Nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) könnte das von der EU-Kommission geplante Embargo für russisches Öl in Ostdeutschland und im Großraum Berlin zeitweise zu einer Benzinknappheit führen. „Es ist nicht auszuschließen, das muss ich leider sagen, dass es tatsächlich zu Knappheiten kommt“, sagte Habeck am Mittwochabend in der Sendung „RTL Direkt“.
Die russischen Öllieferungen in die Europäische Union sollen nach den Plänen der EU-Kommission Anfang nächsten Jahres weitestgehend eingestellt sein. Die Europäische Union will russische Rohöllieferungen nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen innerhalb von sechs Monaten und den Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende des Jahres auslaufen lassen.

Bundesregierung will Standort in Schwedt erhalten

Nach Zusicherungen der Bundesregierung für einen Erhalt der Raffinerie hat sich die Bürgermeisterin der Stadt, Annekathrin Hoppe (parteilos), erleichtert gezeigt. „Ich habe das Gefühl, dass es jetzt in die richtige Richtung geht. Wir setzen unsere ganze Hoffnung auf das Versprechen des Bundeskanzlers und des Bundeswirtschaftsministers“, sagte sie am Donnerstag.
„Die klare Aussage der Bundesregierung ist, dass der Standort erhalten bleiben soll, dass wir dort eine zukunftsfähige Industrie aufbauen wollen, dass das Embargo gegen russisches Öl nicht dazu führt, dass in der Region die Lichter ausgehen“, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach einer Kabinettsklausur in Meseberg gesagt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte betont, die Bundesregierung wolle die Raffinerien in Leuna bei Halle und Schwedt unterstützen und sicherstellen, dass die Beschäftigten dort eine Perspektive hätten. In Schwedt/Oder in der Uckermark endet die Erdölpipeline „Druschba“ (Freundschaft) mit Öl aus Russland, das von der Raffinerie PCK verarbeitet wird. Sie gehört mehrheitlich dem russischen Staatskonzern Rosneft.
Für die Bürgermeisterin sind die vergangenen Wochen wie ein „Déjà-vu“. Die Sorge um die Stadt ließ die Telefone bei ihr ununterbrochen klingeln. Viele Einwohner fühlten sich an die Nachwendezeit erinnert, sagte Hoppe der Deutschen Presse-Agentur. Nach 1989 brach die Industrie in Schwedt weg. Die Schuhfabrik musste zumachen, auch die Großbäckerei. Die Arbeitslosigkeit lag bei 25 Prozent. Heute liegt sie Hoppe zufolge bei 9,6 Prozent, übrig geblieben sind die Papierfabrik und die Raffinerie. In der aktuellen Situation erinnerten sich die Bürger, wie schwer es nach der Wende war, wieder auf die Beine zu kommen.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht die Übergangsfrist für das geplante EU-Embargo auf russisches Öl als große Hürde. „Je länger der Zeitraum für die Vorbereitung ist, desto besser, und sechs Monate sind für die Umstellung sehr ehrgeizig“, sagte Steinbach. „Klar ist: Ein EU-Embargo stellt die PCK-Raffinerie und damit die Region Brandenburg und Berlin vor große Herausforderungen.“ Die Landesregierung sei dazu im engen Austausch mit dem Bund. Die Übergangsfristen stimmten ihn aber erstmal zuversichtlich.

Raffinerie soll mit anderem Öl versorgt werden

Steinbach hält nicht nur eine Enteignung für eine mögliche Lösung für die Zukunft der Raffinerie PCK. „Ich würde mir andere Lösungen als Enteignung wünschen“, sagte Steinbach. Er verwies darauf, dass die Frage nicht in der Zuständigkeit des Landes liege. „Auch wenn im Hintergrund an Alternativszenarien gearbeitet wird, lässt es sich im Moment nicht sagen, welche zum Tragen kommen. Da will ich nicht spekulieren.“ Die Raffinerie hat nach Darstellung von Habeck wegen des russischen Mehrheitseigners Rosneft bisher kein Interesse an einer Abkehr von russischem Öl. Die Bundesregierung erwägt daher als letztes Mittel eine Enteignung.
Derzeit laufen Gespräche über Lösungen, damit die Raffinerie in Schwedt in der Uckermark auch ohne russisches Öl am Netz bleiben könnte. Dabei geht es um Öl-Lieferungen von Shell sowie über eine Pipeline aus Danzig, womit laut Steinbach insgesamt eine Größenordnung von 70 Prozent der aktuellen Leistung möglich wäre. „Dass Shell im Gespräch mit uns gesagt hat, sich seiner Verantwortung für den Standort Schwedt mit den Beschäftigten und der Versorgung der Region bewusst zu sein, begrüße ich“, sagte Steinbach. Um die Beschaffung alternativer Öllieferungen kümmere sich die Bundesregierung.