Dramatische Bilder haben sich den Zuschauern an den Mobiltelefonen und heimischen PCs in der ersten Maiwoche geboten. Sofern sie sich auf die Liveübertragung aus dem Horst auf dem Storchenturm in Altlandsberg zugeschaltet hatten, konnten sie mitverfolgen, wie es zu einem regelrechten Kampf des dort brütenden Paars und eines weiteren Altgenossen kam.
Die Zuschauergemeinde auf Storchengucker.de ist sich sicher: Die beringte Storchendame Elsa wurde Opfer ihres früheren Liebhabers Horst, der zu spät aus dem Winterquartier nach Altlandsberg gekommen sein soll und sie nun mit einem Neuen an der Seite vorfinden musste, der im Chat Herrmann oder Horst zwei getauft wurde. Bereits im April hatte der Eindringling ein Ei aus dem Nest gestoßen. Obwohl Elsa alles daran setzte, ihr Gelege diesmal zu schützen, wurden laut den Beobachtern jetzt wohl alle vier Einer aus dem Nest gestoßen. Und auch die brütende Mutter bekam bei den Rangeleien, die zum Teil nachts stattfanden, etwas ab.

Die Chance, dass sie es noch einmal versuchen, liegt bei 90 Prozent

Das traurige Resultat: Das Nest ist leer, aber ein Storchenpaar noch da. Kann es trotz des kriminellen Vorfalls noch Nachwuchs geben? „Na klar“, macht Sebastian Kiesel, der Storchenbeauftragte für den Altkreis Strausberg, Hoffnung. Die Chance, dass das Paar es noch einmal versucht, liege sogar bei 90 Prozent, so seine Einschätzung. Um welche Konstellation es sich dann handelt, möchte der Fachmann, der seine Aufzeichnungen dem Naturschutzbund Deutschland zur Verfügung stellt, allerdings nicht mutmaßen. „Ich kann einen Storch nur anhand des Rings eindeutig zuordnen. Alles andere ist eher Spekulation“, sagt er. Kiesel möchte aber nicht ausschließen, dass jahrelange Storchengucker vielleicht noch andere Anhaltspunkte haben. Aber gleich, ob Horst oder Herrmann hinter den Angriffen steckt, ungewöhnlich ist ein derartiges Verhalten bei den Vögeln nicht.
„Es kommt immer mal wieder vor, dass Weißstörche die Konfrontation suchen“, hat er beobachtet. Und mitnichten stimme es, dass ein Storchenpaar ein Leben lang zusammen bleibe. Der Genpool werde auch einmal aufgefrischt, heißt es. Nicht immer sind es die männlichen Tiere, die Stress machen: „Ich habe auch schon beobachtet, wie ein weiblicher Storch die Konkurrentin vertreiben wollte“, so Kiesel.
Das Verhalten der Störche in Altlandsberg ist nicht ungewöhnlich, so der Storchenbeauftragte.
Das Verhalten der Störche in Altlandsberg ist nicht ungewöhnlich, so der Storchenbeauftragte.
© Foto: Storchengucker.de

Nicht zu wenige Nistmöglichkeiten

Mitunter gibt es ein Happy End nach den Streitigkeiten. Wie etwa in Müncheberg, wo sich im vergangenen Jahr plötzlich fünf Störche das Leben schwer machten. In diesem Jahr sind dort zwei Paare in nur 200 Meter voneinander entfernten Horsten beim Brüten anzutreffen. Zu wenige Nistmöglichkeiten gibt es laut Sebastian Kiesel ohnehin nicht. „In vielen Dörfern sind die Nistplätze leer“, weiß der Fachmann.

Futterangebot ist für Störche entscheidend

Entscheidend, ob sich ein Paar ansiedelt, sei das Futterangebot, welches vielerorts nicht mehr gegeben sei. Dabei seien nicht ausschließlich Feucht-, sondern Wild- und Weidewiesen wichtig, wo ausreichend Grillen und andere Insekten, aber auch Kleinsäuger zu Hause seien. „Ideal ist ein See oder Weiher in der Nähe, weil in den heißen Sommern die Elterntiere ihren Jungen auch Wasser bringen“, so der Storch-Fachmann. Ist neben dem Horst jedoch ein mit Pflanzenschutzmitteln bespritztes Raps- oder Maisfeld, würden die Tiere nichts finden.
Das Jahr habe gut für die Störche angefangen, so der Storchenbeauftragte. Viele Horste in Märkisch-Oderland seien wieder besetzt, auch wenn die Anzahl der Paare im Altkreis Strausberg stagniere oder gar leicht zurückgegangen sei. Noch lasse sich nicht voraussehen, wie der Sommer wird. Die vergangenen, trockenen Jahre hätten den Tieren zugesetzt. Wenn ein Paar bemerkt, dass es nicht alle Jungtiere durchbringt, kann es auch passieren, dass es selbst den Nachwuchs aus dem Nest wirft. „Dann lieber eins durchbringen, als vier sterben lassen“, erklärt Sebastian Kiesel die Strategie dahinter.