Es ist ebenjener verordnete Müßiggang, der den Touristikern in dieser Saison landauf, landab zu schaffen macht. Die Branche ist von der Corona-Krise so hart betroffen wie kaum eine andere. Immerhin ist die Gastronomie inzwischen wieder angelaufen, dürfen Restaurants wieder Gäste bedienen – doch nur unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln und mit eingeschränkten Öffnungszeiten. Entsprechend verhalten läuft das Geschäft an – und entsprechend groß ist die Hoffnung auf den Neustart von Brandenburgs Hotellerie. Der steht nun kurz bevor. Doch das Bangen um den Fortgang der Saison ist damit nicht zu Ende. Wenn jetzt die Touristen weiter ausbleiben, droht sie zum Totalausfall zu werden.

Spreewald ist Brandenburgs zweitbeliebteste Reiseregion

Gerade mal ein Kahn mit vier Personen ist in den ersten beiden Stunden seit Öffnung des Spreehafens auf Tour über die Fließe im Unesco-Biosphärenreservat gegangen. Nur sechs von 20 festangestellten Fährleuten sind im Einsatz. "Normalerweise hätten wir jetzt schon acht volle Kähne, locker 100 Gäste", sagt Thomas Petsching, stellvertretender Hafenmeister, resigniert. "Die Mai-Samstage sind neben den September-Samstagen eigentlich die umsatzstärksten."
Der Spreewald steht bei Brandenburgs beliebtesten Reiseregionen gleich hinter dem Seenland Oder-Spree auf Platz 2. Noch in der vergangenen Saison konnte er mit zwei Millionen Übernachtungen landesweit den höchsten Zuwachs verbuchen – ganze 6,4 Prozent plus.
Überhaupt sah es im Vorjahr noch so rosig aus. Die märkischen Touristiker hatten mit fast 14 Millionen Gästeübernachtungen einen Rekord erzielt. Die Branche reagierte mit zahlreichen Investitionen. So soll in der tropischen Urlaubswelt Tropical Island in Krausnick (Dahme-Spreewald) im Sommer eine weitere Ferienhausanlage mit 135 Häusern eröffnen. Das Landgut Stober in Groß Behnitz (Havelland) vergrößert seine Kapazitäten auf 300 Zimmer. In Cottbus eröffnete ein neues Hotel. Doch aus den für dieses Jahr angepeilten 15 Millionen Übernachtungen wird vermutlich nichts.

Theoretisch wäre jetzt Vollsaison

Eine größere Investition in Form von verschiedenen Umbauten hatte auch der Spreehafen Burg geplant. Eigentlich sollte es im zeitigen Frühjahr losgehen. Nun ist der Baustart im Herbst angepeilt. Seit dem 17. März waren auch die Fährstellen im Spreewald vom Lockdown betroffen. Neustart war am 9. Mai. Dazwischen lagen viele schöne Sonnentage und Ostern, dann startet eigentlich die Saison. "Wir wurden aus dem vollen Lauf gerissen. Das ist schon traurig.
Theoretisch wären wir jetzt schon in der Vollsaison", sagt Petsching. Praktisch ist es im Spreewald aber so ruhig wie sonst nur in den Wintermonaten, wenn die Gäste am Spreehafen eingekuschelt in warme Decken zu Kamin-Fahrten mit Glühwein starten. Einzig sonntags, an dem Tag, der klassischerweise den Einheimischen gehört, kehrt in diesen Wochen ein bisschen Normalität ein. Aber noch fehlen die Gäste von außen.
Buchungen – etwa für Gruppen-Kahnfahrten – fänden derzeit nur verhalten statt, erklärt Vize-Hafenmeister Petsching. Mehr noch: Viele Gäste haben ihre geplanten Ausflüge storniert. Dabei sind auch die neben dem Spreehafen unter der Dachmarke "Spreewald Resort" fungierenden Schwesterangebote – die Pension "Zum Schlangenkönig" und der "Ferienhof Spreewaldromantik" inklusive Restaurants, Wellness und Fahrradverleih – inzwischen wieder verfügbar. Doch bei Weitem nicht so gefragt wie sonst üblich.

Sicherheitsabstände und Hygienevorschriften im Kahn

Aber gewappnet, wie Petsching berichtet. Man folge den Handlungsempfehlungen des Tourismusverbands Spreewald, die eigens für Gastgeber und Gewerbetreibende während der Corona-Pandemie entwickelt wurden. Darin enthalten sind allerlei Tipps, die helfen sollen, die Gefahr einer Ansteckung mit dem neuartigen Virus für Gäste so gering wie möglich zu halten – von Abstandsmarkierungen über mit Plexiglasscheiben versehene Verkaufsstände bis hin zur Möglichkeit, sich an allen möglichen Stellen die Hände zu desinfizieren.
Auch auf dem Kahn selbst müssen Sicherheitsabstände und Hygienevorschriften beachtet werden. Und so bleiben zwischen den Gästen einzelne Bänke unbesetzt. Desinfektionsmittel stehen bereit und die Fährmänner tragen Masken beim Ein- und Ausstieg. "Wir nehmen die vom Land ausgerufenen Regeln sehr ernst – nicht zuletzt zum Schutz unserer Gäste", versichert Petsching. Aber auch zum Schutz der 40 festen Mitarbeiter  und noch mal 20 freien in den Stoßzeiten. "Das Schlimmste, was jetzt noch passieren kann, ist eine zweite Welle. Jeder soll gesund bleiben. Deshalb ist es wichtig, sich an die Auflagen zu halten."
Den Mai schreibt Petsching schon mal ab. Womöglich wendet sich das Blatt ja zu Pfingsten. "Wir warten ab. Wir sind jedenfalls bereit und denken, auch absolut gut vorbereitet." Der Vize-Hafenmeister bleibt optimistisch, trotz der zwei verlorenen Monate. "Ich freue mich auf die kommende Zeit mit hoffentlich vielen Gästen."

Übernachtungszahlen sind deutschlandweit dramatisch eingebrochen

Die Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie haben das Geschäft von Hotels, Pensionen und anderen Unterkünften ab Mitte März praktisch zum Erliegen gebracht. Die Übernachtungszahlen in Deutschland brachen im Gesamtmonat im Vergleich zum Vorjahresmonat um 53 Prozent auf 15,6 Millionen ein, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Es war den Angaben zufolge der mit Abstand stärkste Rückgang seit Beginn der Zeitreihe 1992.
Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga rechnet trotz inzwischen beschlossener Lockerungen mit weiteren Umsatzverlusten. "Wir gehen davon aus, dass aufgrund der besonderen Auflagen und Beschränkungen die ersten Monate mit Umsatzeinbußen verbunden sind", sagte die Dehoga-Hauptgeschäftsführerin, Ingrid Hartges, jüngst den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Demnach werde es noch einige Zeit dauern, bis Hotels und Restaurants kostendeckende Umsätze erwirtschaften. Der Verband fordert einen Rettungsschirm für die Gastronomie und Hotellerie.
Die Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland verringerten sich im März um 67 Prozent auf 2,0 Millionen. Bei Reisenden aus dem Inland gab es ein Minus von 50 Prozent auf 13,6 Millionen. In den ersten beiden Monaten 2020 waren die Übernachtungszahlen noch gestiegen. Für das erste Quartal ergab sich ein Minus von 17 Prozent auf insgesamt 72,4 Millionen Übernachtungen. Im vergangenen Jahr hatte der Inlandstourismus noch den zehnten Übernachtungsrekord in Folge verzeichnet. dpa