„Nicht erschrecken, ich mache jetzt das Licht aus“, sagt Eugen Zigutkin. Der selbst aus der Ukraine stammende Chorleiter der Heimatsounds bereitet seine Gruppe gut gelaunter Hobbysänger auf ihren Auftritt bei der Solidaritätskundgebung am Alten Markt in Potsdam vor. Am Freitag, dem 24. Februar 2023 werden sie gemeinsam mit einer Gruppe ukrainischer Frauen dort zum Gedenken an den Jahrestag des Ukraine-Krieges gemeinsam für den Frieden singen. Zum Aufwärmen werden dafür bei rhythmischem Klatschen auch mal einige Melodien im Dunkeln gesungen.
Geplant war anfangs, ein größeres Konzert auf die Beine zu stellen. Die beiden Chorleiter Eugen Zigutkin und Christian Leonhardt sowie die rund 15 Mitglieder aus Syrien, Ägypten, Russland, der Ukraine und dem Iran haben sich jedoch dazu entschieden, die Frauen mit einem ukrainischen („Oj u wischnewomu sadu“) und einem deutschen Lied („Wo die Menschen sich vergessen“) aus dem eigenen Repertoire zu unterstützen. Sie alle teilen ein ähnliches Schicksal und wissen, was es heißt, die eigene Heimat auf der Flucht vor dem Grauen des Krieges zu verlassen, in einem fremden Land zurechtkommen zu müssen oder sich ohne Familie und Freunde einsam zu fühlen. Daher ist es ihnen besonders wichtig, sich gegenseitig zur Seite zu stehen.

Der Krieg soll nicht in Vergessenheit geraten

Bereits im Vorjahr, drei Wochen nach Kriegsbeginn, veranstalteten die Heimatsounds ein Benefizkonzert, um Geld für die Menschen im Kriegsgebiet zu sammeln. Sie kümmerten sich um Geflüchtete vor Ort, sammelten Spenden, luden Transporter voll mit allem, was dringend gebraucht wurde und brachten sie in die Ukraine. „Es ist mein Geburtsland, ich habe dort gute Freunde und für mich ist es alles sehr emotional“, sagt Zigutkin. Aus diesem Grund liegt es ihm sehr am Herzen den nicht enden wollenden Krieg in seinem Land immerzu ins Bewusstsein zurufen und zu zeigen, dass die Menschen weiterhin zusammenhalten.
Die Heimatsounds setzten sich jedoch nicht nur für die Ukraine ein. Sie engagieren sich auch für die Opfer der Erdbebengebiete in der Türkei und in Syrien sowie für Geflüchtete aus aller Welt, die in einem fremden Land nach Anschluss suchen. „Man kann uns manchmal schwer zuordnen“, erklärt Zigutkin. „Ein richtiger Chor sind wir nicht, dafür sind wir zu sehr politisch engagiert und einfach nur eine Gemeinschaft sind wir auch nicht, weil wir dann doch singen. Wir sind aber auch kein Aktivistenverein, da wir zusammen auch mal essen gehen und einfach Freunde sind. Es ist eben alles und deshalb nicht für alle etwas.“
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Was sich jedoch sagen lässt, ist, dass die Menschen, die hier zusammenkommen, nicht nur zum Singen herkommen. Sie suchen viel mehr nach einer Gemeinschaft, in der sie sich offen mitteilen können und andern in Zeiten der Not zur Seite stehen können. „Heimatsounds ist eher der Kulturarbeitsbegriff“, so Leonhardt. „Eigentlich ist es eine interkulturelle Gemeinschaft. Wir haben Proben, feiern Geburtstage, helfen uns aus. Es ist ein großes Netz oder eine Art Familie.“

Kulturellen Austausch mit Musik fördern

Seit 2016 treffen sich die Mitglieder der Heimatsounds in den Räumen des soziokulturellen Zentrums „Waschhaus“ in Potsdam, um Lieder aus ihren Heimatländern zu singen. Der ehemalige Geschäftsführer des Zentrums Siegfried Dittler hatte damals die Idee, durch gemeinsames Musizieren Geflüchtete aus Syrien und Nigeria bei der Integration zu fördern. Der interkulturelle Austausch sollte die Menschen zusammenbringen, um eine Gemeinschaft zu schaffen, zu der sich die Menschen zugehörig fühlen können.
Singen für den Frieden: Insgesamt 15 Mitglieder sind zur heutigen Probe erschienen. Für eine Kundgebung am Alten Markt in Potsdam zum Jahrestag des Ukraine-Krieges üben sie das ukrainische Lied "Oj u wischnewomu sadu" und das deutsche "Wo die Menschen sich vergessen" ein.
Singen für den Frieden: Insgesamt 15 Mitglieder sind zur heutigen Probe erschienen. Für eine Kundgebung am Alten Markt in Potsdam zum Jahrestag des Ukraine-Krieges üben sie das ukrainische Lied „Oj u wischnewomu sadu“ und das deutsche „Wo die Menschen sich vergessen“ ein.
© Foto: Olesja Risto

Jeder ist herzlich willkommen

Jeder, der Freude hat am Singen oder an Musik, kann sich der internationalen Gesangsgruppe anschließen und Lieder aus der eigenen Kultur miteinbringen. Das fördert das Gefühl der Zusammengehörigkeit und erweitert den kulturellen Horizont, der ausschlaggebend ist, wenn es darum geht, sich gegenseitig zu akzeptieren. „Wenn wir in der Stadt bunt werden wollen, dann müssen wir ins Gespräch kommen. Und wir haben diesen Weg über die Musik, über die Lieder aus der jeweiligen Heimat gesucht“, so Leonhardt.
Die Stücke werden natürlich in der jeweiligen Originalsprache gesungen. Dafür muss Zigutkin sie im Vorfeld allerdings in Lautsprache umschreiben. Das heißt, er transkribiert arabischen, ukrainische oder russische Texte ins lateinische Alphabet, damit sie von allen mitgesungen werden können. Bei dem Feinschliff in der Aussprache helfen dann die Mitglieder, die die Sprache kennen.
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Im Jahr 2019 fassten die Heimatsounds ihre Arbeit zu einem Projekt zusammen, indem sie aus Liedern und von den Mitgliedern geschriebenen Texten zum Thema Heimat ein zweistündiges Hörbuch erstellten. Dafür wurden sie mit dem Integrationspreis der Landeshauptstadt Potsdam ausgezeichnet. Im Jahr 2021 erhielten sie außerdem die Europaurkunde des Landes Brandenburg für interkulturelles Engagement.

In Hoffnung auf Frieden

Dieses Jahr steht vor allem der Wunsch nach Frieden im Vordergrund. Daher widmet sich sowohl die musikalische Arbeit als auch das soziale Engagement dem Thema Frieden. „Dafür teilen wir die Proben auf“, erklärt Leonhardt. „Es wird einen musikalischen Teil geben und einen Gesprächsteil. Da geht es vor allem um den inneren Frieden, aber auch um den gesellschaftlichen und darum, wie sie sich bedingen.“ Am Ende soll ein musikalisches Live-Hörspiel entstehen, mit Geschichten, die die Heimatsoundler selbst schreiben und vorlesen.

Solidaritätskundgebung mit der Ukraine

Die Kundgebung findet am 24. Februar 2023 ab 17 Uhr, Am Alten Markt, in 14467 Potsdam statt.
Wer sich interessiert, kann einfach vorbeischauen und sich die schönen Lieder anhören.
Weitere Informationen zu den Heimatsounds befinden sich auch auf der Webseite: https://heimatsounds.de/