Bis zu 230.000 Fahrzeuge passieren täglich das Dreieck Funkturm in Berlin. Der Verkehrsknotenpunkt, der in den 1960er-Jahren für viel weniger Verkehr gebaut wurde, ist damit völlig überlastet und zudem marode. So soll es in den kommenden Jahren bei laufendem Verkehr umgebaut werden.
Das wird eine Mammut-Aufgabe: Neben fast zwei Kilometern Stadtautobahn der Autobahn A115 und der A100 zuzüglich der erforderlichen Verbindungsrampen müssen rund 25 Brücken erneuert werden. „Wir stehen in den Startlöchern“, erklärt Projektleiter Peter Grüschow von der Deges (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) jüngst bei einem Vor-Ort-Termin mit Abgeordneten.
Das Planfeststellungsverfahren liegt seit Mitte des Jahres beim Fernstraßen-Bundesamt. Wenn alles gut läuft, könnten erste vorbereitende Maßnahmen 2023 erfolgen und 2024 dann mit dem Straßen- und Brückenneubau begonnen werden, Fertigstellung wäre dann frühestens 2032.
So soll das Autobahndreieck Funkturm in Berlin nach dem Umbau aussehen. Die Avus (Mitte) wird dabei auf das Gelände des heutigen Rasthofes verlegt, der geschlossen wird. Der Messedamm (ganz links) bekommt eine eigene neue Anschlusstelle.
So soll das Autobahndreieck Funkturm in Berlin nach dem Umbau aussehen. Die Avus (Mitte) wird dabei auf das Gelände des heutigen Rasthofes verlegt, der geschlossen wird. Der Messedamm (ganz links) bekommt eine eigene neue Anschlusstelle.
© Foto: DEGES
Für Autofahrer auch aus Brandenburg bedeutet das mindestens acht Jahre Baustelle. Parallel sollen in dieser Zeit zudem unter anderem die Rudolf-Wissel-Brücke neu gebaut und das Dreieck Charlottenburg saniert werden. Auch die Sanierung der A111 soll 2024 starten.

Zeitgleich mehrere Baustellen auf der Nord-Süd-Verbindung

Dass alles zeitlich zusammenfällt, ist kein Planungsfehler, sondern Absicht. „So sind wir schneller mit allem durch. Wenn wir alle hintereinander bauen, würden es für die Autofahrer 16 statt acht Jahre dauern“, erklärt Grüschow.
Zu Vollsperrungen werde es deshalb aber nicht kommen. „Unsere Maxime ist, auch während der Bauarbeiten die gleiche Anzahl an Fahrstreifen anzubieten“, erklärt der Projektleiter. So werde das Autobahndreieck von A100 und A115 auf das Gelände des heutigen Avus-Rastplatzes verlegt, der dann geschlossen wird. Während die neuen Fahrbahnen errichtet werden, kann der Verkehr noch das alte Teilstück passieren und später umgekehrt.
Ein ähnliches Procedere werde es an der Anschlussstelle Messedamm geben, die an die A115 südlich des S-Bahnhofs Messe Süd verlegt wird. Die Ausfahrt Kurfürstendamm werde von den Maßnahmen dagegen nicht betroffen sein.
Bei der Rudolf-Wissel-Brücke behilft man sich mit einem temporären Ersatzbau. Trotzdem werde es alleine aufgrund von Geschwindigkeitsbegrenzungen in den Baustellenbereichen zu „erheblichen Einschränkungen“ für Autofahrer kommen, kündigt Grüschow an.

Kilometerlange Staus wegen Überlastung

Doch schon jetzt geht es am Funkturm eher selten schnell voran. Fünf Brücken können schon jetzt nicht mehr vollständig befahren werden. Aufgrund der vielen kurzen Abfahrten und verwinkelten Zufahrten kommt es zudem häufig zu Auffahrunfällen und kilometerlangen Staus.
Mehr Fahrspuren soll es nach dem Umbau aber trotzdem nicht geben. „Weil wir das Kreuz mit seinen vielen Überführungsrampen und Brückenbauwerken entflechten, wird der Verkehr danach aber besser fließen“, versichert Grüschow.

Neues Stadtquartier für Wohnen und Arbeiten

Und auch das Umfeld soll sich in den kommenden Jahren mächtig wandeln. „Wir haben hier die Chance, 40 Hektar innerstädtisches Gelände zu entwickeln, mit viel Grün, Wohnungen und Gewerbe“, betont Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Denkbar wäre unter anderem ein autofreies Quartier mit einer hohen und dichten Wohnbebauung, das mit dem S-Bahnhof Grunewald im Südwesten und dem Bahnhof Charlottenburg im Nordosten gut angebunden sei.
„Stadteingang West“ heißt das Vorhaben, das in den kommenden Jahren mit der Beteiligung der Anrainer und Bürger entwickelt werden soll. Eine Idee ist, eine lange geträumte Wegeverbindung zwischen Charlottenburg und Grunewald zu schaffen.

Messe fürchtet um Lkw-Parkplätze

Ungeklärt ist unter anderem noch, wo es Ersatz für den heutigen Lkw-Avus-Rastplatz geben könnte. Die dortigen Parkplätze sind auch für die Messe Berlin von großer Bedeutung. „Für uns ist die Autobahn quasi die Aorta“, erklärt Jan Herzberg von der Messe Berlin GmbH. Damit die Laster vor Großveranstaltungen nicht sinnlos um die Messehallen und durch Wohngebiete kreisen, bekommen sie für die Lieferzeiten Zeitfenster zugewiesen. Um diese Taktung einzuhalten, brauche es eine Vorstaufläche von rund 20.000 Quadratmetern, erklärt Herzberg.
Stau auf dem Stadtring in Berlin. Das Dreieck Funkturm, gebaut in den 1960er-Jahren, gehört zu den am meist befahrenden Knotenpunkten in Europa.
Stau auf dem Stadtring in Berlin. Das Dreieck Funkturm, gebaut in den 1960er-Jahren, gehört zu den am meist befahrenden Knotenpunkten in Europa.
© Foto: Paul Zinken/dpa
Denkbar wäre zur Entlastung auch ein zweiter entsprechender Parkplatz vor den Toren der Stadt beispielsweise in Dreilinden, von dem aus die Lkw dann ebenfalls digital zur Messe beordert werden könnten. Während der jüngsten Fachmesse für Verkehrstechnik Innotrans im September habe man solch eine zweigeteilte Lösung mit einer zusätzlichen Vorstellfläche in Brück (Potsdam-Mittelmark) getestet. „Doch je länger der Weg, desto ungenauer wird es“, betont Herzberg.
Die Verkehrsführung des Autobahndreiecks Funkturm in Berlin-Charlottenburg, das den Berliner Stadtring (A 100) mit der A 115 (AVUS) zum Autobahndreieck Nuthetal verbindet, soll sich in den kommenden Jahren komplett verändern.
Die Verkehrsführung des Autobahndreiecks Funkturm in Berlin-Charlottenburg, das den Berliner Stadtring (A 100) mit der A 115 (AVUS) zum Autobahndreieck Nuthetal verbindet, soll sich in den kommenden Jahren komplett verändern.
© Foto: Maria Neuendorff
In der Berliner Verwaltung, die sich die Verkehrswende auf die Fahnen geschrieben hat, löst der Wunsch der Messe eher Bedenken statt Zustimmung aus. „Es kann nicht sein, dass wir nach dem Umbau des Stadteingangs West auf zwei Hektar einfach wieder 150 Lkw abstellen“, sagt Michael Künzel, zuständiger Referatsleiter in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Für ihn ist die innerstädtische Fläche dafür viel zu wertvoll. Für den nötigen Logistikpunkt könnte sich Künzel aber eine zweistöckige Lösung vorstellen.
Was genau wo sinnvoll ist, soll in den kommenden Jahren in einem „Wettbewerblichen Dialog“ gemeinsam mit Anrainern und Bürgern erarbeitet werden. Das Vergabeverfahren dafür ist im Juni dieses Jahres gestartet, ein endgültiger Masterplan 2024 wird erstellt werden.
Weitere Informationen und aktuelle Termine dazu finden sich unter www.stadtentwicklung.berlin.de