Die Stimme eilt ihm voraus. Diese unvergleichliche Stimme. „Das wird gut“, hallt es über dumpfen Elektrobeats durch den großen Saal des Friedrich-Wolf-Theaters in Eisenhüttenstadt. Dröhnend und hauchend zugleich. Beschwörend lang wird das „gut“ mit ungezählten Vokalen gedehnt. Eine Losung? Ein Mantra? Oder vielleicht doch ein Versprechen? Der Mann, zu dem diese Stimme gehört, wird es in den kommen zwei Stunden jedenfalls einlösen.
Friedrich Liechtenstein ist wieder da. Im Robotertanz schlurft er an diesem Sonnabend (11. Februar) lässig zurück an den Ort, an dem einst alles begann. „Das letzte Mal als ich hier stand, war ich neun“, sagt der gebürtige Eisenhüttenstädter und meint die Bühne des Gastspielhauses. Bei der Einschulung seines jüngeren Bruders sei das gewesen. Damals hieß er noch Hans-Holger Friedrich.
Man kann diesen Moment wohl als die Geburtsstunde des Entertainers Friedrich Liechtenstein sehen, auch wenn der Künstlername erst 40 Jahre später dazu kam. In gewisser Weise ist er aber auch der Beginn einer äußerst fruchtbaren Suchtkarriere. Immerhin beschreibt der Künstler selbst sein erstes Bühnenerlebnis als Droge. Doch egal, wie lange er diesem Initialgefühl nun schon hinterherjagt: „Es ist nicht zu toppen.“
Anekdoten mit coolem Charme und Wortwitz
Für das Publikum ist beim jüngsten Versuch dennoch ein enorm unterhaltsamer Abend herausgekommen. Anekdoten, vorgetragen mit coolem Charme und Wortwitz, federleichte Balladen, eingängiger Jazz und elektronische „Dancefloor Music“ – das Friedrich Liechtenstein Trio präsentiert seinen Konzertabend „Ich bin dein Radio“ als Revue charismatischer Kuriositäten.
In seiner Karriere, die als Puppenspieler begann, auf Theaterbühnen irgendwann stagnierte und als Werbefigur erst so richtig Fahrt aufnahm, hat Liechtenstein einen gewaltigen kreativen Fundus angesammelt. Und reichlich Anekdoten. Nach fast jedem Song erzählt er etwas zu dessen Entstehung. Das sanft-treibende Jazz-Stück „Shave the Monkeys“ etwa sei im Kontext einer Werbung für einen Rasierehersteller entstanden, wie das Publikum erfährt. Ein Spot, für den er sich sogar den Bart abrasiert hatte, was ganz schön scheiße ausgesehen habe. Egal, war gut bezahlt, scherzt der Werbeprofi.
Herrlich abstruse, fast philosophische Gedankenspiele
„Tankstellen des Glücks“ wiederum habe er für einen Dreh mit dem Fernsehsender Arte geschrieben. Und das träumerische „New York Times“ besteht ausschließlich aus Zeitungsüberschriften. Liechtenstein plaudert genüsslich und ausgiebig, ist dabei aber nie langweilig. Im Gegenteil. Seine Geschichten sind getragen von feinsinnigem Humor, einer diebischen Freude am Wortwitz und herrlich abstrusen, fast philosophischen Gedankenspielen. Gelegentlich gibt er sich auch der Melancholie hin, etwa wenn er von abgerissenen Haus seiner mittlerweile verstorbenen Eltern in Eisenhüttenstadt erzählt.
„Die Musik ist auch nicht ganz unwichtig heute Abend“
Doch seine wunderbar sonore Stimme – mit der er vermutlich sogar die Bedienungsanleitung eines Thermomix vorlesen könnte und es immer noch cool klingen würde – aktiviert Liechtenstein nicht nur beim Erzählen. Er singt auch. Mal mit romantischer Emphase zu sanften Balladen, mal mit tiefer Eindringlichkeit über elektronischen Beats. „Die Musik ist auch nicht ganz unwichtig heute Abend“, hatte er schließlich zu Beginn versichert.
Dass die Musik auch verdammt gut ist, dafür sorgen Arnold Kasar und Sebastian Borkowski. Während Kasar nicht nur am Piano eine Bank ist, sondern am auch Effektgerät gelegentlich zum Club-DJ avanciert und für tanzbare Stimmung sorgt, hält Borkowski mit seinen Saxofonklängen für ein gehöriges Maß an zusätzlicher Lässigkeit bereit. Zusammen kreiert das Trio einen abendfüllenden Stilmix, der in dem Carpenters-Cover „Close to You“ als meditativ-bezauberndes Duett mit dem Publikum kulminiert.
Das mag an diesem Eisenhüttenstädter Comeback Friedrich Liechtensteins zwar nicht so zahlreich erscheinen sein wie noch bei einer gewissen Einschulung („damals war es hier voll“). Die Begeisterung dürfte jedoch ähnlich groß gewesen sein. Denn eines hat Liechtenstein im Friedrich-Wolf-Theater eindrucksvoll bewiesen: Unterhalten kann er auch sechs Jahrzehnte, einen Stimmbruch und diverse Werbedeals später noch ganz vortrefflich.