Jürgen Ledderboge erfüllt das jedes Mal mit Stolz. "Die Fassade war eigentlich eine Notlösung", weiß der pensionierte Ingenieur aus Berlin-Mahlsdorf. Als  Kollektivleiter für die Forschungsabteilung "Monolithischer Betonbau" wurde er 1980 mit dem Neubau des Theaters an der Friedrichstraße beauftragt.
Nachdem der berühmte Vorgängerbau endgültig wegen Einsturzgefahr geschlossen werden musste, sollten Ledderboge und seine Leute einen DDR-Prachtbau errichten, der sich mit den westlichen Showtheatern von Paris bis Las Vegas messen konnte. "Wir durften nicht mehr als fünf Millionen D-Mark ausgeben. Die Devisen flossen in die Bühnentechnik wie die über 1.000 Scheinwerfer, die in der Mangelwirtschaft nicht zu bekommen waren.
So wurde in anderen Bereichen improvisiert. "Wir verzichteten auf die teure, damals typische Glasstahlbeton-Fassade und bestellten farbige Glasbausteine in Weißwasser und Lauscha", erinnert sich der Oberbauleiter.  In den Beton gesetzt, strahlte dabei die Sonne farbig ins Foyer. So glitzert der Plattenbau auch äußerlich wie ein orientalischer Palast. "Aserbaidschanischer  Bahnhof haben die Leute ihn damals getauft", erinnert sich Ledderboge.
Die Lampen im prachtvollen Foyer stammten aus der Melkproduktion. "Damit sie wie angestrahlte Eiszapfen wirken, haben wir die Milchglasröhren geätzt", erzählt Ledderboge. Das Design sollte an die Stalaktiten an der höhlenartigen Decke des Vorgängerbaus der Theaterlegende Max Reinhardt  erinnern, der am 29. November 1919 seine Pforten öffnet hatte.
Ledderboge und sein Team waren von 1980 bis 1984 für alles verantwortlich. Vom Ausheben der Baugrube über die Fertigung der jugendstilartigen Geländer bis hin zum Glitzerpapier für die Bühne. Um das zu bekommen, fragte man beim ostdeutschen Kaffee-Hersteller mit den goldenen und silbernen Tüten nach. "Die Spur führte in ein Folienwerk nach Oranienburg. Dort sagte man uns, wir müssten gleich 10.000 Quadratmeter abnehmen. Wir brauchten aber nur 4.000. Also klapperten wir alle Theater ab. Nach zwei Wochen hatten wir den Rest verkauft."
Doch am meisten begeistert den Ingenieur die Bühnentechnik. "Mit dem Hubpodium haben wir innerhalb von vier Minuten ein neues Bühnenbild erzeugt." Von der Eisbahn zur Zirkusmanege, von der Showtreppe zum Wasserbecken. "Wir haben gefordert, dass bei der Premiere 90 Prozent der Technik gezeigt wird."
Eine Herausforderung auch für Dramaturgen und Künstler. Mit ihren  55 Metern Tiefe gilt die Revue-Bühne bis heute als die größte der Welt. "Wenn meine Mäuschen da zweimal hin- und herlaufen, sind die tot", prophezeite der Regisseur der Girlreihe. "Wenn wir Playback einspielen, ist der Schlager schon zu Ende, bevor der Sänger vorne ankommt", witzelte der Ton-Mann. "Vielleicht sollte man ihn einfach auf ein Fahrrad setzen", erwiderte Ledderboge.
Der Fernsehmoderator O. F. Weidling hatte dagegen nach einem Reha-Aufenthalt Probleme, ohne Hilfe in die Gondel zu steigen, mit der er auf die Bühne schweben sollte. Der berühmte Conférencier sei allerdings von der SED-Führung durch Helga Hahnemann ersetzt worden, nachdem er bei der Premiere Pointen über die DDR-Plan- und Mangelwirtschaft gerissen hatte, berichtet Ledderboge.
Irgendwann hatte er den berühmten Professor Heinrich Dathe am Telefon. "Wir sollten für ihn ein  Delfinarium im Tierpark bauen." Als Gegenleistung wollte Dathe die Tiere abends zur Show bringen, damit sie wie im Moulin Rouge mit den leicht bekleideten Nixen im gläsernen Wassertank schwimmen. Doch so kleine Becken wie in Paris waren mit dem DDR-Tierschutz nicht zu vereinbaren. Ein Knackpunkt war auch das Salzwasser, das alle 14 Tage hätte aufgefrischt werden müssen. "Das alles hätte 200 Millionen Ostmark gekostet, fast so viel wie der Palast selbst."
Für den waren von Anfang an 219 Millionen Ostmark einkalkuliert. "Wir haben den Bau in der geplanten Zeit von 39 Monaten mit 214 Millionen abgeschlossen", sagt Ledderboge. Darüber, dass die Premiere im April 1984 mit internationalen Stars wie Catarina Valente und Karel Gott ohne Pannen über die Bühne ging, scheint er bis heute erleichtert.

100-jähriges Bühnenjubiläum

Am heutigen Freitag feiert der Friedrichstadtpalast Berlin sein 100-jähriges Bühnenjubiläum. Eingeladen sind diesmal nicht Prominenten aus Politik, Kultur und Gesellschaft, sondern Polizisten, Feuerwehrleute und Ehrenamtler, die sich für die Stadt engagieren.

Seit 100 Jahren ist der Friedrichstadtpalast Berlins erste Adresse für große Unterhaltung. Die Bühnengeschichte des Hauses beginnt, als Max Reinhardt dort am 29. November 1919 das Große Schauspielhaus eröffnete. Das heutige Theater wurde als letzter großer Prachtbau der DDR von 1981 bis 1984 errichtet.Heute wird die Tradition der Revue glamourös und modern fortgeführt. Unter anderem standen schon Shirley Bassey, Joe Cocker, Phil Collins, Udo Jürgens, Hildegard Knef, Liza Minnelli und Caterina Valente auf der weltgrößten Bühne. neu