Nach mehr als zwei Jahren Konzertabstinenz sind die Konzertgänger ausgehungert und die Erwartungshaltung groß. Allerdings konnte die Berliner Band Seeed diese am Dienstagabend in der Wuhlheide leider nicht erfüllen.
Zweimal musste die zehnköpfige Musikgruppe um Pierre Baigorry und Frank A. Dellé Seeed ihre Tournee coronabedingt verschieben. Nun starteten sie ihren Open-Air-Marathon in der Parkbühne Wuhlheide in Berlin. Insgesamt fünf Konzerte finden an den kommenden Tagen hier statt. Fast alle davon sind ausverkauft. Für drei Auftritte ist die Waldbühne im September gebucht und schließlich spielt die Band noch beim Lollapalooza Festival. Damit haben allein in der Wuhlheide und der Waldbühne Berlin rund 150.000 Fans die Möglichkeit, die gefeierte Band zu erleben.
Einlass 16 Uhr – Seeed kommen erst fünf Stunden danach auf die Bühne
Dienstagabend war es dann so weit. Nach fast fünf Stunden Wartezeit begeben sich Seeed gegen 21 Uhr auf die Bühne. Einlasszeit war bereits um 16 Uhr, der deutsche Rapper Schmyt war zuvor als Vorband um 19.30 Uhr aufgetreten und entschuldigte sich für den leisen Sound. Später, als die Sonne bereits lagsam hinter den Bäumen der Parkbühne verschwindet, betritt noch ein Aufwärm-DJ die Bühne, der das Publikum anheizen soll – klappt eher mittelmäßig. Wie auch, wenn das Einzige, was er hinter seinen Plattentellern ruft „Berlin, seid ihr gut drauf“ ist, dafür aber gefühlte hundert Mal?
Nellé wirkt nahbar, Peter Fox eher zurückhaltend
Schließlich kommt dann noch eine Tanzgruppe (M.I.K. Family) auf die Bühne, die immerhin mit ihren akrobatischen Tanzeinlagen die lange Wartezeit verkürzen kann. Mit den Songs „Ticket“ und „Lass sie gehn“ vom aktuellen Album „Bam Bam“ starten die Sänger Enuff/Peter Fox (Pierre Baigorry) und Eased/Dellé (Frank A. Dellé ) mit ihrer insgesamt zehnköpfigen Band. Das Publikum singt dankbar ausgelassen mit. Während Peter Fox etwas publikumsscheu wirkt, sucht Sänger Dellé von Beginn an Augenkontakt zu den Fans und nutzt die Bühne voll aus. Mit einem gelb-goldenen Sakko bekleidet, dazu dunkelblaues Hemd, Hut und Stiefel, tanzt Dellé ausgelassen mit Peter Fox um die Wette, der bis auf knallrote Stiefel eher in unauffälligem Dunkelblau gekleidet ist, und schüttelt dazu seine schwarzen Dreadlocks.
Erster Song „Ticket“ ist verstorbenem Sänger Demba Nabé gewidmet
Der erste Song ist Demba Nabé gewidmet, Sänger und Gründungsmitglied der Band, der 2018 im Alter von 46 Jahren verstarb. Trotz seines lebensbejahenden Textes und des Highlife-Vibes ist „Ticket“ auch von dunkel schimmernder Melancholie erfüllt. Die Botschaft kommt an, wird aber von der Band nicht explizit erwähnt. Spätestens beim dritten Song „Augenbling“ ist wieder Partystimmung in Seeed-Manier angesagt.
Bei „Schwinger“ verliert Sänger Dellé kurz seine Kopfhörer, bekommt jedoch schnell Hilfe von der Crew, der Hut wird gelüftet und weiter geht‘s. „Ihr habt euch gar nicht verändert“, stellt Peter Fox bei seiner ersten Ansage fest. „0,0!“
Trommel- und Trompetensoli zeigen musikalische Bandbreite
Weiter geht es mit entspannten Reggae-Klängen und dem Titel „Komm in mein Haus“. Natürlich dauert es da auch nicht lange, bis man den dezenten Geruch von Marihuana im Konzertinnenraum wahrnehmen kann. Als es zu Dämmern beginnt, werden schließlich die Feuerzeuge zu „You & I“ gezückt. Es ist auch das einzige Mal, bei dem die Band den verstorbenen Nabé erwähnt: „Er freut sich.“
Seeed sind jedoch dafür bekannt, mit ihrer Musik der Melancholie nicht allzu viel Raum zu lassen. Mit „Schüttel deinen Speck“ geht es rasant weiter und hier können auch die restlichen Bandmitglieder zeigen, dass sie ihre Instrumente beherrschen – bei Trommel- und Trompetensoli. Schließlich setzt sich Peter Fox sogar kurzzeitig ans E-Piano, was er als „Weltsensation“ bezeichnet.
Spieldauer: Soldide anderthalb Stunden
Nach anderthalb Stunden Pflicht-Spielzeit nähert sich das musikalische Programm dann auch langsam gegen 22.30 Uhr seinem Ende. Vom Publikum ersehnt und ganz klar erwartbar wird „Dickes B“ gespielt – allerdings nicht in der Originalversion, sondern als Remix. Daraufhin sieht man einige enttäuschte Gesichter. Es folgt der letzte Song: „Aufstehn!“ mit Raum zum Mitsingen und Mitschwingen zu orangefarbenem Licht. Relativ unspektukulär verschwinden Seeed dann von der Bühne und lassen ein meinungtechnisch zweigeteiltes Publikum zurück.
Publikum ist nach Konzertende geteilter Meinung
„K.I.Z. haben letztes Wochenende von 20.30 Uhr bis 23.15 Uhr gespielt“, hört man zwei junge Männer sagen. „Die weite Anreise hat sich gelohnt“, sagt hingegen eine Familie aus Sachsen.
Vielleich haushalten Seeed noch mit ihren Kräften für den anstehenden Konzertmarathon. Schade für die Fans wäre es allemal. Ob noch eine Steigerung möglich ist, bleibt abzuwarten.