Das Bundesverwaltungsgericht hat die Treuhandverwaltung zweier deutscher Tochterfirmen des russischen Ölkonzerns Rosneft bestätigt. Die Anordnung durch das Bundeswirtschaftsministerium sei rechtmäßig gewesen, entschied das Gericht in Leipzig am Dienstag. Der Bund hatte im vorigen September mit der Treuhandverwaltung faktisch die Kontrolle über Rosneft Deutschland und RN Refining & Marketing übernommen. (Az. BVerwG 8 A 2.22) Die Unternehmen sind Mehrheitseigner der wichtigen PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt.
Rosneft hatte gegen die Treuhandverwaltung geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte vier Tage mündlich verhandelt und dabei ausgiebig Zeugen zur Situation bei den deutschen Rosneft-Töchtern im vorigen Jahr befragt. Der Bund hatte die Treuhandverwaltung mit einer drohenden Gefahr für die Versorgungssicherheit in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine begründet.
Rosneft bemängelte in seiner Klage unter anderem, vor der Anordnung nicht von der Bundesregierung angehört worden zu sein. Laut Gericht sei die Bundesregierung wegen Gefahr im Verzug nicht dazu verpflichtet gewesen, da es Hinweise auf einen drohenden Kapitalabzug aus Deutschland gegeben habe.
So lautet die Begründung des Gerichtes
Nach Darstellung des Bundeswirtschaftsministeriums hatten die deutschen Tochterfirmen vor dem Hintergrund der Russland-Sanktionen im vorigen Sommer erhebliche Probleme. Banken und Versicherungen hätten die Zusammenarbeit aufgekündigt oder dies angedroht. Der russische Mutterkonzern habe Liquidität abziehen wollen. Zudem hätten die deutschen Firmen kein Interesse gezeigt, Alternativen zum russischen Öl aus der Druschba-Leitung zu suchen, das bei PCK in Schwedt verarbeitet wurde. Zwei ehemalige Rosneft-Geschäftsführer hatten diese Schwierigkeiten in der Verhandlung weitgehend bestritten.
Das Gericht sah die Prognose bezüglich des Lieferstopps aufgrund der Umstände für gerechtfertigt und hielt auch die weiteren Begründungen für die Anordnung für hinreichend erfüllt.
„Wenn ein Industrieunternehmen in einer Krisensituation entweder dem eigenen betriebswirtschaftlichen Interesse Vorrang vor Versicherungssicherheit gibt oder aus anderen Gründen nicht mehr dazu beitragen kann, dann darf der Staat eingreifen, soweit das notwendig ist, um Versorgungssicherheit herzustellen“, sagte die Vorsitzende Richterin Ulla Held-Daab bei der Urteilsverkündung. Der Staat sei schließlich dazu verpflichtet, „die Grundrechte aller Bürger zu schützen“.
Das Ministerium sei vor seiner Entscheidung auch nicht zu einer Anhörung verpflichtet gewesen, erklärte das Gericht, denn es sei Gefahr im Verzug gewesen. Es habe Hinweise auf einen möglichen Entzug von Kapital oder auf eine Unterbrechung der Öllieferungen aus Russland gegeben. Banken und Versicherungen hätten außerdem die Zusammenarbeit mit den Rosneft-Töchtern beenden wollen, auch unabhängig von Sanktionen. Eine Treuhandverwaltung könne angeordnet werden, wenn die konkrete Gefahr bestehe, dass ein Unternehmen seine Aufgabe im Energiesektor nicht erfüllen könne.
Treuhandlösung wird um sechs Monate verlängert
Mit der rechtlichen Konstruktion der staatlichen Treuhandverwaltung einer privatwirtschaftlichen Firma mit ausländischem Eigentümer hatte der Bund juristisches Neuland betreten. Die Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur sollte am 15. März auslaufen. Unmittelbar Bekanntwerden des Urteils kündigte das Bundeswirtschaftsministerium eine Verlängerung der Treuhandlösung um sechs Monate an. Wahrscheinlich wird die Anordnung noch heute beim Bundesanzeiger eingehen, sagte eine Sprecherin des BMWK im Anschluss an die Urteilsverkündung.
Was macht Rosneft jetzt?
Eine Gerichtssprecherin wies darauf hin, dass Rosneft gegen die Verlängerung der Anordnung theoretisch erneut klagen könnte. Die zurückliegende Verhandlung bezog sich lediglich auf die Umstände der ersten Entscheidung.
Gegen das Urteil könnte Rosneft theoretisch Verfassungsbeschwerde einlegen, allerdings war die deutsche Tochter aus dem Verfahren ausgestiegen, sodass nur der russische Mutterkonzern als Klägerin auftrat. So wäre dieser Schritt wahrscheinlich nicht möglich.
Görke fordert: Bund muss jetzt bei der PCK einsteigen
Gleich nach dem Urteil meldete sich der Brandenburger Bundestagsabgeordnete der Linken, Christian Görke zu Wort. Er erklärte in Hinblick darauf, dass die Klage überhaupt zugelassen wurde: „Mit dem Urteil ist die Bundesregierung nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen. Die Schelte des Bundesverwaltungsgerichts zum Agieren der Bundesregierung war mit Ansage.“ Das Verfahren habe gezeigt, dass die halbgare Treuhandlösung auf tönernen Füßen steht und überwunden werden muss. Görke forderte, dass der Bund, ähnlich wie bei Uniper, bei der PCK GmbH einsteigen müsse. Nur so könnten die Arbeitsplätze in Schwedt gesichert werden.
Der Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmerverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) Sven Weickert erklärte: „Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schafft dringend notwendige Klarheit.“ Die Raffinerie in Schwedt gehöre zur kritischen Infrastruktur der Region. Die Unternehmen in Berlin und Brandenburg und der Flughafen BER seien auf die zuverlässige Versorgung mit Mineralölprodukten angewiesen. Zweifel an den Lieferketten würden umgehend zu wirtschaftlichen Schäden führen. Weickert ging auch auf die Beschäftigten in Schwedt und Umgebung ein. Sie müssten wissen, wie es mit ihrem Arbeitgeber weitergehe. Jetzt müsse rasch die neue Eigentümerstruktur geklärt werden. Eine Hängepartie wäre nicht verkraftbar, auch angesichts der mittelfristigen Investitions- und Umrüstungspläne für die Raffinerie in Richtung Wasserstoff, so Weickert.
PCK-Mitarbeiter sorgt sich um Zukunft der Belegschaft
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen forderte eine zweite Leitung für die Belieferung von Rostock nach Schwedt. „Die Mittel müssen zeitnah für den Bau dieser zweiten Pipeline, die zukünftig auch für Wasserstoffimporte genutzt werden kann, zwischen dem Hafen in Rostock und der Raffinerie in Schwedt zur Verfügung gestellt werden.“ Beim Tempo für Bau und Genehmigung müsse man sich an der LNG-Infrastruktur orientieren und ebenfalls auf Ausnahmemöglichkeiten von EU-Vorgaben zurückgreifen. Da es sich ebenfalls um Einzel-vorhaben handele, sei dies unproblematisch begründbar und realisierbar.“
Jörg Hausburg ist im PCK Schwedt beschäftigt und hat die intensiven Verhandlungstage vor Ort mitverfolgt. Er sah die Anordnung zur Treuhandverwaltung von Anfang an kritisch. Das Urteil ist für ihn ein „Schlag in die Magengrube.“ Die aktuelle Auslastung der Raffinerie sei nicht wirtschaftlich. Er sorgt sich, dass dies auf lange Sicht zu Einbußen bei den Arbeitskräften führe. Es gebe zwar eine Beschäftigungsgarantie für zwei Jahre, doch er hat Zweifel, dass die Raffinerie und insbesondere die Pipeline aus Rostock bis dahin entsprechend aufgerüstet und umgestellt ist, um wieder wirtschaftlich zu funktionieren. Er hält russisches Öl aktuell für kaum verzichtbar. „Oder ein anderes zusätzlich Rohöl, das über die Pipeline geliefert wird wie beispielsweise aus Kasachstan.“
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