Ein Überraschungsangriff, entgeisterte Gesichter, als die ersten Sirenen losheulen, hektische Betriebsamkeit, ratlose Militärs, Streit, Panik, Überforderung – und sehr schnell die ersten Meldungen von zerstörten Panzern, abgeschossenen Kampfjets, von gefallenen Soldaten, live mitzuhören in der Kommandozentrale.
Wie sich die Bilder gleichen, die auf dieser Berlinale vom Krieg erzählen, immer wieder, sei es in Bosnien („Kiss the Future“ über die Belagerung von Sarajevo) oder in der Ukraine („Superpower“ von Sean Penn und viele andere Beiträge aus der Ukraine). Und alle Fäden laufen in der Ukraine zusammen – sei es, dass Bono, der in Berlin den Sarajevo-Film vorstellt, auch schon in einer U-Bahn-Station in Kiew gespielt hat, oder Golda Meir 1898 als Goldie Mabovitch in Kiew geboren wurde und in einer eindrücklichen Szene vom Antisemitismus und den Pogromen erzählt, die sie als Kind in Kiew erlebt hat.
Der britisch-israelische Regisseur Guy Nattiv erzählt in „Golda“ die 20 dramatischen Tage des Jom-Kippur-Kriegs im Oktober 1973 konsequent aus einer Perspektive, nämlich aus der israelischen, genauer, aus der Sicht von Golda Meir, der damaligen israelischen Ministerpräsidentin. Geschwächt durch eine Antikrebstherapie, versucht sie, ihr konfus agierendes Kabinett auf Linie zu halten – und muss sich später einem Untersuchungsausschuss stellen, wegen des Vorwurfs, sie habe zu spät reagiert und Warnungen nicht ernst genommen. 2600 Soldaten fielen in den 20 Tagen des Kriegs – eine „ganze Generation für dieses kleine Land“, wie Helen Mirren auf der Pressekonferenz betont.
Golda Meir als „Iron Lady“
Helen Mirren gibt Golda Meir als „Iron Lady“, als kettenrauchende Sphinx, die Haut echsenhaft runzlig, der Körper hinfällig, aber die Haltung unerschütterlich. Ja, sie notiert mit Bleistift die täglichen Gefallenenzahlen in ein Notizbuch, leidet mit einer Stenotypistin mit, deren Sohn am Suez-Kanal eingekesselt wird, betrachtet nachts im Regen einsam am Flughafen, wie die Särge der Gefallenen ankommen. Sie backt den Militärs Kuchen zu den Beratungen und kocht Suppe. Aber sie verhandelt auch knallhart mit Henry Kissinger, der auf Friedensverhandlungen drängt, kündigt an, die eingekesselten 3000 Soldaten der 3. ägyptischen Armee in der Wüste verdursten zu lassen, wenn die Nachbarländer Israel bei den Waffenstillstandsverhandlungen nicht anerkennen. So erzählt es der Film.
Keine Angst vor der Diskussion in Israel
„Das ist das Vietnam für Israel“ gibt Regisseur Guy Nattiv auf der Pressekonferenz zu. Er sei in Israel aufgewachsen mit der Erzählung, dass Golda Meir ein komplexer Charakter war, keine saubere, eindeutige Politikerinnenfigur. Erst durch die Veröffentlichung von Dokumenten vor zehn Jahren habe er erfahren, wie krank sie damals gewesen sei. Und immerhin: „Sie hat die Verantwortung übernommen für das, was passiert ist – das tun heute nicht alle Regierenden“. Und, ja, er sei auch vorbereitet auf eine Diskussion, die dieser Film in Israel auslösen könne. „Ich freue mich darauf“.
Die Schlusspointe setzt dann die sehr klar und reflektiert argumentierende Helen Mirren. Auf die unvermeidliche Frage danach, ob sie als Nicht-Jüdin eine Jüdin spielen dürfe, hatte ihr israelischer Schauspielkollege Lior Ashkenazi gekontert: „Wenn ich einen Film über Jesus Christus drehe, wer soll den dann spielen?“. Und Helen Mirren setzt trocken nach: „Ganz sicher nicht ich.“
„Golda“ läuft am 21.2. um 12.45 Uhr in der Verti Music Hall, am 25.2. um 10.30 Uhr im Zoo Palast 3 und 4 und am 26.2. um 15.30 Uhr im Cubix 9. Alles zur Berlinale finden Sie auf unserer Berlinale-Themenseite.