Von größter Wichtigkeit für die Nation – das mag etwas hoch gegriffen scheinen, bei der alljährlichen Verleihung des Brandenburgischen Kunstpreises in Neuhardenberg. Doch die Ernsthaftigkeit, mit der alle Veranstalter einschließlich des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) die Bedeutung dieser Veranstaltung gerade in diesem Jahr hervorheben, lässt spüren: Das hier ist wirklich wichtig.
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Nicht nur, weil es den digitalen Angeboten etwas Reales entgegensetzt und eine Antwort gibt auf das "weltweite Nichtstattfinden von Kultur", so Heike Kramer, Generalbevollmächtigte der Stiftung Schloss Neuhardenberg. Damit werde auch, so Juryvorsitzender Frank Mangelsdorf, das Signal an die Künstler gesendet: Ihr werdet gesehen. Ihr werdet wahrgenommen. Stephane Leonard, dem als Preisträger des vergangenen Jahres die Aufgabe der Kunstrede zukommt, übernimmt es, deutlich auszusprechen, wie wenig Künstler und Solo-Selbständige bislang von staatlichen Unterstützungsprogrammen abbekommen haben, und dass das viele in Angst, in Radikalisierung und an den rechten Rand treibt, wobei der Riss oft durch Familien und Freundeskreise gehe. Sein Appell nach einer "Pause von der Zwangspause" geht danach, wieder so leben zu können, "dass das Lächeln zurückkehrt."
Ein Lächeln huscht denn auch häufiger an diesem Morgen über die Gesichter, nicht nur, wenn aus Hygienevorsicht regelmäßig das Mikrofon ausgetauscht werden muss. Zum Beispiel, als Nachwuchspreisträgerin Larissa Rosa Lackner nach der launigen Laudatio von Staatssekretär Tobias Dünow sehr cool Urkunde, Blumen und Wetterfahne der Künstlerin Anna Franziska Schwarzbach in Empfang nimmt. Oder als Ehrenpreisträger Manfred Butzmann, vollendeter Kavalier, seine Ehefrau mit dem Blumenstrauß ehrt. Und dafür seinerseits impulsiv von Anna Franziska Schwarzbach umarmt wird. Und auch Sören Gundermann, der mit seinen hintergründig humorvollen "Europe Variations" von seiner aktuellen CD die "Ode an die Freude" aus Beethovens Neunter Sinfonie und den Flügel auf jede denkbare Weise traktiert, sorgt für den einen oder anderen Schmunzler.
Und doch geht es auch bei den Laudationes auf die Preisträgerinnen und Preisträger ums Ganze. Wenn Heike Kramer bei der Grafik-Preisträgerin Carola Kirsch den Mut lobt, die Grenzen der eigenen Komfortzone zu überschreiten, oder Marguerite Blume-Cárdenas, die ihre Formen aus dem Steinblock herausschlägt, dafür, dass sie dem Stein durch diese Verletzung Leben einhaucht. Johannes Heisig, dessen Porträt von Volker Braun ausgewählt wurde, finde, so Frank Mangelsdorf, die Essenz aus äußerer und innerer Haltung, kurz das, was man Charakter nennt.
Was Charakter heißt, begreift man spätestens, wenn Dietmar Woidke Manfred Butzmann ehrt, für den Mut, als Künstler, Aktivist und Bürgerrechtler unbequeme Themen wie Zivilcourage, Umweltschutz und Denkmalpflege unermüdlich aufzugreifen, mit dem Ziel, "die Welt besser zu machen". Das ist, in einem Jahr, das neben der Corona-Pandemie so wichtige Jubiläum wie den 75. Jahrestag des Kriegsendes, den 30. Jahrestag der Wiedervereinigung und der Neugründung des Bundeslandes Brandenburg bereithält, nicht die schlechteste Botschaft. Eins jedenfalls steht jetzt schon fest: So festlich, locker und luftig wie in diesem Jahr wünscht man sich die Preisverleihungen in Zukunft immer.
Info: Die Ausstellung zum Kunstpreis ist noch bis 30. August in Neuhardenberg zu sehen, Di bis So 12 bis 18 Uhr.