Am vergangenen Wochenende erst hat in der Galerie Bernau eine Ausstellung mit seinen Arbeiten eröffnet, „Blackbox“ heißt sie, welch passender Name für Micha Winklers Lochbild-Fotografien. Im Sommer hat er den Brandenburgischen Kunstpreis der Märkischen Oderzeitung und Stiftung Schloss Neuhardenberg in der Kategorie Fotografie gewonnen und sich sehr darüber gefreut.
Micha Winkler stand mitten im Leben, und endlich wieder auch mitten im Erfolg. Umso bestürzender kommt nun die Nachricht seines viel zu frühen Todes nach kurzer, schwerer Krankheit. Schon eine Ausstellung im Trafo-Kunstraum in Regenmantel hatte er im September nicht mehr mit eröffnen können – dort will man am 21. Oktober um 17 Uhr mit einer kleinen Gedenkstunde an ihn erinnern. Am 16. Oktober ist er im Krankenhaus gestorben.
Im Sommer, als wir zum Vorgespräch des Kunstpreis-Porträts bei glühender Hitze in seinem Garten in Elisenau bei Ahrensfelde saßen, kam er gerade aus dem Urlaub in Oslo zurück. Wie immer hatte er dort auch fotografiert, mit einer Lochkamera, die er selbst gebaut hat. Reisen bedeutete für ihn immer, die Welt mit der Kamera erfassen. Die Ergebnisse waren in diesem Jahr schon in der Galerie Hoppegarten zu sehen, in Regenmantel und nun in Bernau. Flüchtige Weltsichten, die sich umso dauerhafter einprägen.
Micha Winkler hat sich die Fotografie selbst erschlossen, hat sich seinen Weg gegen Widerstände gebahnt. Geboren 1958 in Ost-Berlin, hat er sich schon als Kind zu Karneval als Fotograf verkleidet, mit einem Schulfreund zu DDR Zeiten fotografiert er später im Labor Bravo-Hefte ab, um sich die erste Spiegelreflexkamera zu verdienen. Parallel zur Berufsausbildung zum Zerspanungsfacharbeiter war er in Fotoclubs aktiv, leitete den Fotozirkel in Weißensee. Das ging nicht ohne Friktionen, mit den alten Hasen der Fotografie, die dort aktiv waren. Doch Micha Winkler experimentierte eben gern, veranstaltete Kollodium-Versuche im Garten, nutzte einen Schlafsack als Entwicklungskammer.
Vernissage ohne Künstler: "Made in GDR" heißt die neue Ausstellung mit Fotografien von Micha Winkler, diesjähriger Träger des MOZ-Kunstpreises, in der Trafo-Galerie in Regenmantel. Bei der Ausstellungseröffnung fehlte er - dafür lief ein Film über ihn via TV.
Vernissage ohne Künstler: "Made in GDR" heißt die neue Ausstellung mit Fotografien von Micha Winkler, diesjähriger Träger des MOZ-Kunstpreises, in der Trafo-Galerie in Regenmantel. Bei der Ausstellungseröffnung fehlte er - dafür lief ein Film über ihn via TV.
© Foto: Michael Pommerening
Die Lochkameras, die in den vergangenen Jahren zu einer Art Markenzeichen werden sollten, zu einem Begleiter auf allen Reisen, hat er bei Fotokursen in der Galerie Bernau entdeckt, die er lange Jahre begleitet hat. Was die Schülerinnen und Schüler dort mit der uralten Belichtungstechnik hervorbrachten, interessierte ihn so, dass er selbst weiterexperimentieren wollte. Die Apparate dazu baute er selbst, in verschiedenen Größen und Ausführungen. Und führte im Atelier voller Begeisterung vor, wie einfach und wirkungsvoll die Technik ist – und wie überraschend die Ergebnisse, die Bewegung verschwinden lassen und Stillstand festhalten. „Man kann in einer Bildwelt mehrere Bilder erzählen, wie ein kleiner Film. Weil da durch die lange Belichtung Zeit drinsteckt. Menschen werden zu Schemen, weil sie sich bewegen, oder bleiben sichtbar, weil sie stillstehen“, hat er selbst gesagt.
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Auch für die Bernauer Ausgabe der Märkische Oderzeitung hat er früher fotografiert, eigentlich waren wir verabredet, dass er es bitte wieder tun sollte. Denn sein zweites großes Thema war die Musikfotografie. Hinreißende Porträts von Jazz- und Punkmusikern beim Konzert hat er über Jahrzehnte angefertigt, hat den Rhythmus der Musik in Bilder übersetzt, den flüchtigen Moment des Klangs für die Ewigkeit festgehalten, ohne dass seine Fotos etwas Schweres, Lastendes bekommen: Sie glühen geradezu vor Intensität und leuchtenden Farben. Flüchtigkeit, Leichtigkeit, das zeichnet seine Fotografien aus, und ein spezieller Humor, eine Menschenfreundlichkeit, die jeden anrührte, der ihm begegnen durfte.

Dokumentarfotografien aus DDR-Betrieben

Dabei künden seine Bilder nicht immer von einfachen Verhältnissen. Straßenfotografie hat ihn immer fasziniert, Punks auf dem Alex hat er porträtiert, Dokumentarfotos entstanden auch in den Betrieben der DDR, kündeten von der Alltagswirklichkeit, von harter Arbeit, und Stolz darauf. Das ist ein längst nicht erschlossener Schatz, den es posthum nun zu heben geht. Aufgrund seiner 35-jährigen Tätigkeit besitzt Winkler ein Archiv mit Fotodokumenten der Vor- und Nachwendezeit, insbesondere aus den Berliner Bezirken Weißensee, Prenzlauer Berg, Marzahn und Mitte sowie aus Arbeitswelten der DDR-Zeit von der LPG bis zum VEB Elektrokohle. Ein Fall für die Akademie der Künste oder das Brandenburgische Landesmuseum für Bildende Kunst.
Die aktuelle Ausstellung in der Galerie Bernau mit Arbeiten von Micha Winkler: Blackbox