Der Schritt markiert eine Zeitenwende für die Tageszeitungen in Brandenburg: Ab Herbst 2023 gibt es die „Märkische Allgemeine“ in der Prignitz morgens nicht mehr in den Briefkasten. Die Madsack Mediengruppe beendet dort die Zustellung der gedruckten Ausgabe aus Kostengründen und setzt allein auf die digitale Version.
Eine Zeitung in Thüringen hat das kürzlich ebenso vollzogen. Die vor allem durch den Mindestlohn stark gestiegenen Zustellkosten machen insbesondere die Versorgung dünn besiedelter Gegenden immer schwieriger. Vor diesem Problem steht auch das Märkische Medienhaus. Die beeindruckende Zahl von 5200 Zustellerinnen und Zustellern ist derzeit zwischen Elbe und Oder unterwegs. Von Gransee und Schwedt im Norden bis nach Senftenberg und sogar in das sächsische Hoyerswerda im Süden. Sie tragen die Märkische Oderzeitung, die Lausitzer Rundschau, den Oranienburger Generalanzeiger und viele andere Zeitungen aus.

Die Herausforderung in dünn besiedelten Regionen

Sich aus der Zustellung in dünn besiedelten Regionen zurückzuziehen, ist für das Märkische Medienhaus kein Thema. Aber es sind gute Ideen gefragt, damit auch im Jahr 2033 noch der dann 200. Tag der Zeitungsausträger begangen werden kann. Barney Flaherty ist als erster Zeitungsjunge in die Geschichte eingegangen, eingestellt am 4. September 1833 bei der „New York Sun“.
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Wie hat sich also der Zusteller-Job beim Märkischen Medienhaus gewandelt? Und was steht noch bevor, damit auch künftig überall um 6.30 Uhr morgens die Tageszeitung im Briefkasten ist?

Die hybride Zustellung als Lösungsansatz

Anruf bei Marlies Christoph, die seit 2015 in Roggosen bei Cottbus die Lausitzer Rundschau austrägt. Die heute 64-Jährige ist dazu gekommen, weil sie wegen einer Allergie ihren Job in einer Hotel-Küche nicht mehr machen konnte. Morgens ab kurz nach 5 Uhr ist sie mit Fahrrad in ihrem Dorf unterwegs, um die Lausitzer Rundschau in die Briefkästen der Abonnenten zu stecken.
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Aber sie hat noch viel mehr dabei, das ist das Besondere und das Zukunftsträchtige: diverse Zeitungen, Zeitschriften und Kataloge, dazu Briefe und sogar Amazon-Päckchen. Stressig findet sie diese Vielfalt nicht. „Was ich auf meiner Runde verteile, ist mir eigentlich egal“, sagt Marlies Christoph. All die Sachen neben der Tageszeitung helfen dabei, die Zustellung der Lausitzer Rundschau in Roggosen und anderen Dörfern mit vergleichsweise wenigen Abonnenten aufrechtzuerhalten.

In der Lausitz hat das Medienhaus eine eigene Post-Zustellung

In der Lausitz kommt dem Märkischen Medienhaus bei dieser Strategie zugute, dass das Unternehmen mit der REGIO Print-Vertrieb GmbH seit dem Jahr 1994 eine Postzustellung unter dem eigenen Dach hat. Deutschlandweit können Privat- und Geschäftskunden über den in Cottbus ansässigen RPV-Briefservice Sendungen verschicken. In der Region zugestellt werden sie von erfahrenen und verantwortungsbewussten Zeitungsausträgerinnen wie Marlies Christoph.
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Die hybride Zustellung spart in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld Kosten. „Wir sind mutig und weiten dieses Modell auf möglichst große Teile unseres Verbreitungsgebiets aus“, sagt Jerome Schwabe, Geschäftsführer der Zustellgesellschaft Lausitz im Märkischen Medienhaus.

Arbeitsverträge müssen für neue Aufgaben angepasst werden

Die Herausforderung, und hier wird es etwas kleinteilig und kompliziert: Eine eigene Post hat das Unternehmen lediglich in der Lausitz, aber nicht in Ost-, Nord- und Westbrandenburg. Und die Gründung von weiteren Post-Gesellschaften sei keine Option, sagt Jerome Schwabe. Was man anstrebe, seien Kooperationen mit bestehenden Post- und Paketdienstleistern. „Um die Tageszeitung zuzustellen, fahren wir schließlich die gleichen Adressen ab wie die Post-Unternehmen. Da kann man auch zusammenarbeiten“, findet Jerome Schwabe.
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Um das Märkische Medienhaus dafür zu rüsten, sind viele kleine Schritte nötig, die bereits von Zustellbezirk zu Zustellbezirk erfolgen. Zum Beispiel die Anpassung von Arbeitsverträgen mit Blick auf das zusätzliche Aufgabenfeld. „Die Frage ist immer: Wie können wir verhindern, dass wie bei der MAZ in der Prignitz die Zustellung der Tageszeitung eingestellt wird“, erinnert Schwabe.

Der Zusteller bringt auch Tagesspiegel, SZ und FAZ

Dass es keine Denk-Tabus dabei gibt, fragile Zustell-Strukturen zu sichern, hat indes in der jüngeren Vergangenheit schon beiden Unternehmen geholfen. Obwohl das Märkische Medienhaus und die Madsack Mediengruppe mit ihren Tageszeitungen in Nord-Brandenburg um Leserinnen und Leser konkurrieren, haben sie sich im Jahr 2020 entschieden, den Vertrieb gemeinsam zu organisieren. „Auch ganz im Süden gibt es eine solche Kooperation bei der Zustellung von Lausitzer Rundschau und ‚Sächsischer Zeitung‘. Eine sehr gute Idee. Das hat sich bewährt“, betont Jerome Schwabe.
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Und so hat der Zusteller Stefan Harms regelrecht einen kleinen Zeitungsladen dabei, wenn er in Oberhavel nicht weit von der Berliner Stadtgrenze seine Runden macht. Mal steckt er den Oranienburger Generalanzeiger in den Briefkasten, mal die zur Madsack Mediengruppe gehörende „Märkische Allgemeine“. Und die Zustellung von „Berliner Zeitung“, „Tagesspiegel“, „Süddeutscher“, „FAZ“ und vieler weiterer Titel gehört ebenfalls zum Portfolio.

Ab dem Nachmittag Freizeit – der große Vorteil am Zusteller-Job

Harms, gelernter Kfz-Mechaniker, ist seit mehr als 20 Jahren Zusteller. „Nach der Lehre war es damals schwierig, eine gute Stelle zu finden“, erinnert sich der 42-Jährige. Er habe einen Zettel in seinem Briefkasten entdeckt – „Zusteller gesucht“ – und noch am gleichen Abend mit der Arbeit angefangen. „Nach meiner Schicht schlafe ich immer bis Mittag, ab dem Nachmittag habe ich Freizeit. Das ist für mich das Beste an dem Job“, sagt Stefan Harms, dessen Hobby sein Schrebergarten ist.
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Dass die Zusteller-Branche im Umbruch ist, spüre er im Alltag kaum, erzählt der Oranienburger. „Was manchmal schwierig ist, sind die Wildschweine“, sagt er lachend. Da komme es nachts doch häufiger zu überraschenden Begegnungen. „Neulich habe ich sie hinter einer Hecke gesehen. Da bin ich erstmal umgedreht und später wiedergekommen, um die Zeitung in den Briefkasten zu stecken.“

Regen, Schnee und Blitzeis bedeuten Stress für Zusteller

Was ihm zuweilen an dem Job zu schaffen macht, dürfte schon für Barney Flaherty anno 1833 ein Thema gewesen sein. „Das Wetter“, sagt Harms und seufzt. „Starker Regen, Schnee und Blitzeis sind echt hart.“ Manche Dinge ändern sich für Zeitungsausträger auch in Zeiten von Strukturwandel und Digitalisierung nicht.

Jetzt Zustellerin oder Zusteller werden!

Das Märkische Medienhaus sucht Zustellerinnen und Zusteller. Quereinsteiger sind sehr willkommen. Das Mindestalter für Bewerberinnen und Bewerber liegt bei 18 Jahren. Die Arbeitstage sind Montag bis Samstag. Die variable Kernarbeitszeit beginnt morgens ab 4 Uhr und geht dann anderthalb bis zweieinhalb Stunden. Es gibt aber auch eine Beschäftigungsoption, bei der man samstags tagsüber Anzeigenblätter zustellen kann. Der Arbeitsort ist in Wohnortnähe. Zugestellt werden Tageszeitungen, Anzeigenblätter und in manchen Regionen auch Post-Sendungen. Hier gibt es weitere Infos und die Möglichkeit, sich zu bewerben: Frau Schickor, Tel. 0355 481480, WhatsApp 015122134740. www.fruehaufsteher.de