Rohöl ist nicht gleich Rohöl: Schon zu Beginn der Debatte um die Zukunft des PCK in Schwedt gab es Warnungen, dass der Ersatz für den russischen Rohstoff nicht nur in seiner Quantität entscheidend ist, sondern ebenfalls in seiner Zusammensetzung. Die Anlagen der Raffinerie seien auf die besonders schwefelhaltige, russische Ölsorte abgestimmt, hieß es im vergangenen Jahr. Zwei Monate nach dem Inkrafttreten des Öl-Embargos stellt sich heraus: Die Warnungen waren berechtigt.
„Es fehlen nicht nur Mengen an Rohöl, sondern entsprechende Qualitäten“, erläutert Johannes Bremer, der aktuell für die unter Treuhandverwaltung stehende Rosneft Deutschland, die Geschäfte führt. Rosneft hat Anteile an mehreren deutschen Raffinerien, darunter mehrheitlich am PCK in Schwedt. „Die chemisch-physikalischen Eigenschaften der Öle, die alle Shareholder über Rostock liefern, ist anders“, führt Bremer weiter aus.

Rosneft-Geschäftsführer durfte sich erst nicht erklären

So könnten bestimmte Zwischenprodukte nicht erzeugt werden, die wiederum die Anlagen der Diesel- und Benzinproduktion versorgen. Auch fehle der sogenannte Rohöl-Rückstand, der für das Kraftwerk im PCK wichtig ist. An diesem hänge sowohl die Strom- als auch Dampfversorgung des Standorts sowie die Wärmeversorgung von Schwedt. Bremer bestätigte noch einmal, dass auch die Bitumen-Produktion aktuell nicht möglich sei. „Das hängt damit zusammen, dass entsprechende Rohöle über Schiffstransporte bislang nicht zur Verfügung stehen.“ Zudem habe die Versorgung des Kraftwerks Vorrang.
Der Geschäftsführer nahm am Mittwoch an einem Fachgespräch zur Versorgungssicherheit und des Transformationsprozesses der Schwedter Raffinerie im Bundesausschusses für Wirtschaft und Klima teil. Zunächst hieß es, dass er durch die Bundesregierung nicht für eine Erklärung autorisiert sei, nach Widerspruch seitens der Linken gewährte ihm Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) doch das Wort.

Rohöl-Cocktail bringt PCK in Schwierigkeiten

Entscheidend sei der Schwefel-Gehalt. Dieser lag beim „Rohöl-Cocktail“ im Januar und Februar bei 0,5 Prozent, zuvor waren es 1,8 Prozent. Das wiederum führe bei den Emissionswerten zu „echten Schwierigkeiten“, so Bremer. Daher habe die PCK-Geschäftsführung die Aufsichtsbehörden und Shareholder Mitte Februar darüber informiert. Bremer sprach sich für einen Dreiklang aus den Routen der Rostocker Pipeline, dem Hafen in Danzig und Öl aus Kasachstan durch die Druschba-Pipeline aus. Er bestätigte zudem, dass die Probelieferung von 20.000 Tonnen aus Kasachstan aktuell im polnischen Adamowo sei.
Bremer selbst sei schon zweimal vor Ort in Kasachstan gewesen und wolle sich dafür einsetzen, weiteres kasachisches Öl zu für Deutschland zu gewinnen. Laut Bremer sei das Öl in seinem Schwefelgehalt dem russischen Pendant ähnlicher. Der Bundestagsabgeordnete der Linken, Christian Görke, berichtete zuletzt nach seiner Parlamentarier-Reise im Februar, dass das Land in Zentralasien noch weitere sieben Millionen Tonnen Rohöl für 2023 liefern könne.

Gewerkschaft warnt vor russischer Öl-Route

Der Bezirksleiter für Berlin-Brandenburg von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Rolf Erler, äußerte Zweifel an der Option Kasachstan, da dessen Öl den Weg über Russland nehmen müsste. „Dann hätte Putin wieder eine neue Möglichkeit, uns zu erpressen.“ Daher sehe er das kasachische Öl eher als Zusatz zu Rostock und Danzig. In Hinblick auf die Versorgungssicherheit mit Rohöl beschrieb Erler ein Wechselbad aus Hoffnung und Zweifel bei den Menschen vor Ort – aktuell liege die Auslastung der Raffinerie bei knapp 60 Prozent. „Diese Sorge können wir den Menschen – Stand heute – nicht nehmen.“ Er forderte feste Verträge und verlässliche Mengen für die Lieferungen über den Danziger Hafen.
Neben der aktuellen Versorgungslage mit Rohöl und dessen Verarbeitung, drehte sich das Fachgespräch vor allem um die grüne Transformation der Raffinerie. Anwesend waren daher auch die Leitungen der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastruktur, des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie, der IW Consult, des Biokraftstoffherstellers Verbio und Uckermarks Landrätin Karina Dörk (CDU). Im Prinzip herrschte Einigkeit, dass der Schwedter Standort die richtige Wahl für Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen ist. Doch bestehe sowohl bei den beteiligten Unternehmen, den Investoren als auch den Fachkräften vor Ort noch Unsicherheit über die Zukunft der Raffinerie.