Der rheinländische Way of Life ist dem Klischee nach von Frohsinn und einer gewissen Form von Leichtfertigkeit geprägt. Auch über das Kerngebiet hinaus kennt man die Glücksformel des Rheinländers: Et is noch immer jut jejange. Wolfgang Niedecken, der gebürtige Kölner, lässt den Satz gleich zu Beginn des BAP-Konzerts am Sonnabendabend im Schloss Neuhardenberg fallen – mit Blick auf den Wettergott und mit Blick auf die Corona-Unbill. Am Vortrag hat es den etatmäßigen Bandschlagzeuger erwischt, für ihn sitzt jetzt „Backliner“ Karsten aus der BAP-Crew an den Drums.
Um es vorab zu sagen, beide - Wettergott sowie Karsten - haben ihre Sache gut gemacht. Die Kölsche Lebensmaxime ist also wieder mal in der Realität aufgegangen, auch hier im Brandenburgischen, das mentalitätsmäßig von Köln so weit entfernt ist wie die Jetztzeit von den Achtzigern, in denen BAP zur zeitweise erfolgreichsten Bands der alten Bundesrepublik wurden. Und das mit rheinischem Mundartrock, der im Rest des Landes eigentlich nicht verstanden wurde. Allerdings nahmen viele damals doch die Mühe auf sich, sich die Texte zu übersetzen und so begriffen auch Friesen, Bayern und Ostdeutsche, dass die Kölner Gruppe mit dem eigenwilligen Idiom ihre eingängige Rockmusik mit ernstzunehmenden Lyrics versah.
„Verdamp lang her“
Die Band um den Sänger, Gitarristen und kreativen Kopf, Wolfgang Niedecken, steigerte ihre Popularität mit jedem Album, das sie seit 1979 veröffentlichte. Millionen von nichtrheinischen Zuhörern konnte sie mit, oder besser gesagt trotz ihres Kölner Dialekts erreichen, weil Songs wie „Kristallnaach“ oder „Verdamp lang her“ keiner Übersetzung bedürften, um verstanden zu werden. BAP (was von Bapp kommt, der Kölschen Vokabel für „Vater“), wurden rasch als anspruchsvolle Musiker respektiert, die keine Diskrepanz zwischen freudvollem Rocken und ernsthaften Texten sahen. Warum nicht schwitzigen Rock’n’Roll nach Art der Rolling Stones mit über die Liebe und Triebe hinaus gehenden Lyrics verbinden? 1986 hatte der Ex-Bundeskanzler Willy Brand im „Stern“ die BAP-LP „Ahl Männer, aaglatt“ rezensiert und gesagt: „Aufklärung braucht Künstler, die durchdringen wie BAP“.
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Willy Brandt ist längst verstorben und Wolfgang Niedecken ging es in den vergangenen Jahren auch schon sehr schlecht. 2011 hatte er einen Schlaganfall, von dem er sich glücklicherweise wieder erholte. Auf der Bühne merkt dem 71-Jährigen den gesundheitlichen Tiefschlag von damals jedenfalls nicht an. Er singt mit einer fetten Portion Alterscoolness seine Lieder und wirkt dabei tiefenentspannt wie ein Mann, der dem Leben nichts mehr abtrotzen muss. Wohl auch, weil das einzige BAP-Urmitglied eine Truppe von Musikern um sich hat, die ihm beste Kollegen und vermutlich Freunde sind. Insgesamt stehen acht Männer und eine Frau auf der Bühne, allein drei bilden die Bläser-Sektion. Es hat was von Rock’n’Roll-Big Band.
Und so rockt und rollt sie drei Stunden durch den Abend, der ziemlich gut zum Titel des aktuellen Albums „Alles fließt" passt. Von der Platte, die sie coronabedingt erst jetzt auf einer Tour vorstellen können, spielen sie einige Songs, darüber hinaus aber auch alle großen Hits, an denen es wirklich nicht mangelt. Zu ihnen gehören auch „Alexandra, nit nur do“ oder „Arsch huh, Zäng ussenander“, der Song gegen Rechts, der auch schon wieder 30 Jahre alt ist. Niedecken, der nie eine klare politische Botschaft gescheut hat und in den 1980ern auch gegen Aufrüstung sang, äußert sich an diesem Abend nicht explizit zum kriegerischen Geschehen in diesen Zeiten. Trotzdem spürt jeder, dass dieser Mann eine zutiefst bodenständige und vernünftige Sicht auf das Lebenswerte im Leben hat.
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Neuhardenberg