Update 08.09.23: Der Bund hat die Treuhandverwaltung um ein halbes Jahr verlängert. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag (8.9.) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Um die Energieversorgung zu sichern, verlängere die Bundesregierung auf Grundlage des Energiesicherungsgesetzes die Anordnung der Treuhandverwaltung der Rosneft Deutschland GmbH und der RN Refining & Marketing GmbH bis zum 10. März 2024.
Standort Schwedt gefestigt
Staatssekretär Michael Kellner sagte, die Bundesregierung stehe seit dem vergangenen Jahr im engen Kontakt unter anderem mit der polnischen Regierung zu Maßnahmen der Versorgungssicherheit. „Der Standort wurde in den vergangenen Monaten gefestigt. Es gab keinerlei Versorgungsengpässe. Mit dem finanziell breit abgestützten Paket "Sicherung der PCK und Transformation in den ostdeutschen Raffineriestandorten und Häfen beschleunigen" wird die Zukunft auf den Standort ausgerichtet und auch damit Arbeitsplätze gesichert.“
Aber wie oft kann die Treuhandverwaltung überhaupt verlängert werden?
Treuhandverwaltung: Gesetz begrenzt Anzahl der Verlängerung nicht
Ulrich Häde ist Professor für Öffentliches Recht, Verwaltungsrecht, Finanzrecht und Währungsrecht von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und erläutert: „Die Treuhandverwaltung kann nach Ablauf der vorherigen Frist immer wieder um jeweils bis zu sechs weitere Monate verlängert werden. Das Gesetz begrenzt die Anzahl möglicher Verlängerungen also nicht.“
Ohnehin dürfe die Treuhandverwaltung nach dem Energiesicherungsgesetz (EnSiG) nur befristet angeordnet werden. „Dabei darf die Frist nicht länger als sechs Monate betragen. Da es sich um einen weitreichenden Eingriff in unternehmerische Freiheiten handelt, soll diese verbindlich vorgeschriebene Befristung sicherstellen, dass die Entscheidung mindestens alle sechs Monate überprüft werden muss.“
Auch die Verlängerung der Treuhand muss Bedingungen erfüllen
Jedoch gibt es Bedingungen: „Die Anordnung und die Verlängerungen der Treuhandverwaltung dürfen allerdings nur bei speziellen Unternehmen und selbst dann auch nur erfolgen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Und zwar muss es sich um ein Unternehmen handeln, das ‚Kritische Infrastruktur‘ im Sektor Energie betreibt. Und außerdem muss die konkrete Gefahr bestehen, ‚dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht‘“. So gibt es Paragraf 17 Abs. 1 EnSiG vor.
Das Bundeswirtschaftsministerium, fährt Häde fort, treffe demnach eine Prognoseentscheidung: „Es muss bei jeder Verlängerung der Treuhandverwaltung prüfen, ob es wahrscheinlich ist, dass erstens das Unternehmen seine Aufgaben in Zukunft nicht erfüllen wird, und dass zweitens deshalb eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht.“
So begründet der Bund die Treuhandverwaltung
Am 14. September 2022 wurde die Treuhandverwaltung über Rosneft angeordnet, da die Bundesregierung vor allem Anhaltspunkte dafür sah, dass sich Dienstleister und Banken aufgrund der gegen Russland verhängten Sanktionen zurückziehen und somit der Betrieb der PCK-Raffinerie gefährdet gewesen sei. Zudem befürchtete der Bund einen möglichen Lieferstopp russischen Rohöls, ähnlich dem Fall Gazprom. Der russische Gaskonzern stellte 2022 abrupt seine Gas-Lieferungen nach Deutschland ein.
Auch die Verlängerung der Treuhandverwaltung am 14. März wurde mit dem möglichen Wegbrechen von Vertragspartnern sowie der Befürchtung vor einem Lieferstopp begründet, da Russland seine Belieferung durch die Druschba-Pipeline wieder im Februar 2023 unterbrochen habe, verkündete das BMWK im Bundesanzeiger.
Rosneft bereitet Verfassungsbeschwerde vor
Auch die Entscheidung über die erste Verlängerung im März wurde vom Ministerium kurzfristig, einen Tag vor Ablauf der Frist am 15. März, verkündet. Allerdings verhandelte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zuvor eine Klage Rosnefts gegen die Treuhandverwaltung und wies die Klage am 14. März ab. Gegen die Verlängerung klagt das russische Öl-Unternehmen erneut. Zudem verkündete die Kanzlei von Rosneft, Malmendier Legal, auf dem Portal Linkedin, am 14. August eine Gehörsrüge beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht zu haben. „Nach Analyse der Urteilsgründe ist festzustellen, dass zahlreichen Argumenten von Rosneft kein Gehör verschafft und insbesondere gestellten Beweisanträgen nicht nachgegangen wurde“, heißt es in der Mitteilung. Eine Gehörsrüge sei der vorbereitende Schritt für eine Verfassungsbeschwerde.
Rosnefts rechtliche Vertretung teilte diesem Nachrichtenportal zuletzt mit, dass noch weitere Maßnahmen in Vorbereitung seien, darunter eine Entschädigungsklage wegen Einbußen durch die Treuhandverwaltung.
Der Brandenburger Linke-Bundestagsabgeordnete Christian Görke kritisierte am Freitag die Entscheidung des Bundes, die treuhänderische Verwaltung noch einmal zu verlängern. Damit, so Görke, „geht die Hängepartie leider weiter“. Dabei hätten kasachische Staatsunternehmen signalisiert, dass sie an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert seien. „Auch eine Übernahme der Rosneft-Anteile durch den Bund wäre eine praktikable Lösung, um die Versorgungs- und Energiesicherheit zu gewährleisten und tausende Arbeitsplätze langfristig zu sichern.“
Die Brandenburger Landesregierung dagegen hält die verlängerte treuhänderische Verwaltung mit Blick auf künftige Weichenstellungen für richtig. „Sie verschafft allen Beteiligten einen zeitlichen Puffer hinsichtlich der Entscheidung über eine weitere neue Eigentümerstruktur“, sagte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). „Das ist keine leichte Aufgabe und daher operative Hektik fehl am Platz.“