Die Krankheitstage von Arbeitnehmern wegen psychischer Erkrankungen ist in den vergangenen Jahren in der Region Berlin-Brandenburg deutlich angestiegen. Das geht aus einem am Dienstag vorgestellten Gesundheitsbericht hervor, für den die Daten von 82 Prozent aller sozialversichert Beschäftigen in beiden Ländern ausgewertet wurden.
Es ist die erste Analyse, die die direkten und indirekten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Gesundheit der Beschäftigten beleuchtet. Covid selbst spielte 2021 als Grund, sich krankschreiben zu lassen, allerdings eine erstaunlich seltene Rolle. Die noch neuartige Virus-Erkrankung wurde gerade einmal bei 1,4 Prozent der Brandenburger und bei 1,1 Prozent der Berliner Krankschreibungen als Ursache aufgeführt.

Brandenburger und Berliner ließen sich seltener krankschreiben

Allerdings sei zu beachten, dass die Diagnose Covid-19 erst im Erfassungszeitraum des Berichts eingeführt wurde und vermutlich nicht alle Corona-Fälle als solche ermittelt wurden, heißt es in dem Bericht.
Überhaupt ging die Zahl der Krankmeldungen in beiden Ländern 2021 zurück. Der Krankenstand, also der Anteil der durchschnittlich pro Kalendertag arbeitsunfähigen Erwerbstätigen, sank in Brandenburg von 6,5 Prozent (2020) auf 6,3 Prozent. In Berlin ging er von knapp 5 Prozent auf 4,6 zurück.
So gab es weniger Fehltage wegen Erkältungen als sonst. „Das lag sicher auch daran, dass wir Maske getragen haben, und an den sonstigen Verordnungen und Hygienevorschriften in der Corona-Pandemie“, glaubt Dirk Rothenpieler, zuständiger Abteilungsleiter in der Senatsgesundheitsverwaltung in Berlin.
Allerdings lagen auch viele Branchen brach, so dass ärztliche Atteste für den Arbeitgeber gar nicht nötig waren. So konnten zum Beispiel Angestellte im Hotel- und Gaststättengewerbe in Berlin und Brandenburg wegen der Lockdowns teilweise monatelang nicht arbeiten.

Psychische Erkrankungen rücken in Berlin auf Platz 1

In der Gesundheits- und Pflegebranche, aber auch in der Baubranche dagegen waren die Krankmeldungen in beiden Jahren höher als zum Beispiel im IT- und Kommunikations-Bereich. „Das waren die, die nicht im Homeoffice arbeiten konnten“, erklärt Kai Bindseil, Clustermanager der Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg, die den Bericht für die Länder und Kassen erstellt hat.
Dafür nahmen die psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen in beiden Bundesländern zu und führen in Berlin erstmalig die Statistik an. 21,7 Prozent der Fehltage gingen in der Hauptstadt auf diese Diagnose zurück. In diese Rubrik gehören zum Beispiel Depressionen, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen.

22 Tage krank wegen Rückenleiden

In Brandenburg liegen allerdings die Muskel-Skelett-Erkrankungen noch vor den psychischen Erkrankungen auf dem ersten Platz. So führten zum Beispiel Rückenschmerzen und Schäden an der Bandscheibe dazu, dass die Brandenburger sich 2021 durchschnittlich 22,4 Tage arbeitsunfähig meldeten. Muskel-Skelett-Erkrankungen machten im Flächenland 18,9 Prozent aller Krankschreibungen aus. In Berlin waren es 17 Prozent.
Aus dem Bericht geht auch hervor, dass in den ersten beiden Pandemiejahren die Häufigkeit von Krankschreibungen zwar abnahm, sich die Krankheitsdauer allerdings erhöhte. So verursachten Krankmeldungen mit einer Dauer von über sechs Wochen etwa die Hälfte aller Fehltage in der Region.
Auffällig, aber auf den zweiten Blick nicht verwunderlich, ist auch die Zunahme von Berufskrankheiten in der Corona-Zeit. So waren beispielsweise in Brandenburg unter den insgesamt 4869 anerkannten Erkrankungen im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit 4388 Covid-19-Fälle.
„Der rasante Anstieg in diesem Bereich sorgt bei uns natürlich für besondere Unruhe“, sagte Michael Ranft, Staatssekretär im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz, in Potsdam. Gerade für die Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie der Pflege seien die Arbeitsbedingungen nicht nur während der Pandemie besonders belastend gewesen.

Krank durch Homeoffice?

Um diese zu verbessern, bräuchte man Reformen, so Ranft. Unter anderem gehörten Arbeits- und betrieblicher Infektionsschutz zusammen. „Ein gesundes Arbeitsklima wird in Zeiten des Fachkräftemangels in vielen Firmen zum Wettbewerbsvorteil.“
Das sieht auch Susanne Hertzer, Leiterin der Techniker Krankenkasse in Berlin/Brandenburg, so. Aus ihrer Sicht sollten Arbeitgeber unter anderem darauf achten, dass ihre Mitarbeiter auch im Homeoffice ergonomische Arbeitsplätze haben. „Das ist eine Investition in die Zukunft und zahlt sich langfristig aus“.
Hertzer deutet die neuen Zahlen unter anderem auch so, dass durch die Möglichkeit des mobilen Arbeitens viele Berufstätige krank von zu Hause weitergearbeitet haben, anstatt sich vom Arzt ein Attest zu holen. Das wiederum sei nicht gesund. „Es ist die Dauer der Krankschreibungen, die uns aufhorchen lässt.“
Arbeitgeber sollten nach Meinung der TK-Chefin generell darauf achten, dass auch beim mobilen Arbeiten eine klare Trennung von Beruf und Freizeit möglich ist. „Dazu sollte man nicht nur Regeln einführen, sondern diese auch klar kommunizieren.“ Denn fließende Grenzen wiederum begünstigten psychische Erkrankungen. Aber auch die Vereinsamung im Homeoffice sei nicht zu unterschätzen, warnt Hertzer.
Sie appellierte nicht nur an die Gesundheitskompetenz der Führungskräfte, sondern auch an die der Arbeitgeber: „Wenn man sich krank fühlt und Fieber hat, gehört man auch im Homeoffice nicht an den Arbeitsplatz.“
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