Er hat es einfach drauf: Wenn Christian Petzold einen Film auf der Berlinale präsentiert, freut sich das Publikum. Bereits zum sechsten Mal nimmt der inzwischen 62-jährige deutsche Regisseur am Wettbewerb der Filmfestspiele teil. Dieses Mal mit „Roter Himmel“, dem zweiten Teil seiner geplanten Trilogie zur Deutschen Romantik nach „Undine“.
„Das war witzig, ich habe gelacht und hatte auch Pipi in den Augen“, kommentiert eine Zuschauerin nach der Premiere. Kaum jemand schafft es wie Petzold, mit einer stimmigen Komposition aus Bildern und Dialogen, die große Klaviatur der Gefühle anzuspielen, um am Ende das Publikum trotz großer Dramatik hoffnungsfroh ins Tageslicht zu entlassen.

Ein Juni in Ahrenshoop

„Roter Sommer“ spielt im Juni in Ahrenshoop. Die Hubschrauber kreisen am Himmel. Der Wald brennt und im Radio wird vor Fahrten gen Westen gewarnt. Denn dort bekommt die Feuerwehr die Flammen nicht mehr unter Kontrolle.
Die Freunde Felix und Leon nehmen sich eine Auszeit im reetgedeckten Haus am Waldesrand – 30 Kilometer entfernt vom Inferno. Dort übernachtet auch Nadja, die als Saisonhilfe Eis am Strand verkauft – und sich erst später als Intellektuelle entpuppt. Und während Felix mit seinem Fotoapparat Bilder für seine Bewerbungsmappe zum Kunststudium macht, gerät Jungautor Leon immer tiefer hinein in eine Schaffenskrise.
Paula Beer (l-r), Schauspielerin, Christian Petzold, Regisseur und Drehbuchautor, und Thomas Schubert, Schauspieler, kommen zum Photo Call des Films "Roter Himmel", der im Wettbewerb der Berlinale läuft.
Paula Beer (l-r), Schauspielerin, Christian Petzold, Regisseur und Drehbuchautor, und Thomas Schubert, Schauspieler, kommen zum Photo Call des Films "Roter Himmel", der im Wettbewerb der Berlinale läuft.
© Foto: Jens Kalaene/dpa
Den ersten Roman bereits erfolgreich veröffentlicht, will er sich mit seinem zweiten Werk beweisen. Doch so recht will nicht einmal ihm selbst das zu Papier gebrachte gefallen. Auch Nadja, der er das Werk anvertraut, ist nicht begeistert. Aber sie ist ja schließlich nur eine Eisverkäuferin…

Ein bisschen autobiografisch, sagt Christian Petzold

An seinem Panzer aus Arroganz und Überheblichkeit lässt Leon alles abprallen. Geht nicht mit baden, lacht nicht mit, wenn Felix und Nadja abwechselnd mit dem einheimischen Devid flirten. Leon will sein Werk retten, doch obwohl da ein Wille ist, scheint dieses Mal kein Weg da zu sein. Und anstatt zu arbeiten, schläft Leon immer wieder ein.
Ein wenig autobiografisch sei dieses Werk, denn auch Christian Petzold hatte als Nachwuchsregisseur nach seinem Debut das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Er wollte der Welt zeigen, dass er es wirklich kann. Inzwischen steht das außer Frage.
Anders als viele seiner Kollegen, gibt der preisgekrönte Regisseur in „Roter Himmel“ keine Rätsel auf. Sensibel erzählt von einer Zeit der großen Unsicherheit – mal lustig, mal tragisch, aber immer ganz nah dran und mit viel Empathie für seine Charaktere. Die ergänzen sich auf der Leiwand perfekt, Thomas Schubert und Paula Beer führen das Ensemble an, spielen sich die Bälle zu. Dabei mischt und wechselt Petzold ganz nebenbei die Genres, ein bisschen Horror, ein wenig existentialistisches Drama und immer wieder auch ein Stückchen Liebesfilm.
Anders als in seinen Vorgängerfilmen „Undine“, „Yella“ oder „Barbara“ hat dieses Mal ein Mann die tragende Rolle. „Aber wir haben ihn gefilmt wie die Frauen in den 1950er und 1960er“, erklärt Petzold. Thomas Schubert alias Leon gibt den Antihelden, der eigentlich gar kein Problem hat – außer sich selbst. Und während die Welt um ihn herum zu Asche zerfällt, versinkt er immer tiefer im Selbstmittleid und blendet die lodernden Flammen um sich herum aus.

Die Idee entstand während der Corona-Erkrankung

Die Idee für diesen intensiven Film hatte Christian Petzold übrigens nach der letzten Berlinale 2020, auf der er „Undine“ präsentiert hat. Im Anschluss hatte er Covid und musste vier Wochen lang, teils fiebernd, das Bett hüten. „Immer wieder träumte ich von Lichtungen im Wald und besuchte im Sommer danach Gebiete in der Türkei nach einem Waldbrand“, erinnert er sich. Als ihm sein Freund und Kollege Matthias Brandt – der in diesem Film übrigens auch endlich mal eine Kinorolle hat und wie immer begeistert – dann noch empfahl, Shakespeares Sommernachtstraum zu lesen, entwickelte Petzold allmählich diese Geschichte.
Geworden ist daraus ein schlichtes Meisterstück, für das Christian Petzold endlich den Goldenen Bären mit nach Hause nehmen sollte. Der hätte dann seinen Platz sicher neben seinem Bruder aus Silber, den Petzold 2012 für die beste Regie von „Barbara“ gewann.
„Roter Himmel“ läuft am 23.2., 9 Uhr in der Verti Music Hall, 18.30 Uhr im Haus der Berliner Festspiele, am 24.2., 18 Uhr im Kino im Zeiss-Großplanetarium und 26.2., 10 Uhr im Berlinale-Palast. Alles Wissenswerte zur Berlinale finden Sie auf unserer Berlinale-Themenseite