Müsste man das Jenseits von Millionen in Friedland mit einem Wort beschreiben – familiär wäre ein geeignetes. Seit 2009 lädt das Festival nun schon auf die Burg im beschaulichen Ort der Niederlausitz für ein Wochenende voller Musik. Aus den rund 50 Besucherinnen und Besuchern von damals mögen inzwischen einige Hundert geworden sein. Wie ein Treff aus Freunden und Familie fühlt es sich trotzdem noch an. Selbst für Jenseits-Neulinge.
„Es ist jedes ein Jahr ein großes Wiedersehen“, sagt Milena Möller von „anderes Festival“, dem ehrenamtlichen Verein hinter Jenseits von Millionen. Und auch wer sich im Publikum nachfragt, hört immer wieder Vergleiche zu Klassenfahrten und Familientreffen. Nicht wenige kommen hier schon seit Jahren her.
Bands und Fans feiern auf Jenseits von Millionen zusammen
Kein Wunder. Während große Festivals schon mal unter Menschenmassen ächzten, glänzt das Jenseits von Millionen mit entspannter Atmosphäre. Statt Bands auf riesigen Bühnen, die man nur aus der Ferne sieht, besteht im Burghof in Friedland noch richtiger Kontakt zwischen Acts und Fans. Ob am Merchstand oder beim Essen – gefeiert wird hier zusammen, auf Augenhöhe.
Ganz in der langen Indie-Tradition des Festivals macht in diesem Jahr mit Kapa Tult eine Band den Anfang, die Punk und Indiepop mit feministischen Texten mischt. Insgesamt kamen Punk-Fans am ersten von zwei Festival-Tagen auf ihre Kosten. Post Punk in der psychedelischen Variante gab es vom Trio Voodoo Beach, New Wave-Klänge von der Tübinger Band Temmis. Eine elektronische Spielart des Art-Pop brachte die Solo-Künstlerin Farce aus Österreich mit nach Brandenburg. Leichte Electro-Vibes gab es dann trotzdem noch – und zwar gemischt mit 80s Sounds von den drei Berlinern Tropikal Ltd.
Festival für musikalische Neuentdeckungen
Mit dem Line-Up dürfte das Jenseits von Millionen bei einigen Gäste für musikalische Neuentdeckungen Sorgen. Seit Jahren beweist das Festival in Sachen Booking ein glückliches Händchen darin, aufsteigende Newcomer zu verpflichten. Die Chemnitzer Formation Blond, die gerade groß für ihren feministischen Indie-Pop gefeiert wird, spielte schon vor fünf Jahren in der Burgkulisse. Und mit Die Nerven war im vergangenen Jahr war ein aufsteigender Stern am Punk-Himmel zu Gast.
Doch neben Musik und guter Laune steht bei Jenseits von Millionen auch jedes Jahr ein Spendenzweck im Zentrum. Zwei Euro von jedem verkauften Ticket sowie alles, was nach Abzug der Festivalkosten übrigbleibt, kommt einer sozialen Einrichtung zugute. Mit Blu:Boks Brandenburg ist es diesmal ein kultureller Bildungsort für Kinder und Jugendliche im Landkreis Oder-Spree. Vom Angebot der Einrichtung können sich Festivalgäste direkt selbst überzeugen, etwa im Blu:Boks-Bus auf dem Kirchplatz, an dem man sich selbst in Sachen Musik probieren kann. Sonst für Kinder gedacht, lassen sich dort auch viele Erwachsene nicht zweimal bitten.
In ganz Friedland herrscht Bewegung
Auch das Angebot für Familien wird ausgiebig genutzt, denn viele Gäste bringen ihre Kinder mit nach Friedland. An Fuße des Burggrabens können diese sich in Makramee üben, malen und Graffiti sprühen oder einfach nur auf dem Spielplatz toben.
Überhaupt beschränkt sich das Festival nicht nur auf den Burghof, wo die Musikbühne steht. Tagsüber herrscht vielmehr im ganzen Ortskern Bewegung. Auch, weil die wenige hundert Meter entfernte Stadtkirche als Kulisse für die Literaturbühne des Festivals dient. Auch sie ist gut besucht, etwa wenn dort die queere Autorin Isabelle Reich eine Passage liest, in der das Mitleid, das Singles oft entgegengebracht wird, kurzerhand auf ereignislose Paar-Routinen umgemünzt wird.
Sogar das Wetter spielt mit
Auch das Wetter spielte beim ersten Jenseits von Millionen-Tag mit. Während im Norden das Metal-Open Air Wacken im Schlamm versinkt, blieb es in Friedland nicht nur trocken, die Sonne schien sogar bis in den Abend hinein immer wieder und tauchte die mittelalterliche Burgfassade in schönstes Abendrot. Darüber zeigt sich nicht zuletzt die Vorsitzende von „anderes Festival“, Eileen Scheier, erleichtert. „Das Wetter hatte uns schon Sorge bereitet“, sagt sie am Rande des Festivals.
Am Ende ist von Sorgen am ersten von zwei Festival-Tagen nichts spürbar. Auch nachdem die Sonne untergangen ist, feiern die Besucherinnen und Besucher noch ausgiebig. Ganz wie es sich für eine Familienfeier gehört.