Den Berliner Negativ-Rekord hat ein 23-Jähriger geschafft. Auf das Konto des jungen Mannes gehen 48 Straftaten allein im vergangenen Jahr, wie aus dem Lagebild zur Clankriminalität der Berliner Innenverwaltung hervorgeht. Schon zuvor war er kein unbeschriebenes Blatt: Betrug, Raub, Drogendelikte, Bestechung, Hausfriedensbruch - das ist nur ein Teil der 173 Straftaten, die dem Libanesen in den vergangenen fünf Jahren zugerechnet werden. Besonders auffällig sei der frühe Beginn von Straftaten, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Bericht.
Laut der Analyse sind in der Hauptstadt 388 Personen dem Bereich der Clankriminalität zuzuordnen (Stand 31. Dezember 2020). Der Kampf gegen Straftaten von kriminellen Mitgliedern arabischstämmiger Großfamilien sei eine große Herausforderung, denn man müsse an die Strukturen herankommen. Ältere Clanmitglieder agierten eher verdeckt und beeinflussten Jüngere bei ihrem kriminellen Treiben.
Berlin habe trotz der Corona-Pandemie nicht nachgelassen im Kampf gegen schwere Straftaten und öffentlichen Regelbruch, betonte Innensenator Andreas Geisel (SPD). Polizei und Justiz machten deutlich, dass die Stadt nicht den Clans gehöre. „In Berlin gilt gleiches Recht für alle. Und das setzen wir entschlossen durch.“

Fünf-Punkte-Plan gegen Clankriminalität

So wurden im Vorjahr genau 1013 Straftaten registriert, für die 291 kriminelle Mitglieder von Clanfamilien verantwortlich gemacht werden. Dazu zählten Straftaten im Straßenverkehr sowie Drogen-, Eigentums- und Gewaltdelikte, heißt es in dem 37 Seiten umfassenden Papier.
Bei 240 Polizeieinsätzen - davon 71 im Verbund mit anderen Behörden - wurden 525 Objekte kontrolliert und 85 davon geschlossen. Es konnten unter anderem 40.500 Euro aus dem Drogen- und Zigarettenhandel, 91 Waffen und gefährliche Gegenstände, 78 Autos und 2 Motorräder beschlagnahmt werden.
Berlin gilt bundesweit als ein Hotspot krimineller Aktivitäten von Clanmitgliedern. 2018 hatte der rot-rot-grüne Senat einen Fünf-Punkte-Pan gegen Clankriminalität beschlossen und geht seitdem verstärkt gegen Verdächtige aus zumeist arabischstämmigen Großfamilien vor. Zentraler Punkt ist dabei laut Innenverwaltung, dass dabei Behörden über Ressortgrenzen hinweg zusammenarbeiten.

„Clankriminalität“ - Straftaten von Angehörigen ethnisch abgeschotteter Strukturen

Als „Clankriminalität“ erfasst Berlin Straftaten von Angehörigen ethnisch abgeschotteter Strukturen. Diese lebten nach einer eigenen Werteordnung, die deutsche Rechtsordnung lehnten sie grundsätzlich ab. Mit rund 45 Prozent stellten deutsche Staatsbürger den größten Anteil unter den 388 Clan-Kriminellen, gefolgt von libanesischen Staatsbürgern (knapp 18 Prozent) und Personen mit ungeklärtem Status (knapp 16 Prozent). Rund 95 Prozent der Verdächtigen seien Männer.
Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gibt es laut Bericht berlinweit. Laut Analyse werden dabei Verbindungen zu Rockern, Türstehern, Boxern oder Rappern genutzt - ebenso werden Shisha-Bars, An- und Verkaufsgeschäfte, Juwelierläden oder Autovermietungen betrieben.

SPD-Politiker Geisel - Kampf gegen Clankriminalität ein Marathon

Für SPD-Politiker Geisel ist der Kampf gegen Clankriminalität ein Marathon, der zwar noch am Anfang sei, aber jetzt sei der Laufrhythmus gefunden. Eingerichtet wurde auch ein Zentrum für Analyse und Koordination zur Bekämpfung krimineller Strukturen. Berlin meine es erst, so der Senator. „Gut, dass diese Botschaft angekommen ist.“ Bei den Kriminellen sei zunehmend Verunsicherung festzustellen.
Gesetzt werde weiter auf die Verfolgung von Regelverstößen und die Einziehung von Vermögen, Gewerbe- und Finanzkontrollen. Der SPD-Politiker unterstrich aber, Ermittlungen richteten sich stets gegen einzelne Straftäter oder Gruppierungen. „Wir nehmen niemanden in Sippenhaft, nur weil er oder sie Mitglied einer bestimmten Familie ist. Wir gehen gegen Kriminelle vor, nicht gegen Familien.“
Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) meldete sich Landeschef Norbert Cioma zu Wort. Die Probleme ließen sich nicht durch Abschiebungen erledigen, weil viele der Verdächtigen die deutsche Staatsbürgerschaft hätten. Es werde deutlich, dass selbst einfachste Regeln des Rechtsstaates missachtet würden und Drogen das Schmiermittel der Organisierten Kriminalität seien. Angesichts der zum Teil sehr jungen Straftäter müssten die Jugendämter noch stärker tätig werden, so Cioma.