„Manchmal male ich ein Haus für uns“, steht als Titel über der Ausstellung, die jetzt zwei Monate in Münchebergs Stadtpfarrkirche Sankt Marien zu sehen ist. Es ist ein Satz, den Tajala gesagt hat – ein zehnjähriges Mädchen, das mit seiner Familie aus Afghanistan geflüchtet ist und nun in einem der Lager an Europas Außengrenzen festsitzt. Nicht von ungefähr kommt denn auch der Untertitel „Europas vergessene Kinder“ dazu. Die Bilderschau ist eine Kooperation zwischen dem mittlerweile 10. Bilderbuchfestival und der UNO-Flüchtlingshilfe. Die großformatigen Fotografien waren durch einen Fehler bei DHL zur Vernissage am 15. September noch irgendwo im Westen der Republik verschwunden, wurden aber zumindest per Beamer gezeigt. Die Aufnahmen stammen von Alea Horst. Zumindest die Vignetten waren pünktlich – diese Ergänzung hat Mehrdad Zaeri geschaffen, einst selbst im jugendlichen Alter aus dem Iran geflüchtet und heute einer der bekanntesten Buchillustratoren im deutschsprachigen Raum.

Bildgeschichten von Kindern aus Lagern auf der griechischen Insel Lesbos

Entstanden sind die zu Herzen gehenden Bilder in Moria und Kara Tepe, den beiden mittlerweile berüchtigten Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos. Gerade Moria, einst auf 2.800 Menschen ausgelegt und zwischenzeitlich um die 20.000 beherbergend – damit das größte Lager Europas – hat wiederholt für Schlagzeilen gesorgt. Zuletzt 2020, als durch Brandstiftung ein Großteil niederbrannte. In der Ausstellung begegnen den Gästen Kinder, die der Kriegshölle in Syrien, Afghanistan oder Kongo entkommen sind – und nun in dieser Tristesse ausharren müssen. Für Hobbys bestehe gar keine Möglichkeit, sagt ein kongolesischer Junge in den kurzen Begleittexten. Nicht einmal eine Schule gebe es, so die 14-jährige Raghad aus Syrien.
Die Vignetten Zaeris, eine eigenständige Kunstform, schließen sich da an. Einmal ist es ein Pass, weil nur dieser Freiheit und Weiterreise bedeutet, ein anderes Mal geht es symbolisch um die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer. Gerade diese Vignetten bilden auch eine Brücke für das pädagogische Begleitmaterial, das Charlotte von Bausznern entwickelt hat. Denn es gehe darum, nicht in der Opferrolle und in Hilfslosigkeit stehenzubleiben, wie sie sagt. Kinder können bei Führungen und Workshops somit selbst Ideen entwickeln, was getan werden kann, beim übergreifenden Thema Kinderrechte auch den Brückenschlag wagen, wie sie mit mehr Mitbestimmung zum Beispiel ihre Schule oder sonst das eigene Umfeld verbessern können. Auch Nachdenken über unsere Konsumgesellschaft – Stichwort: Zeichne alles, was dir gehört – oder der Brief an eins der Kinder im Lager sind Aspekte, zielgerichtet nach Altersgruppen.

Haus in der Ausstellung soll mit Bildern und Briefen „eingerichtet“ werden

Eben mit diesen Bildern und Briefen soll dann das „Haus“ in der Ausstellung gewissermaßen eingerichtet werden. Derzeit ist es nur eine Rohbau-Konstruktion aus Latten und Fäden, zur Vernissage bestückt mit den Arbeiten, die bei der Illu-Club-Bustour des Festivals im Sommer zum Thema Kinderrechte mit den Illustratorinnen und Illustratoren Julia Kolomoets aus Kiew, Titas Ankanas Vilkaitis (Vilnius) und Marie Schwab (Berlin) an Schulen entstanden sind.
Passende musikalische Begleitung der Ausstellungseröffnung waren übrigens die Lieder von Joanna Gemma Auguri, die mit ihrer Vita und ihrem Schaffen ebenfalls direkte Bezugspunkte zum Festival hat. Denn die Musikerin mit dem italienisch anmutenden Künstlernamen stammt ursprünglich aus Polen, das die Familie verließ, als sie noch ein kleines Mädchen war. „Düster und heiter“, das grundsätzliche Motto des Bilderbuchfestivals, durchdringt gewissermaßen auch ihr Musikschaffen – ihre melancholischen Lieder, auf Englisch zum eigenen Akkordeonspiel, fragen nach Identität, Heimat, erzählen von Sehnsucht oder regen zum Dialog mit dem eigenen Ich im Alter von 15 Jahren an.

Nach zehn Jahren in der Region angekommen

„Ich freue mich, dass wir nach zehn Jahren wirklich in der Region angekommen sind“, so Festivalleiter Oliver Spatz, von dem gemeinsam mit Sarah Wild seinerzeit die Initiative ausging. Davon kündet nicht nur die Förderung durch den Landkreis Märkisch-Oderland, die es erstmals gibt und die auch die Führungen in der Ausstellung ermöglicht, sondern auch aktuell die Einbettung einzelner Aktivitäten des Teams in andere Aktionen und Veranstaltungen.

Weitere Veranstaltungen des Bilderbuchfestivals

Das Jahresthema des 10. Internationalen Bilderbuchfestivals ist „Janusz Korczaks Kinderrechte“. Aktuell läuft bis 20. November die Ausstellung, auch Führungen werden geboten. Ergänzend gibt es am 10. Oktober um 18 Uhr, ebenfalls in St. Marien Müncheberg, ein Podiumsgespräch über Kinderrechte. Workshops mit den Illustratoren – Rufina Bazlova (Belarus), Sigutė Chlebinskaitė (Litauen), Piotr Socha (Polen) sowie Marie Schwab und Katja Spitzer (Deutschland) – werden am 12. und 13. Oktober vormittags angeboten.
Ein Höhepunkt im Programm ist die Bilderbuch-Gala zum Jubiläum, zu der am 13. Oktober um 18 Uhr eingeladen wird. Dann erfolgt mit zahlreichen Ehrengästen, persönlich präsent oder digital zugeschaltet, der Brückenschlag über das ganze Jahrzehnt. Musik, Zeitzeugen-Medley, Lesung und Illu-Slam#10 sollen sich zu einem bunten Abend verbinden.
Weitere Infos und Kontaktdaten gibt es auch online.