In diesem Jahr aber hat sich die Arbeit eines Kollegen ein wenig vorgedrängt: "Neben der Spur" heißt die aus Linde geschlagene Skulptur des Bildhauers Ulf Schüler, die das Publikum nun im vorderen Rund der Ausstellungshalle begrüßt. Ein Mann, modern ge­kleidet in Jeans und Pulli, eine Mütze auf dem Kopf, tritt – den Blick zweifelnd Richtung Boden gewandt – von seinem Podest mit einem Fuß ins Leere.
Sich auf unsicherem, unbekannten Grund zu bewegen, etwas auszutesten, einen Schritt abseits der Norm zu wagen, nicht mehr den gängigen Vorstellungen zu entsprechen, statt auf, lieber mal neben dem Punkt zu stehen und den Weg immer wieder infrage zu stellen: Macht das nicht auch gute Kunst aus? So gesehen ist Schülers Figur ein gutes Willkommen, um sich die Preisträgerarbeiten der von der "Märkischen Oderzeitung" und der Stiftung Schloss Neuhardenberg zum 16. Mal vergebenen Auszeichnung sowie jene etwa 70 Werke anzusehen, die die Jury dafür außerdem aus knapp 300 Einreichungen ausgewählt hat.
Mal etwas austesten
Gleich hinter dem Mann aus Lindenholz gehört das Feld zur Rechten dann tatsächlich der in diesem Jahr von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geehrten Christiane Wartenberg. Auf dem Rundbogen hat sie zum Beispiel ihre "Gehäuse" platziert, tönerne Kuben, mal bis auf kleine Öffnungen abgeschlossen, mal mit Räumen, die sich dem Blick des Betrachters öffnen. Zwischen ihnen hat die Bildhauerin und Grafikerin aus Ortwig (Märkisch-Oderland) einige ihrer Künstlerbücher platziert, eines davon zu Kleists "Marionettentheater". Den Dichter selbst hat sie 1980 als Klinkerkopf geformt – nicht aufbrausend oder melancholisch, sondern in sich gekehrt, fast zufrieden wirkend. An der Wand dahinter schmeckt die Künstlerin grafisch vier "Wortbildern" aus seiner "Penthesilea" nach: "Hohnlachend" gehört dazu und: "Heillosem Bündnis".
2015, als Christiane Wartenberg für ihr Künstlerbuch "Quickie Kleist" bereits den Kunstpreis in der Kategorie Grafik gewann, war es Erika Stürmer-Alex, die mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet wurde. In der diesjährigen Ausstellung ist von der Lietzenerin der Offset-Druck "Die phlegräischen Felder" zu sehen, der sich in leuchtendem Rot, kraftvoll und energetisch jenem Gebiet westlich des Vesuvs widmet, das eine hohe vulkanischer Aktivität ausweist.
An den Rausch, in den einen die berühmte "Grüne Fee" versetzt, fühlt man sich wiederum bei der Installation "Absinthe et hyperrealisme 3" der Nachwuchsförderpreisträgerin Cécile Wesolowski erinnert. Vielfarbige Flaschen und Gläser hat sie auf einer Drehplatte montiert und lässt sie von zwei Leuchten anstrahlen, was tanzende Lichtreflexe an die Wände zaubert. Interessante Effekte aufgrund des Materials gelingen auch Sue Hayward: Ihr Frauenkopf "With Sandpiper"  (Mit Strandläufer) wirkt durch das neben Öl und Acryl genutzte Wachs mehrdimensional und durchscheinend zugleich.
Ein altes Braunkohleabbaugebiet in der Nähe von Schwarze Pumpe hat der Fotograf Georg Roske in den Fokus genommen. Diese Region, eine der giftigsten Deutschlands, thematisiere für ihn den Klimaschutz und den Wunsch nach dem nötigen Klimawandel, sagt er. Auf den ersten Blick vor allem von großer Ästhetik geprägt, sieht man erst beim zweiten, genauen Hinschauen die Wunden, die der Mensch der Natur dort zugefügt hat.
Einen zweiten Blick, den fordert auch Anett Münnich mit ihrer Acrylarbeit "Birkengrund" heraus. Das von Bäumen und Blättern wie zugewachsen wirkende Bild vermittelt den Eindruck, man schiebe als Betrachter die Zweige einer wildwuchernden Hecke auseinander, voller Neugier, was dahinter verborgen liegt. Fast nüchtern-reduziert wirkt dagegen Günter Blendingers Kaltnadelradierung "Werkstatt mit Bildern", auf der wenige Striche reichen, um einem angedeuteten Raum Struktur zu geben: Tisch, Bild, Wand.
Die Vielfalt dieser Ausstellung, die unterschiedlichen Handschriften ihrer Künstler zu entdecken, ist Herausforderung – und große Freude zugleich. Wer will, kann sogar die ein oder andere künstlerische Position mit nach Hause nehmen: Fast alle Werke stehen zum Verkauf.
Ausstellung noch bis zum 1.9., Di–So 10–18 Uhr, Schloss Neuhardenberg; zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen

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