Frauen erobern im Ostbrandenburger Handwerk immer mehr klassische Männerberufe. „Elektrikerinnen, Lackiererinnen, Schornsteinfegerinnen oder Augenoptikerinnen sind inzwischen längst keine Seltenheit mehr“, sagt Michael Thieme, Sprecher der Handwerkskammer Frankfurt (Oder).
Handwerksarbeit, die mit schwerem körperlichen Einsatz verbunden ist, sei zwar kein Traumberuf für junge Mädchen. Digitalisierung, moderne Technik sowie Planung und Organisation erforderten jedoch vor allem auch Kopf und Verstand.
Meisterbetrieb Heizung und Sanitär in Altranft
„Wir Frauen fallen im Handwerk schon auf“, sagt Theresa Tauchert. Die Auszubildende zur Anlagenmechanikerin Sanitär, Heizung und Klimatechnik im dritten Lehrjahr fühlt sich auf Baustellen am wohlsten. „Der Beruf ist vielseitig, denn jede Heizungsanlage, die du baust, ist anders, und du schaffst etwas Bleibendes“, sagt die 21-Jährige. Vater Jens Tauchert, Inhaber des gleichnamigen Meisterbetriebes Heizung und Sanitär in Altranft (Märkisch-Oderland) schenkte der Tochter schon im Kita-Alter einen Blaumann. „Das war damals aber eher ein Gag. Die Latzhose hat sie dann nicht mehr ausgezogen“, erinnert sich der 55-Jährige schmunzelnd.
Später begleitete ihn die Tochter auf Baustellen, machte mit 14 Jahren bei ihm ein Praktikum und mehrere Ferienjobs. „Trotz des frühen Arbeitsbeginns um 4.30 Uhr und der schweren körperlichen Arbeit kam sie immer wieder“, erzählt der Chef von 50 Mitarbeitern und acht Lehrlingen.
Auf Baustelle nicht unterbuttern lassen
Der Ton auf den Baustellen sei rau, gibt die junge Frau zu. „Da musst du schon ein dickes Fell haben und dich nicht unterbuttern lassen“, sagt Theresa, die sich in ihrer Freizeit bei der Freiwilligen Feuerwehr engagiert. Dass sie sich Respekt zu verschaffen weiß, glaubt der Beobachter sofort.
Für Martin Wenzel, seit 15 Jahren Ausbilder im Betrieb von Theresas Vater, ist die junge Frau der erste weibliche Lehrling. „Mal abgesehen von den körperlichen Herausforderungen - die Geräte, mit denen wir hantieren, sind alles andere als leicht - gibt es keine Unterschiede zu männlichen Azubis“, sagt Wenzel. „Sie hat räumliches Vorstellungsvermögen, ist kreativ und lernfähiger als mancher Geselle.“ Theresa habe Lust auf den Beruf.
Azubis mit so einer Einstellung zu finden, sei nicht einfach, sagt Wenzel. Von allein bewerbe sich kaum jemand. „Da müssen wir schon gezielt in den Schulen Werbung machen.“ Von 2240 Lehrlingen im Handwerkskammerbezirk Frankfurt (Oder) sind nur 553 Frauen. Einige von ihnen lernen wie Theresa Berufe, die bis dato eher junge Männer wählten: Schornsteinfeger, Lackierer oder Maurer.
Werben für Handwerk auf Instagram
Frauen in klassischen Männerberufen seien nicht alltäglich, doch das weibliche Geschlecht sei im Handwerk auf dem Vormarsch, sagt Thereas Tauchert: „In meiner Berufsschulklasse sind wir immerhin drei Mädchen. Das gab es in den Vorjahren nie“, erzählt die junge Frau, die vor allem Social Media nutzt, um beim weiblichen Geschlecht Werbung für Handwerksberufe zu machen. Auf Instagram folgen ihr mehrere Tausend Interessierte.
„Viele Mädchen trauen sich einfach nicht, ihnen fehlt das Selbstbewusstsein, dass zu erlernen, was sie wirklich möchten“, hat Theresa beobachtet. „Dann werden sie lieber Friseurin oder Verkäuferin. Oder sie quälen sich durchs Abitur, weil Eltern wollen, dass sie studieren.“ Sie selbst warf als Schülerin auf dem Gymnasium kurz vor dem Abitur das Handtuch. „Langes Zuhören und Auswendiglernen liegt mir nicht. Und mit Mathe sowie Englisch hatte ich ein echtes Problem“, gibt Teichert zu. Studieren wollte sie nicht. „Ich ging aufs Gymnasium, weil alle meine Freude auch dort waren“, sagt sie. Die Tochter wolle Rohrleger werden und nichts anderes, informierte der Klassenlehrer schließlich Vater Tauchert.
Mit der Entscheidung, in seinem Betrieb von vorn anzufangen, sind Theresa und Jens Tauchert glücklich. In der Berufsschule steht die Tochter in ihren Problemfächern inzwischen bei Note 1. „Jetzt habe ich da den Bezug zur Praxis und es geht viel einfacher“, erklärt Theresa, die nach der erfolgreichen Ausbildung ihren Meister machen will. „Als Frau einen Meistertitel in diesem Beruf zu haben, ist schon cool“, sagt sie und denkt an die Beispielwirkung für andere junge Frauen. Um noch mehr von ihnen zu erreichen, hatte sich die 21-Jährige in diesem Jahr am deutschlandweiten Wettbewerb zur „Miss Handwerk“ beteiligt. Doch die Auszubildende war zu spät eingestiegen, ihr blieb nur wenig Zeit, um Stimmen zu sammeln.
Für die Handwerkskammer Frankfurt (Oder) war ihre Teilnahme dennoch ein Gewinn. „Theresa macht einen tollen PR-Job. Wir planen mit ihr einen separaten Instagram-Kanal als Werbung für Handwerksberufe in Ostbrandenburg“, sagt Kammersprecher Michael Thieme. Zudem sei die junge Frau „eine Galionsfigur“ für die Unternehmensnachfolge, die für viele Handwerkerchefs ein Problem sei. „Ich zwinge sie nicht, aber wenn sie will, kann sie die Firma weiterführen“, sagt Vater Tauchert.
Sollte Theresa ihre Prüfungen mit Bestnoten bestehen, will die Handwerkskammer sich mit ihr für die Begabtenförderung des Bundeswirtschaftsministeriums bewerben. „Da gibt es Bildungsgutscheine über 7 000 Euro, die Theresa für ihre Meisterschule nutzen kann„, erklärt Thieme.