Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zum offiziellen Auftakt seines Deutschlandbesuchs in Berlin empfangen. Selenskyj traf am Sonntagmorgen in einem Autokonvoi am Schloss Bellevue ein, dem Amtssitz des deutschen Staatsoberhauptes.
Nach dem Eintrag Selenskyjs ins Gästebuch war ein Gespräch des Bundespräsidenten mit dem ukrainischen Gast geplant. Auf beiden Seiten sollten je vier Berater dabei sein, hieß es.

Treffen mit Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine die weitere Unterstützung Deutschlands zugesichert. „Wir unterstützen Euch so lange, wie es nötig sein wird“, sagte der SPD-Politiker am Sonntag bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Kanzleramt in Berlin. Bisher sei Hilfe im Wert von 17 Milliarden Euro geleistet worden.
Seit 444 Tagen laufe der der erbarmungslose russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, sagte Scholz. Der schreckliche Krieg habe erhebliche geopolitische Konsequenzen, betreffe aber vor allem die Menschen in der Ukraine. Deutschland stehe auch in voller Solidarität zu den geflüchteten Menschen. Scholz: „Diese Solidarität, sie ist anhaltend und sie ist stark.“
Am Sonntagnachmittag sollen Selenskyj und das ukrainische Volk in Aachen mit dem Karlspreis für Verdienste um die Einheit Europas geehrt werden. Scholz wird die Laudatio halten. Als weitere Redner sind EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dabei. Es wurde erwartet, dass der Kanzler und Selenskyj gemeinsam von Berlin nach Aachen fliegen.
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Frankfurt (Oder)

Steinmeier in Kiew

Steinmeier hatte Selenskyj Ende Oktober in der ukrainischen Hauptstadt Kiew besucht. Das Verhältnis zwischen beiden war zunächst nicht einfach - der Besuch des deutschen Staatsoberhaupts in der Ukraine hatte erst im dritten Anlauf geklappt. Kurz zuvor musste damals ein Besuchstermin aus Sicherheitsgründen kurzfristig verschoben werden. Im April 2022 hatte Steinmeier eine gemeinsame Reise mit den Staatspräsidenten aus Polen, Lettland, Litauen und Estland in letzter Minute absagen müssen. Kiew hatte Steinmeier damals signalisiert, dass er nicht willkommen sei.
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Dem früheren SPD-Außenminister Steinmeier wurde in der Ukraine seine russlandfreundliche Politik angekreidet. Er habe osteuropäische Warnungen vor einer Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen überhört. Die Ausladung wurde in Berlin als Affront gewertet. Erst ein Telefongespräch der Präsidenten Anfang Mai 2022 entspannte die Lage wieder.

Scholz bei Kampfjets zurückhaltend

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei seinem Besuch in Berlin Deutschland für die Hilfe im Abwehrkampf gegen den russischen Angriff gedankt. Zugleich bat er um Unterstützung bei der Lieferung moderner Kampfjets. Die Ukraine arbeite in europäischen Hauptstädten daran, „eine Kampfjet-Koalition zu schaffen“, sagte Selenskyj am Sonntag bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt in Berlin. Er werde sich auch an die deutsche Seite wenden mit der Bitte, die Ukraine in dieser Koalition zu unterstützen. Russland habe ein Übergewicht im Luftraum. Dies wolle man ändern.
Scholz äußerte sich dazu zurückhaltend. Deutschland habe der Ukraine sehr viel geliefert. „Gerade was die Luftverteidigung betrifft, sind das sehr moderne Waffen mit dem Patriot-System, mit Iris-T, was wir zur Verfügung stellen, was auch sehr wirksam ist.“ Deutschland konzentriere sich auf die Unterstützung der Ukraine bei ihrem Verteidigungskampf. Nach den USA sei die Bundesrepublik zweitgrößter Unterstützer der Ukraine. „Wir werden das auch weiter bleiben.“
Selenskyj: Greifen russisches Territorium nicht an
Selenskyj trat Befürchtungen entgegen, seine Streitkräfte könnten mit moderneren westlichen Waffen auch russisches Staatsgebiet angreifen. „Wir greifen das russische Territorium nicht an. Wir befreien unser gesetzmäßiges Gebiet“, sagte er. „Wir haben dafür keine Zeit, keine Kräfte und keine überzähligen Waffen dafür.“ Man habe sich gemäß internationalem Recht bei der Vorbereitung der Gegenoffensivaktionen ausschließlich auf die Befreiung „unseres von der ganzen Welt anerkannten Territoriums“ konzentriert.
„Wir wollen alle, dass dieser Krieg bald endet, aber er muss mit einem gerechten Frieden enden“, betonte Selenskyj und ergänzte: „Bereits in diesem Jahr können wir die Niederlage des Aggressors unumkehrbar machen.“ Grundlage für einen möglichen Frieden müsse die ukrainische Formel sein. Kiew sei aber „daran interessiert, dass so viel wie möglich Staaten am ersten Gipfel dieser Friedensformel teilnehmen“. Man arbeite derzeit an dessen Organisation.

Selenskyj mit Spenden-Werbung

Es ist inzwischen ein vertrautes Bild: Bei seinen Besuchen im Ausland steht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im militärisch anmutenden Outfit neben Staatsoberhäuptern und Regierungschefs, die wie üblich in Hemd und dunklem Anzug gekleidet sind. So war es auch am Sonntag beim Besuch Selenskyjs bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz. Der 45-Jährige trug in Berlin ein schwarzes Sweatshirt und olivgrüne Cargopants.
Ukrainischer Präsident Selenskyj spricht per Video mit Studenten der Europa-Uni
Viadrina Frankfurt (Oder)
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Frankfurt (Oder)
Auf Selenskyjs Pullover war neben einer ukrainischen Fahne die Aufschrift „United24“ gedruckt - das ist der Name einer Internet- Spendenplattform, die Kiew Anfang Mai 2022 ins Leben gerufen hatte. Die Plattform hat bis Sonntag mehr als 337 Millionen Dollar (311 Millionen Euro) an Spenden gesammelt - aus mehr als 100 Ländern. Damit wurden nach jüngsten offiziellen Angaben unter anderem der Aufbau der Flotte von Marinedrohnen sowie alle Projekte im Zusammenhang mit Drohnen für die Front unterstützt. Neben dem militärischen Bereich werden die Mittel inzwischen auch im medizinischen Sektor verwendet.

Selenskyj-Besuch startet unter großer Geheimhaltung

Der ukrainische Präsident war am frühen Vormittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu seinem ersten Besuch in Deutschland seit Beginn des russischen Angriffs im Februar 2022 begrüßt worden. Er war aus Rom angereist, wo er unter anderen Papst Franziskus getroffen hatte.
In Deutschland war Selenskyj zuletzt wenige Tage vor Kriegsbeginn bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Die ersten zehn Monate nach der Invasion hatte er das Land gar nicht mehr verlassen. Das änderte er Ende 2022. Inzwischen war der ukrainische Präsident schon in Washington, Warschau, Paris, London, Brüssel, Helsinki und Den Haag.
Nach Kriegsbeginn hatte Selenskyj der Bundesregierung Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen in die Ukraine vorgeworfen. Spätestens seit der Zusage von Leopard-2-Kampfpanzern hat sich das aber gelegt. Deutschland gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine - sowohl militärisch als auch finanziell. Seit Kriegsbeginn genehmigte die Bundesregierung Waffenlieferungen im Wert von 2,75 Milliarden Euro.