur Entspannung auch ergänzend Pensionen mit Flüchtlingen belegen – für Märkisch-Oderland halte er dies aber nicht für sonderlich praktikabel.
Über Bliesdorf hinaus gebe es noch vereinzelt verfügbare Wohnungen, "ein paar Leute bekommen wir da unter", und mittlerweile seien in allen Gemeinschaftsunterkünften potenzielle Isolationsbereiche festgelegt, berichtet Hanke.
Keine prekäre gesundheitliche Situation der Geflüchteten
Von einer "prekären gesundheitlichen Situation der Geflüchteten" in den GU, wie der Fraktionschef von Grüne/Zukunft im Kreistag und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Burkhard Paetzold, in einer offiziellen Anfrage kürzlich geschrieben hatte, will Hanke nichts wissen. Dies hat er auch in seiner schriftlichen Antwort dargelegt, nachdem sich zuletzt der Ausschuss vorige Woche in einer Videokonferenz erneut mit dem Thema beschäftigt hatte. Seitens der Verwaltung war da u. a. Amtsarzt Steffen Hampel zugeschaltet, wie Paetzold berichtet. Hanke verweist auch auf mehrsprachige Aushänge in den Heimen, um auf Schutzvorkehrungen hinzuweisen.
"Die Information über Maßnahmen läuft gut", bestätigt aus seinen Eindrücken Omer Abdelaziz, der aus dem Sudan stammt und in der GU Müncheberg lebt. Der junge Mann, der fließend Deutsch spricht und gerade ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch beim Ökodorf Brodowin hatte, wo er nun auf die behördlichen Genehmigungen zur Arbeitsaufnahme hofft, sieht allerdings Probleme, die Regeln in der Praxis überall umsetzen zu können.
"Abstand einhalten – das geht in den Zimmern kaum. Wir brauchen Desinfektion und Mundschutze", mahnt er am Telefon. Mehrfach hätten er und andere auf das Problem hingewiesen: "Geändert hat sich aber nichts, und viele haben resigniert." Besonders prekär seien in Müncheberg, wie schon vor Weihnachten bei einer Veranstaltung zur Sprache kam, die unzureichenden Kochmöglichkeiten für so viele Bewohner. "Wir brauchen dringend eine neue Küche", formuliert es Omer. Doch auch ein Gespräch, bei dem seinerzeit Bürgermeisterin Uta Barkusky zugegen war, habe bisher keine Abhilfe gebracht. Der anstehende Ramadan droht, die Lage weiter zu verschärfen, wenn Muslime erst nach Einbruch der Dunkelheit essen dürfen. "Ich habe vorgeschlagen, dass wir die Zeit 18 bis 21 Uhr in der Küche für die Leute im Ramadan reservieren", erzählt Omer, "doch ich weiß nicht, ob alle das akzeptieren."
Schecks statt Bargeld
Derweil hat der Kreis Vorkehrungen getroffen, um den Geflüchteten während der Corona-Krise Wege nach Seelow bzw. Diedersdorf zu ersparen. Statt der Bargeldauszahlung der monatlichen Raten habe es schon Anfang April über die GU ausgereichte Schecks gegeben. Nachsteuern musste man lokal zum Teil, weil die Sparkasse aufgrund der Pandemie ebenfalls ihre Öffnungszeiten eingeschränkt hatte. "Bei Bedarf haben wir da nun zusätzliche Schalterstunden einrichten können", berichtet Hanke. Auch im Krankheitsfall gebe es in den Unterkünften einen ausreichenden Vorrat an Bescheinigungen zum Arztbesuch, ergänzt Hanke zu diesem Aspekt, teilweise habe man die Laufzeit erweitert.
Im Heim Kunersdorf sei "social distancing" nicht generell möglich, sagt der ebenfalls aus dem Sudan stammende Mohamed (41). Ihn und andere, die dort untergebracht sind, plagen aber schon länger zwei andere gravierende Probleme: Die extrem abgeschiedene Lage im Wald, was schon zur Bushaltestelle 20 Minuten Fußweg bedeute, und die Lücke im Kommunikationsnetz. Internet fehle ebenso wie ausreichender Handyempfang: "Wir wünschten uns, man würde dieses Heim schließen und uns in ein anderes bringen", sagt Mohamed. In der Tat, räumt Friedemann Hanke freimütig ein, gebe es an den Standorten Kunersdorf und Platkow ein schon länger bekanntes Internetproblem – das sei aber strukturell, lasse sich nicht kurzfristig lösen. Wo es für Schüler aus Flüchtlingsfamilien im "Homeschooling" Probleme mangels Wlan-Verbindung gebe, könnten die Lehrer die Aufgaben vorbeibringen, sagt der Beigeordnete.
Gemeinsame Erklärung gegen GUs
In einer gemeinsamen Erklärung haben sich der Flüchtlingsrat Brandenburg, das Netzwerk Offenes MOL, das Alternative Jugendprojekt 1260 aus Strausberg, die Colaborative Reichenow und viele weitere Gruppen und Vereine für eine Auflösung der Sammelunterkünfte ausgesprochen. "Umverteilung jetzt, bevor es zu spät ist", heißt es in dem Appell.