Sage und schreibe rund 183.000 Mädchen und Jungen werden im Land Brandenburg derzeit in fast 2000 Kindertagesstätten betreut. Viele der Einrichtungen existieren seit Jahrzehnten und werden entsprechend den Möglichkeiten dem modernen Bedarf angepasst. Weil die Nachfrage an Plätzen vor allem in den Kommunen mit Einwohner-Zuwachs ungebrochen ist, kommen im günstigsten Fall nagelneue Kitas hinzu, die nicht nur unter ökonomischen, sondern auch pädagogischen und nachhaltigen Gesichtspunkten konzipiert und errichtet werden.
Neubau ebnet inhaltlicher Modernisierung den Weg
Die MOZ hat sich in zwei solchen Einrichtungen umgeschaut – im, vom Internationalen Bund Berlin-Brandenburg getragenen Montessori Kinderhaus „AbenteuerWelt“ in Petershagen-Eggersdorf (Märkisch Oderland) und in der evangelischen Kita Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin). Dabei sind trotz unterschiedlicher Ausgangssituationen viele Gemeinsamkeiten zutage getreten.
Fakt ist, moderne inhaltliche Trends schlagen sich auch in der Bauweise nieder. Aktuell bedeutet das in beiden Häusern, dass in offenen Strukturen gearbeitet wird. Während Krippenkinder noch Geschlossenheit benötigen – im Montessori Kinderhaus heißt deren Bereich deshalb auch „Nest“ – sind die übrigen Räume der im September 2020 eingeweihten Einrichtung thematisch, also funktional eingerichtet. 100 Kinder, davon 30 im Krippenalter, können hier betreut werden. Die Angebote für die Großen richten sich nach den Bildungsfeldern im Kita-Bereich. Es gibt einen Kreativ-, einen Bau-, einen Forscher- und einen Montessori-Raum.
Statt fester Gruppen gibt es offenen Angebote
„Unsere Erzieherinnen begleiten die Räume, nicht eine immer gleiche Gruppe“, erläutert Kita-Leiterin Jana Fertig. Morgens trifft sich das Kollegium zum „Blitzlicht“, um zu besprechen, wer welchen Raum mit welchem Angebot füllt und welche Draußen-Beschäftigung es gibt. Die Kinder wiederum erfahren im Morgenkreis, was der Tag für sie bringen könnte.
Bodentiefe Fenster, Glaselemente in den Wänden zwischen den Räumen sorgen dafür, dass das Haus lichtdurchflutet ist. Es ist barrierefrei, hat breite Türen und sogar einen Fahrstuhl. „Falls wir ein Rollikind bekommen, sind wir darauf eingestellt“, sagt Jana Fertig. Zuletzt hatte eine Mutter einen Gipsfuß und war ebenso froh über die Erleichterung.
Wandernde Kochlöffel sorgen für den Überblick
Besonders ist aus Sicht der Leiterin zudem das Kinder-Restaurant. „Das ist viel hygienischer. In den Beschäftigungsräumen wird nicht mehr rumgekleckert und dort hängt dann auch kein Essensduft in der Luft.“ Die Kinder können selbst entscheiden, mit wem sie zum Mittagstisch gehen, Freundschaften pflegen. Dafür gebe es das Kochlöffelsystem. Maximal 20 werden ausgegeben und wer fertig ist, reicht ihn – ähnlich einem Staffelstab beim Sport – weiter. „Das fördert die Selbständigkeit.“ Zudem wird das eigene Porträt an der Pinnwand umgehängt, sodass die Erzieherinnen sehen, wer alles gegessen hat.
Überdachte Terrasse als Tupfen auf dem „i“
Vesper wird gern auf der überdachten Dachterrasse eingenommen – ein echtes Highlight des Gebäudes. Ebenso wie die Fußbodenheizung, Waschrinnen statt Waschbecken, Bewegungsmelder für die Beleuchtung in Fluren und Bädern sowie der Drang, an vielen Stellen nachhaltig zu agieren. So werde mit den Kindern Müll getrennt, wird bemaltes Papier versucht, zweit zu verwerten – als Papierflieger zum Beispiel – gibt es statt Plastikgeschirr nur welches aus Glas und Porzellan, wurde abgepacktes Essen, etwa im Joghurtbecher, abgewählt.
Nach fast 170 Jahren Neuanfang auf modernstem Stand
Die evangelische Kita in Neuruppin profitiert ebenso von einem Neubau. Dabei ist sie keine Neugründung, wie jene in Petershagen-Eggersdorf. Sie schaut vielmehr auf eine fast 170-jährige Geschichte in wechselnden Häusern zurück. Als an der letzten Adresse, in der August-Bebel-Straße 13a, eine grundlegende Sanierung anstand, wurde sich – dank eines Investors – für den kompletten Neustart entschieden. Der ist Anfang Mai geglückt. Wie die Leiterin, Anett Schlüter erzählt, wurde mit den Architekten das Konzept für das Domizil gestrickt. „Sie haben für das bauliche Gerüst gesorgt, wir konnten unsere Idee und Wünsche einbringen.“
Entstanden ist ein zweigeschossiges Haus mit Gründach, Fußbodenheizung, teils fußbodentiefen Fenstern sowie gläsernen Sichtelementen in Wänden und einem, von Landschaftsarchitekten entworfenen Garten. Mit dem Einzug ins Domizil, das 120 Kindern, davon 36 im Krippenalter Platz bietet, änderte sich auch das pädagogische Konzept zur ebenfalls offenen Arbeit. „Das hatte erst einmal Ängste geschürt, wie das laufen soll“, sagt Anett Schlüter. Aber, der neue Weg berge viele Chancen für die moderne Arbeit mit den Kindern. Als Beispiel spricht sie die, in die Wände integrierten Glaselemente an. Das betrifft den Bau- und den Forscherraum sowie den Bibliotheks- und den Yogaraum.
Der Blick in das Zimmer nebenan kann Interesse, Neugierde wecken. Manche Kinder trauen sich nicht, wollen erst einmal nur schauen und lassen sich so vielleicht locken. Und: Auch in der Neuruppiner Kita gibt es ein Kinder-Restaurant. „Das entspricht dem Zusammenleben in der christlichen Gemeinschaft“, nennt sie lobend einen Aspekt.
Tablets vor dem Einzug in die Kitas
Wenn es ums Moderne in der Kinderbetreuung geht, fällt immer häufiger der Begriff „frühkindliche Bildung und Digitalisierung“. Obwohl beide Einrichtungen sich dem Trend noch nicht intensiv und mit dem Besuch von Weiterbildungsangeboten angeschlossen haben, wissen sie doch, dass sie sich dem stellen werden müssen. Kinder erleben außerhalb der Kita die digitale Welt und sollen auf diese vorbereitet werden. Der Einsatz von Tablets beim Forschen oder auch kreativem Gestalten, von Videotechnik bei Musik, Rollenspiel und Bewegung – all das ist nur eine Frage der Zeit, bis es Einzug in den Kitas hält.
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