Wasser und Stahl: hartes, von Menschen geformtes Material und fließende Bewegungen finden sich in vielen seiner Bilder, aber auch in seinen Skulpturen. 95 Prozent seiner Motive werden von realen Vorbildern inspiriert, erzählt Antonides. "Orte, auf die ich instinktiv oder emotional reagiere." Im künstlerischen Prozess aber dekonstruiert er das Gesehene: Auf einem der großformatigen Bilder, die an der Wand seines Ateliers in Berlin-Wedding lehnen, ist etwa der U-Bahnhof am Schlesischen Tor in Berlin-Kreuzberg zu sehen. Dort, wo sonst Radfahrer unter der Hochbahn entlang sausen, sind keine konkreten Figuren mehr zu sehen, dennoch bleiben sie spürbar. "Die Energie von dem, was vorher da war, bleibt", sagt Antonides, der sich in der Tradition des amerikanischen abstrakten Expressionismus verortet.
Das Fließen interessiert ihn
Der 1958 geborene Maler und Bildhauer hat unter anderem in Vancouver und an der Art Student League in New York studiert. Das Großstadt-Flair, das ihn als Student umgab, prägt seine Arbeiten. Doch er interessiert sich nicht in erster Linie für den urbanen Raum, sondern für den Aspekt des Fließens – auch bei ländlichen Motiven. "Die Stadt ist Teil der Natur und das Leben ist Teil der Stadt", betont er. Auch Landschaften male er im gleichen Stil, sagt er und zieht aus einer Schublade ein Bild, das hoch in den Himmel strebende Bäume zeigt. Nicht nur Berlin und New York, auch die Uckermark spiegelt sich in Antonides’ Werk wider. Dort lebt er seit sechs Jahren mit seiner Partnerin und ihren Kindern in einem Bauernhaus.
Seit Langem arbeitet der Künstler mit Wasserfarben, die den Ruf des Zarten und Durchscheinenden haben. In Antonides’ dynamischen Landschaften voller Unschärfen aber wirken sie kräftig und entschlossen. Auch mit ölbasierten Tinten arbeitet er manchmal. Die Motive malt er spiegelverkehrt auf Plexiglasscheiben und überträgt sie mit einer Drucktechnik auf dünnes, festes Papier und befestigt dieses auf Leinwand.
Antonides deutet auf die kleinen Falten, die die Oberfläche eines Bildes wirft, auf dem eine gelbe U-Bahn leuchtet. Für ihn wird das Bild selbst zu einem Objekt. Er konstruiert und dekonstruiert, bearbeitet Oberflächen mit Metallbürsten oder lässt Gemaltes im Regen stehen, damit das Papier durch Wind und Wetter geformt wird.
Vor seinem Leben als freischaffender Künstler leitete Antonides ein Tech-Unternehmen, das er in den 1980ern mit einem Freund gegründet hatte. 14 Jahre später stieg er aus – und überlegte sich, wie es nun weitergehen würde. "Sofort kam die Antwort: Ich wollte für den Rest meines Lebens Bilder malen." Trotzdem sei die Zeit davor auch wichtig gewesen. Er habe erst Lebenserfahrungen sammeln wollen, bevor er künstlerisch etwas zu sagen habe, erklärt Antonides. Aus diesem Grund waren auch Reisen wichtig für ihn.
Eine Europa-Tour führte ihn nach einem London-Aufenthalt auch nach Berlin, wo er seine Partnerin kennenlernte. Eigentlich wollte er vier Wochen bleiben. Inzwischen sind es zehn Jahre.
Trotz des Hauses in der Uckermark arbeitet Antonides weiter in seinem Atelier in der quirligen Brunnenstraße in Wedding. Mit seinen großen Fensterscheiben lädt es ein, beim Vorbeilaufen einen Blick auf seine Bilder und Skulpturen zu werfen. Das Schiffshebewerk und die Berliner U-Bahn-Motive sollten jetzt eigentlich im Kunstparkhaus in Strausberg zu sehen sein. Corona-bedingt wurde die Schau abgesagt, berichtet Antonides.
Auch bei seinen Skulpturen zeigt sich Antonides’ Interesse an fließenden Bewegungen. Er lässt Glas im Brennofen über metallenen Geräten und Fundstücken schmelzen. Eine solche im Glasmantel eingeschlossene Schreibmaschine war vor zwei Jahren bei der Ausstellung zum Brandenburgischen Kunstpreis zu sehen.
Als er noch neu in seinem Atelier war, hätten Jungs aus der Nachbarschaft manchmal Flyer aus seinem Schaufenster auf der Straße verteilt, erzählt Antonides, der sie dann einlud und mit ihnen ins Gespräch kam. Der Alltag auf der Straße und die Kunst im Atelier sollten seiner Ansicht nach keine getrennte Welten bleiben. Der Künstler äußert die Hoffnung, dass, wenn die Jungen andernorts mit Kunst in Berührung kommen, sie vielleicht sagen werden: "Wir hatten einen Maler in unserem Haus. Das ist normal."