„Behalte den Kopf unten, sonst wird er abgetrennt.“ Ein gewöhnlicher Vater hätte wohl heiterere Ratschläge für die eigene Tochter parat. Doch Viktor Godeanu ist kein gewöhnlicher Mann. Er ist Geheimagent. Dass er durch das sozialistische Rumänien Nicolae Ceaușescus nicht wie andere mit geducktem Kopf gehen muss, hat einen Grund.
Er hat die Spielregeln des Systems verstanden. Es gehe darum, sie auszureizen, aber nicht zu überschreiten, erklärt er seiner Tochter. Gelingt dies nicht? „Bist du erledigt.“

Stoischer Tschekist und rechte Hand Ceaușescus

Nun ist es mit Ratschlägen so eine Sache. Wer sie gibt, befolgt sie nicht zwingend selbst. Dass Victor (dargestellt von Alec Secăreanu) es bislang blendend verstand, sich das System zunutze zu machen, zeigt seine exklusive Stellung im rumänischen Machtapparat. Nicht nur ist er stellvertretender Chef des Geheimdienstes, er ist auch Ceaușescus rechte Hand. Egal ob auf Bärenjagd, im Kinosaal des Privatpalasts oder am Schachbrett – wo der Diktator ist, ist Victor nicht fern. Doch dass er sich offenkundig bewusst vom eitlen Machthaber Schachmatt setzen lässt, ist nicht das einzige Geheimnis des stoischen Tschekisten.
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Noch weiß Ceaușescu nicht, dass sein engster Berater ein Doppelagent ist und Staatsgeheimnisse an die Sowjetunion weitergibt. Doch die rumänische Spionageabwehr ist Victor auf der Spur. Sie steht kurz davor, sein Spiel auffliegen zu lassen. Diplomatische Verhandlungen in Westdeutschland sind die letzte Chance des Agenten und Vaters, zu entkommen – und zu überleben. Doch die Flucht vor Ceaușescus Schergen und den Sowjets in die USA gestaltet sich trotz Hilfe eines in Bonn stationierten CIA-Agenten als äußerst schwierig. Und was Victors noch immer in Bukarest verbleibender Familie droht, dürfte nicht nur seiner Tochter klar sein.

Moskau und Ost-Berlin dienten schon unzählige Male als Kulisse – nicht so Rumänien

Die Liste an Spionageserien und -filmen, die in den Kalten Krieg und den Ostblock führen, ist lang. Doch während Moskau und Ost-Berlin schon unzählige Male als Kulisse herhalten durften, blieb Rumänien bislang verblüffend unterrepräsentiert. Die HBO-Serie „Spy/Master“ schickt sich an, dies zu ändern. Orientiert wird sich dabei offenkundig am Fall von Ion Mihai Pacepa, einem hochrangingen Geheimdienstoffizier und Berater von Präsident Ceaușescu, der sich Ende der 1970er-Jahre in die Vereinigten Staaten absetzte. Premiere feierte der rumänisch-deutsche Sechsteiler am Montag auf der Berlinale.
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Verzicht auf plumpe Dichotomie von Gut und Böse

Gedeckte Farben, Treffen in tropfenden Kellerräumen unter kaltem Neonlicht, Zigarettenschachtel große Kameras und lange, schrille Geigenstriche – die vom Showrunner-Duo Adina Sădeanu und Kirsten Peters erdachte Serie setzt auf bewährte Attribute aus dem Kanon der Spionagethriller. Auf die dort ebenfalls häufig vorzufindende, plumpe Dichotomie von Gut und Böse, Westen und Osten verzichtet sie allerdings. Egal ob es sich um die Stasi-Agentin aus westdeutschem Adelsgeschlecht (Svenja Jung), den karrierehungrigen CIA-Mann (Parker Sawyers) oder den grenzüberschreitenden rumänischen Doppelagenten handelt – in „Spy/Master“ sind ambivalente Charaktere auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs angesiedelt.
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Zwar waren auf der Berlinale bislang nur die ersten beiden Folgen der Serie zu sehen –ob Doppelagent Victor Godeanu die Spielregeln diesmal zu weit ausgereizt hat, ist also noch nicht bekannt. Wissen würde man es allerdings zu gerne. Die auf dem Gewinnerbeitrag eines HBO-Drehbuchwettbewerbs in Rumänien basierende Serie „Spy/Master“ verspricht also, ein packendes Kalter Krieg-Drama zu sein.
Infos zu Serien und Terminen in der Sektion Series finden Sie hier. Tickets gibt es jeweils 3 Tage im Voraus. Mehr zur Berlinale auf unserer Berlinale-Themenseite.

Wo wird „Spy/Master“ zu sehen sein?

Auf HBO Max wird „Spy/Master“ weltweit im Mai starten, auf Warner TV Serie im Sommer 2023.