Der Schöpfer der Plastik, Bildhauer Horst Engelhardt, verstarb vor sechs Jahren. Und auch die Schiffbau GmbH im nahen Oderberg, in der die Figur 2009 aus dänischem Schiffsstahl gefertigt wurde, ist leider inzwischen Geschichte. Derjenige jedoch, der die Inspiration für das Denkmal gab, kommt immer noch gern hierher. Und freut sich, wenn er Vorbeikommenden etwas über den Odergott berichten kann.

Die Quelle liegt in Tschechien

Fragt man Ernst-Otto Denk, woher seine innige Beziehung zur Oder stammt, blickt der frühere Augenarzt in die Geschichte seiner Familie zurück. "Mein Vater Adolf Denk wurde 1920 in Odrau geboren." Die kleine Stadt, die seit 1945 Odry heißt und im mährischen Teil Tschechiens liegt, verdankt ihren Namen der Tatsache, dass hier die Oder entspringt.
Ernst-Otto Denk kam zwar erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Bad Freienwalde zur Welt. "Doch meine Großmutter Julie, die 1945 zusammen mit ihrer Familie ihre Heimat verlassen musste, hat mir immer Geschichten von Odernixen und Wassergeistern erzählt." Auch sein Vater habe ihm den Auftrag erteilt: "Junge, kümmere dich um die Oder!" Und da Bad Freienwalde an der Alten Oder liegt, die bis zur Trockenlegung des Oderbruchs durch den Preußenkönig Friedrich II. den Hauptstrom des Flusses bildete, war dieser Auftrag auch irgendwie naheliegend.
Schon bald stieß der Mediziner, dessen zweite große Leidenschaft die Geschichte ist, auf den Widerspruch, dass es zwar zahlreiche Belege für einen Odergott namens Viadrus gibt, dieser aber im allgemeinen Bewusstsein nicht so existent ist, wie etwa die Götter des Rheins (Rhenus Pater/Vater Rhein) oder der Donau (Danuvius).
Das Problem ist: Im Falle der Oder lässt sich ihr antiker Name nicht 100-prozentig belegen. Der griechische Mathematiker Claudius Ptolemäus, der im ersten Jahrhundert nach Christus im ägyptischen Alexandria lebte, hat zwar in seine Karte der germanischen Gebiete (Germania magna) einen Viadrus  Fluvius eingezeichnet. Bis heute streiten Experten jedoch, ob er damit tatsächlich die über 800 Kilometer lange Oder, oder die wesentlich kleinere Wieprza (deutsch: Wipper) meinte, die bei Darłówko (Rügenwaldermünde) in die Ostsee fließt.
Freilich hätte sich dann auch Jodocus Willich geirrt, der vor 500 Jahren als einer der bekanntesten Professoren an der damals gerade gegründeten Universität in Frankfurt (Oder) wirkte. Der Universalgelehrte führte nämlich die Bezeichnung "Viadrus" für die Oder in die Wissenschaft ein, was auch die Bezeichnung der Universität als "Alma mater viadrina" ("die an der Oder gelegene Universität") zur Folge hatte.
Den "Irrtum" – wenn es denn tatsächlich einer war – nahm auch die 1991 neu gründete Frankfurter Hochschule in ihren Namen "Europa Universität Viadrina" gern auf, zumal er dadurch recht vornehm klingt. Auch das städtische Museum in Frankfurt (Oder) nennt sich Museum Viadrina und die von brandenburgischen und polnischen Landkreisen gegründete Euroregion "Pro Europa Viadrina" ebenso.
Nur in seinem Heimatort Bad Freienwalde stieß Ernst-Otto Denk bei seinem Bemühen, Viadrus auch zu einer Marke – etwa für den Kulturtourismus oder für die Bewerbung des Oderbruchs um das Europäische Kulturerbe-Siegel zu machen – bisher auf wenig Begeisterung. Im Gegenteil: Das jährliche Heimatbuch "Viadrus für Bad Freienwalde und Umgebung et Terra Transoderana", das zeitgleich mit der Errichtung des Odergott-Denkmals erntstand, erhält seit 2015 keine Unterstützung mehr von der Stadt und dem Landkreis Märkisch-Oderland.

Zeugnisse in Stettin und Breslau

Unbeeindruckt davon erfüllt Ernst-Otto Denk den Auftrag seines Vaters weiter. Er verweist auf künstlerische Darstellungen des Odergottes, die man sowohl am Berliner Stadttor in Stettin findet, das im 18. Jahrhundert errichtet wurde, wie auch in der Aula Leopoldina in Breslau, wohin die historische Frankfurter Viadrina-Universität 1811 umziehen musste. Von der Uni Breslau wurde Denk auch zu einem Vortrag über Viadrus eingeladen.
Der 73-Jährige lässt nicht locker: Als er kürzlich in unserer Zeitung las, dass die Bahnstrecke  Berlin-Stettin endlich wieder durchgängig zweispurig werden soll, kam Denk eine neue Idee: "Man könnte diese Bahnstrecke Viadrus-Linie nennen – schließlich verbindet sie Deutsche und Polen genau wie die Oder".

Flussgötter

Flussgottheiten werden in vielen Kulturen seit Jahrtausenden verehrt. Sehr bekannt sind etwa die indische Ganga, der griechische Acheloos, der römische Tiberinus und in Mitteleuropa der Rhenus (für den Rhein) oder der Danuvius (Donaugott). In manchen Fällen handelt es sich auch um rein mythische Flussgottheiten wie etwa die iranische Anahita oder die griechische Styx.Die Flussgötter der griechischen Mythologie sind Söhne des Okeanos (eines die bewohnte Welt umfließenden gewaltigen Stroms) und der Tethys (Göttin der Frischwasserquellen) – die sie gemeinsam zeugten. Die Alamannen brachten dem Fluss Po in Italien Menschenopfer dar, als sie ihn im Jahre 553 überschritten. ds